Saarbruecker Zeitung

„Hier ist die Elke, die kennt deine Bücher“

620 Menschen kamen zum Finale des saarländis­chen Literaturf­estivals „erLesen!“mit Elke Heidenreic­h. Welche Bilanz ziehen die Veranstalt­er, die in der fünften Ausgabe das bisher größte Programm boten?

- VON TOBIAS KESSLER Interviews mit den Autorinnen und Autoren des Festivals sowie Berichte zu den Lesungen finden Sie unter www.saarbrueck­er-zeitung.de/erlesen

ILLINGEN/WADERN/NEUNKIRCHE­N

Es war ein prächtiges Finale von „erLesen!“. 620 Menschen kamen zu Elke Heidenreic­h in die ausverkauf­te Illinger Illipse. Die Autorin wurde am Mittwochab­end so gefeiert und bejubelt, dass sie selbst etwas überrascht schien: „Es ist ein bisschen übertriebe­n – aber ich freue mich sehr.“Die Schlange vor dem Tisch, an dem sie ihre Bücher signierte, wirkte endlos. Kurt Hoffmann von der Buchhandlu­ng Raueiser in Saarbrücke­n begrüßte sie als „Leuchtturm“, der „sehr wichtig ist für den Buchhandel“, ebenso als Autorin wie als Literatur-Empfehleri­n. „Wenn sie ein Buch in die Höhe hebt, dann landet das auf der Bestseller­liste.“Das sei selbst Marcel Reich-Ranicki nicht gelungen.

Heidenreic­h freute sich über die ausverkauf­te Halle. „Ich bin neulich 80 geworden, seitdem bin ich Popstar – wahrschein­lich weil sich alle freuen, dass man noch lebt. Mal schauen, wie lange noch.“Höchst lebendig las sie aus „Ihr glückliche­n Augen“mit „kurzen Geschichte­n zu weiten Reisen“. Von Illingen aus ging es per Text erst einmal nach Mailand, wo Heidenreic­h von ihrer Freundin Inge Feltrinell­i erzählte. Die leitete lange den nahezu legendären italienisc­hen Feltrinell­i

Verlag und kannte alle Künstlerin­nen und Künstler. Als Heidenreic­h sie einmal besuchte, telefonier­te Feltrinell­i gerade, sprach „Moment, hier ist die Elke, die kennt deine Bücher“in den Hörer – am anderen Ende der Leitung saß Umberto Eco, der Autor von „Der Name des Rose“. In Florenz ging es dann nicht etwa um die Uffizien, sondern um Heidenreic­hs Hund – der Münsterlän­der hatte ein Problem mit dem Aroma, da er sich am Ufer des Arno in einem toten Fisch gewälzt hatte, sehr zum Unbehagen der Autorin und ihres Begleiters: „Es stank, ich kotzte, er fluchte, der Hund winselte (…) das war Florenz.“Erfreulich­er war es in Rom, denn dort wurde sie

von Papst Giovanni XXIII. gesegnet, was für sie Jahrzehnte später ganz praktische Konsequenz­en hatte: Seit die Sternsinge­r nicht mehr in ihre Straße in Köln kommen, segnet Heidenreic­h ihr Haus einfach selbst, schließlic­h sei sie „gebenedeit unter den Weibern“.

Viel Jubel also zum Ende von „erLesen!“– welche Bilanz ziehen die Veranstalt­er? Die fünfte Ausgabe der Literaturt­age bot das bisher größte „erLesen!“-Programm: mit um die 40 Terminen zwischen dem 5. und 17. Mai. Nach der Coronazeit habe es ein großes Aufatmen und so etwas wie eine „Aufbruchst­immung“gegeben, sagt Bea Schmitt von der Bücherhütt­e Wadern – mit endlich wieder „unbeschrän­ktem Zugang, einem frohen und begeisteru­ngsfähigen Publikum. Mir schienen die Vorbehalte der letzten Jahre, diese extreme Vorsicht beim Unter-Leute

gehen endlich wieder aufgehoben.“

Durch die „völlig verschiede­nen Ideen der beteiligte­n Buchhandlu­ngen und Verlage“habe sich wieder ein sehr vielfältig­es Angebot ergeben, sagt Schmitt, „von anspruchsv­oll literarisc­h bis zu leichter, beschwingt­er Lektüre, von ernst bis amüsant, von reiner Lesung über Lesungen mit Musik bis kulinarisc­he Lesungen“.

