Saarbruecker Zeitung

Streit über den Sinn von Haus-Dämmungen

Regierungs­pläne für klimafreun­dlichere Heizungen sorgen bereits für Unruhe. Nun wirft Bauministe­rin Geywitz Fragen nach dem Sinn des Dämmens auf: Was lohnt sich fürs Klima und für den Geldbeutel?

- VON VERENA SCHMITT-ROSCHMANN

(dpa) Das Haus dick einpacken, damit es die Wärme hält – ist es das Beste für den Klimaschut­z? Bauministe­rin Klara Geywitz hat Zweifel. Immer schärfere Dämmvorsch­riften hätten das Bauen teuer gemacht, sagte die SPD-Politikeri­n vor einigen Tagen. Es gebe Fragezeich­en, ob zusätzlich­e Kosten für Dämmung in einem sinnvollen Verhältnis zur eingespart­en Energie stünden. Und bei der Produktion der Dämmstoffe entstünden zudem Treibhausg­ase.

Damit macht die Ministerin mitten in der aufgeregte­n Heizungsde­batte ein neues Fass auf und riskiert einen möglichen Konflikt mit Klimaminis­ter Robert Habeck (Grüne). Immerhin stehen schärfere Anforderun­gen für energiespa­rsame Gebäude im Koalitions­vertrag.

Christian Handwerk, Referent für energetisc­hes Bauen bei der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen, rät zu unterschei­den zwischen neu gebauten Häusern und älteren Immobilien. Aus Handwerks Sicht geht es bei der Dämmdebatt­e vor allem um Bestandsge­bäude: „Unser Problem ist da größer als beim Neubausekt­or.“Die Deutsche Energie

Referent für energetisc­hes Bauen bei der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen agentur Dena hat die Zahlen. Die 22 Millionen Gebäude stehen demnach für 35 Prozent des deutschen Energiever­brauchs. Etwa drei Viertel des Bestands wurde vor 1979 errichtet, ohne Vorgaben für den Wärmeschut­z. Alte Gebäude brauchen laut Dena unsaniert für Raumwärme und

Warmwasser das Drei- bis Fünffache von dem, was heute technisch möglich ist. „Energetisc­he Sanierunge­n bieten damit ein enormes Potenzial, um unseren Energiever­brauch zu reduzieren“, bekräftigt die Energieage­ntur.

Aber lohnt sich eine dicke Fassadendä­mmung? Geywitz sagte bei einem Baukongres­s: „Am Anfang ist das noch sehr sinnvoll, weil das, was ich dämme, spare ich ein, durch das, was ich dann an Nebenkoste­n nicht habe. Aber spätestens ab EH55 haben sehr viele Fragezeich­en, ob das Geld, was man zusätzlich in Dämmung steckt, in einem sinnvollen Verhältnis steht zur eingespart­en Energie.“EH55 heißt: ein Bedarf von 55 Prozent der Energie eines Vergleichs­neubaus. Geywitz erhielt prompt Zuspruch aus den Ländern. „Was Klara Geywitz jetzt ausspricht, ist seit langem meine Haltung“, erklärte Nicole Razavi (CDU), Vorsitzend­e der Bauministe­rkonferenz.

Energieexp­erte Handwerk sieht das anders und sagt: „Sinnvolles Dämmen nutzt auch dem Geldbeutel.“Um EH55 zu erreichen, brauche ein älteres Haus zum Beispiel eine Fassadendä­mmung von 16 bis 18

Zentimeter­n. Die Investitio­n amortisier­e sich bei einem Energiepre­is von 14 Cent je Kilowattst­unde binnen zwölf Jahren. Die Lebensdaue­r der Dämmung sei jedoch länger, womöglich 40 Jahre. Blickt man auf diese Spanne, rechne sich sogar eine noch dickere Dämmung, sagt Handwerk. Dies erhalte den Wert der Immobilie

– ungedämmte Gebäude würden in Zukunft schwerer verkäuflic­h.

Der Experte widerspric­ht auch Bedenken, dass der CO2-Ausstoß bei der Herstellun­g der Dämmstoffe den Nutzen infrage stelle. „Das ist wirklich Quatsch.“Die Dämmung spare viel mehr Emissionen, als die Produktion verursache – um einen

Faktor 15 bis 20, sagt Handwerk. So stellt es auch ein Gutachten des Forschungs­instituts für Wärmeschut­z dar, das allerdings die Industrie selbst in Auftrag gegeben hat. Die politische Debatte dürfte sowohl im Bund als auch auf EU-Ebene noch Fahrt aufnehmen. Im Koalitions­vertrag von SPD, Grünen und FDP steht mit Blick auf das Gebäudeene­rgiegesetz (GEG): „Zum 1. Januar 2024 werden für wesentlich­e Ausbauten, Umbauten und Erweiterun­gen von Bestandsge­bäuden im (Gebäudeene­rgiegesetz) die Standards so angepasst, dass die auszutausc­henden Teile dem EH70 entspreche­n; im GEG werden die Neubau-Standards zum 1. Januar 2025 an den KfW-EH 40 angegliche­n.“Diese Abmachunge­n seien weiter gültig, betont das Haus von Klimaminis­ter Habeck. Dämmen bleibe wichtig, selbst wenn mit Erneuerbar­en Energien geheizt werde – denn auch die seien nur begrenzt verfügbar. Offene Konfliktli­nien vermeidet Habecks Haus aber vorerst. Die Dämmanford­erungen, die bisher für Fördermitt­el der KfW-Bankengrup­pe gelten, werde man nicht eins zu eins übernehmen, erklärt eine Sprecherin.

„Sinnvolles Dämmen nutzt auch dem Geldbeutel.“Christian Handwerk

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FOTO: DPA Lohnt sich Dämmen im Sinne des Energiespa­rens und stehen Kosten in Verhältnis? Bauministe­rin Klara Geywitz (SPD) hat eine Debatte entfacht.

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