Saarbruecker Zeitung

Bahn macht Geschäfte mit Erdaushub

Wenn Tunnel für Bahnen und Autos gebaut werden, bewegen die Baumaschin­en Massen an Erdreich. Im Grunde ist das Abfall. Für manche Tonne des Aushubmate­rials aber gibt es sinnvolle Verwendung.

- VON MARCO KREFTING

(dpa) Wer in seinem Garten einen Baum pflanzt, kann die ausgehoben­e Erde im einfachste­n Fall in unmittelba­rer Nähe gebrauchen. Wenn die Deutsche Bahn (DB) einen Tunnel baut, kommen allerdings solche Massen zusammen – mehrere Millionen Tonnen pro Jahr –, dass die in der Regel auf Deponien landeten. Doch Sand, Kies, Ton und Naturstein könnten in vielen Fällen anderweiti­g gebraucht werden, weshalb die DB mit dem hauseigene­n Start-up Erdpool die mineralisc­hen Rohstoffe aus Bauprojekt­en auf einem digitalen Marktplatz verkauft.

Zum einen gehe es darum, das Material in den Wirtschaft­skreislauf zu bringen und so Ressourcen zu schonen, sagt Bauingenie­urin Katrin Fischer, die das Projekt mit einem Team entwickelt hat. „Wir stehen auch vor dem Problem, dass wir das Material nicht entsorgt kriegen“, sagt Fischer. Viele Deponien seien voll. Zum anderen spare die Bahn hohe Entsorgung­skosten. Uneigennüt­zig ist das Ganze also nicht.

Beim Großprojek­t Karlsruhe-Basel kann man gut sehen, wie es funktionie­rt: Dieser Tage liefen Erdbohrung­en im Raum Offenburg. Diese würden sowieso gemacht, um den Boden zu analysiere­n, sagt Fischer. Die Proben werden umwelttech­nisch untersucht, wie hoch etwa der Arsengehal­t ist. „Schlechtes Material muss auf die Deponie.“

Anhand der Bohrkerne erkennen die Fachleute, mit welchem Material sie es zu tun haben: Einige Meter sind sehr lehmig, die Schicht darunter besteht vor allem aus Steinen. Der Boden entlang der Strecke Karlsruhe-Basel sei nicht schadstoff­belastet, sagt Fischer. Anders sei es bei Stuttgart 21 gewesen. „Das war nicht vermarktun­gsfähig.“

Im Prinzip ist die Idee bekannt. „Unsere großen Unternehme­n betreiben schon aus Kostengrün­den Stoffstrom­management auf ihren verschiede­nen und gegebenenf­alls sogar auf derselben Baustelle“, erläutert eine Sprecherin des Hauptverba­nds der Deutschen Bauindustr­ie.

Beim Bau des Berliner Flughafens BER etwa sei Aushubmate­rial an der einen Stelle entnommen und an anderer Stelle wieder verwendet worden, um aus dem hügeligen Gelände flache Start- und Landebahne­n machen zu können. Auch die Autobahn GmbH, die wie die Bahn große Bauprojekt­e verantwort­et, nennt als Prämisse, das ausgehoben­e und aus der Erde gebohrte

Material innerhalb der geplanten Baumaßnahm­e zu nutzen.

Laut des 13. Monitoring­berichts der Initiative Kreislaufw­irtschaft Bau werden knapp 86 Prozent aus dem Bereich „Boden und Steine“verwertet – überwiegen­d zur Verfüllung von Abgrabunge­n und im Deponiebau. Ob beziehungs­weise wie das Material verwertet werden kann, hängt nach Angaben der Ver

bandssprec­herin auch davon ab, ob das umweltrech­tlich und bautechnis­ch überhaupt möglich sowie zu „vernünftig­en“Transport- und Entsorgung­skosten darstellba­r sei.

Weil die Entsorgung mineralisc­her Bauabfälle immer komplizier­ter und kostspieli­ger werde, verteuere sich das Bauen weiter, heißt es in einem Positionsp­apier der Bauwirtsch­aft Baden-Württember­g. Zudem

moniert der Verband darin unter anderem zu wenig Planung insbesonde­re mit Blick auf die Entsorgung des Materials, zu wenige Verwertung­smöglichke­iten und Deponien sowie dass öffentlich­e Auftraggeb­er den Einsatz von Recycling-Baustoffen verweigert­en.

Seit knapp zwei Jahren gibt es das Bahnprojek­t Erdpool. Aus Sicht der Bauindustr­ie ist es eine Vermarktun­gsplattfor­m wie sie auch andere anbieten – etwa der Mineral Waste Manager und Schüttflix. Über alle Erdpool-Projekte hinweg seien 15 bis 20 Prozent des Aushubs vermarktba­r, erläutert Mitinitiat­orin Fischer. Über 150 Abnehmer zählt die DB nach eigenen Angaben in einem internatio­nalen Netzwerk.

Das seien zum Beispiel die Ziegelund Zementindu­strie, sagt Fischer. Manchmal könnten auch alte Kiesgruben aufgefüllt oder renaturier­tes Gelände befestigt werden, zum Beispiel Ufer. Mehr als acht Millionen Tonnen Angebot sind nach DB-Angaben auf der Plattform inseriert. Ihnen stehen derzeit Gesuche im Umfang von 600 000 Tonnen gegenüber.

Mit den Kunden besprechen Fischer und ihr Team, ob das Material im besten Fall direkt von der Baustelle per Zug geliefert werden kann und welche Wagentypen vor Ort abgeladen werden können. Mit Behörden muss geklärt werden, dass der Erdaushub auch verwendet werden darf. „Erstmal ist das ja Abfall“, macht Fischer deutlich. Je nach Abnehmer unternehme­n die Erdpool-Leute außerdem beispielsw­eise noch Brennversu­che, damit ein Zementhers­teller mehr zur Qualität erfährt.

Der Verein Deutscher Zementwerk­e wollte sich nicht dazu äußern, ob damit beispielsw­eise Lieferengp­ässe ausgeglich­en werden könnten. Die Autobahn GmbH wiederum erklärt, als öffentlich­er Auftraggeb­erin sei ihr eine Vermarktun­g von „Überschuss­massen“nicht möglich. Doch: „Alternativ­e Vorgehensw­eisen in Anlehnung an das Projekt Erdpool der Deutschen Bahn werden aktuell geprüft.“

„Wir stehen auch vor dem Problem, dass wir das Material nicht entsorgt kriegen.“Katrin Fischer Bauingenie­urin

 ?? FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA ?? Baut die Bahn einen Tunnel, fördert sie dabei große Mengen an Aushubmate­rial aus der Erde. Durch das Start-up Erdpool gibt die Bahn die vielen Tonnen Sand, Kies, Ton und Naturstein wieder in den Wirtschaft­skreislauf.
FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA Baut die Bahn einen Tunnel, fördert sie dabei große Mengen an Aushubmate­rial aus der Erde. Durch das Start-up Erdpool gibt die Bahn die vielen Tonnen Sand, Kies, Ton und Naturstein wieder in den Wirtschaft­skreislauf.

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