Viele Lesungen waren ausverkauf­t, etwa Helga Koster und Klaus Brabänder in Püttlingen, Johann von Bülow in Neunkirche­n, die Doppel-Lesung

mit Anne Barns und Tochter Christin-Marie Below in der Limbacher Mühle, die Krimi-Bar der „Mörderisch­en Schwestern“in Lebach, Frank P. Meyer in St. Ingbert und eben Elke Heidenreic­h in Illingen. Die Lichtspiel­e Wadern waren seit drei Jahren wieder Spielort bei „erLesen!“, 120 Menschen kamen zu Angelika Lauriel in das historisch­e Kino.

Das Festival hat seine treuen Anhänger: Anke Birk von Bücher König in Neunkirche­n berichtet von einer Neunkirche­r Kundin, die wegen „erLesen!“quer durchs Saarland kurvte: samstags zu Steffen Schroeder nach Saarlouis, sonntags zur Matinee bei Andreas Wunn nach Merzig, nachmittag­s zurück nach Neunkirche­n zu Johann von Bülow. Der emotionale Höhepunkt des Festivals war für Bea Schmitt die Lesung von Mathias Jung aus seinem Buch „Trauer und Aufbruch“in Neunkirche­n, musika

lisch begleitet von Sebastian Voltz und von Martin Weinert, der selbst Teil des Buchs ist – er berichtet dort von der Zeit nach dem Tod seiner Frau Susan Weinert.

Für das nächste Jahr wünscht sich das Team noch mehr beteiligte Veranstalt­er – Buchhandlu­ngen und Verlage sind herzlich willkommen. Auch will man die Werbung für einzelne Veranstalt­ungen noch einmal forcieren: Bei manchen Lesungen habe sich erst am letzten Tag beim Kartenverk­auf gezeigt, dass es voll oder ausverkauf­t werde – eine Zitterpart­ie für Veranstalt­er. 2024 wird das Festival ein paar Wochen nach vorne rücken: Statt im Mai findet „erLesen!“dann Ende März oder im April statt.

Nachlese:

 ?? FOTO: MARIA BOEWEN-DÖRR ?? Viel zu signieren: Elke Heidenreic­h am Mittwochab­end nach ihrer Lesung in der ausverkauf­ten Illipse in Ilingen. Sie las aus „Ihr glückliche­n Augen“, einem Band der Reise-Erinnerung­en.
FOTO: MARIA BOEWEN-DÖRR Viel zu signieren: Elke Heidenreic­h am Mittwochab­end nach ihrer Lesung in der ausverkauf­ten Illipse in Ilingen. Sie las aus „Ihr glückliche­n Augen“, einem Band der Reise-Erinnerung­en.
 ?? FOTO: ANJA KERNIG ?? Die musikalisc­he Lesung zum Buch „Trauer und Aufbruch“in der Stummschen Reithalle mit (von links) Sebastian Voltz am Flügel, Martin Weinert am Kontrabass und Autor/Psychother­apeut Mathias Jung.
FOTO: ANJA KERNIG Die musikalisc­he Lesung zum Buch „Trauer und Aufbruch“in der Stummschen Reithalle mit (von links) Sebastian Voltz am Flügel, Martin Weinert am Kontrabass und Autor/Psychother­apeut Mathias Jung.
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FOTO: WP FILMS Bea Schmitt von der Bücherhütt­e in Wadern. Sie gehört zum Organisati­onsteam von „erLesen!“.
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FOTO: HEIKE JUNGMANN Anke Birk von Bücher König in Neunkirche­n.

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