Saarbruecker Zeitung

Gefragt, wo ein großer Wurf gelingen soll

Bei großen Projekten, etwa der Aufwertung des Osthafens, zieht man ihn zurate. Der Saarbrücke­r Gestaltung­sbeirat wird 20 Jahre alt. Er berät die Stadtverwa­ltung mit hoher Fachkompet­enz in Fragen der Baukultur.

- VON ILKA DESGRANGES

Das letzte Wort hat der Stadtrat. Doch bevor die Stadt Saarbrücke­n aus den Entwürfen für die maroden Häuser am Eingang des Nauwieser Viertels den ihr am geeignetst­en erscheinen­den auswählt, wird ein Expertengr­emium gehört. Der Gestaltung­sbeirat, den die damalige Baudezerne­ntin Rena Wandel-Hoefer 2013 ins Leben rief und der 2014 erstmals tagte, tritt selten öffentlich auf, ist dennoch sehr geschätzt. Von der Stadt und von vielen Bauherren gleicherma­ßen.

Die Mitglieder werden vom Stadtrat auf Vorschlag der Verwaltung berufen. Sie dürfen dem Beirat längstens sechs Jahre angehören. Eine Beiratsper­iode dauert drei Jahre, danach werden ein bis zwei Mitglieder ausgewechs­elt.

Gerade hat der neu besetzte Beirat seine Arbeit aufgenomme­n. Ihm gehören erstmals an: Kerstin Molter, Architekti­n aus Kaiserslau­tern, die in Mainz eine Professur hat, Joachim Raab, Architekt aus Frankfurt, der in Frankfurt eine Professur hat, sowie Martin Berchtold, Stadtplane­r und Junior-Professor an der RheinlandP­fälzischen Technische­n Universitä­t Kaiserslau­tern-Landau sowie bisher schon der Landschaft­sarchitekt Dieter Pfrommer aus Stuttgart.

Liest man die Besetzungs­liste, stellt sich unweigerli­ch die Frage, warum niemand aus Saarbrücke­n dabei ist. An fehlender Kompetenz liegt es nicht. Es liegt daran, dass Gestaltung­sbeiräte während ihrer Amtszeit in Saarbrücke­n laut Geschäftso­rdnung nicht planen und nicht bauen dürfen.

Saarbrücke­r Architekte­n sind jedoch in anderen Gestaltung­sbeiräten vertreten. Zwei Beispiele: Rena Wandel-Hoefer, langjährig­e Baudezerne­ntin und bundesweit renommiert­e Architekti­n, gehörte bis vor kurzem dem Gestaltung­sbeirat der Stadt Wiesbaden an. Luca Kist, der zusammen mit Hanno Dutt oft für seine Landschaft­sarchitekt­ur ausgezeich­net wurde, gehört dem Beirat in Speyer an.

Die baupolitis­chen Sprecher der

Stadtratsf­raktionen zählen in Saarbrücke­n ebenfalls zum Beirat. Sie sollen die Ansichten der Fachleute zu Bauprojekt­en in die Parteien hineintrag­en. Solche Projekte waren in der Vergangenh­eit unter anderen: das Siemenshau­s in der Martin-Luther-Straße, das Gebäude von Juris am Römerkaste­ll. Beides Beispiele für gelungene Baukultur.

Insgesamt darf man den Gestaltung­sbeirat, für den die Stadt pro Jahr knapp 28 000 Euro ausgibt, als Bekenntnis zur Baukultur werten. Man wolle, sagt der Leiter des Stadtplanu­ngsamtes, Christian Schreiner, „Bau- und Planungsku­ltur in der Stadtgesel­lschaft verankern“.

Projekte bekämen durch den Gestaltung­sbeirat die Chance, „auf ein anderes Level gehoben zu werden“. Beratung bedeutet in vielen Fällen Verbesseru­ng.

Wenn das Gebiet um den Osthafen entwickelt wird, ist der Gestaltung­sbeirat ebenfalls eingebunde­n. In seiner ersten Sitzung in neuer Besetzung hat er sich bereits damit beschäftig­t. Die Aufwertung des Geländes am Osthafen ist sehr im Interesse der Stadt, zumal es auch touristisc­hen Zwecken dienen kann. Kulturort ist er ohnehin schon.

Sinn, Zweck und Arbeitswei­se des Gestaltung­sbeirates sind in einer Geschäftso­rdnung festgehalt­en. Seine Arbeit soll „das Bewusstsei­n fördern, dass eine anspruchsv­olle Baukultur ein wichtiger Faktor urbaner Lebensqual­ität ist.“Vor allem in kleineren Kommunen fehlen oft solche beratenden Gremien, die fachliche Kompetenz haben und von außen auf Geplantes schauen. „Mobile Gestaltung­sbeiräte“könnten eine Lösung sein. Gerade etwa hat die Architekte­nkammer des Saarlandes der Stadt Sulzbach Beratung in Sachen Baukultur angeboten.

Der Saarbrücke­r Gestaltung­sbeirat tagt fünfmal im Jahr. Zuständig ist er für alle Bauvorhabe­n, „die aufgrund ihrer Größenordn­ung und Bedeutung für das Stadtbild prägend in Erscheinun­g treten.“So sieht es die Geschäftso­rdnung vor. Das Gelände am Osthafen und die dortigen Gebäude erfüllen diese Voraussetz­ung in besonderer Weise. Von weitem sichtbares Zeichen dafür ist das Rhenania-Haus; das einstige Lagerhochh­aus direkt am Hafenbecke­n soll Mittelpunk­t der Kreativwir­tschaft werden – und mit einer besonderen architekto­nischen Form auf sich aufmerksam machen. Der Baubeginn ist für 2024 geplant – zuvor wird sich der Gestaltung­sbeirat noch einmal mit den Plänen befassen.

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FOTO: BECKERBRED­EL Der Gestaltung­sbeirat beschäftig­t sich auch mit dem Großprojek­t Osthafen.
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FOTO: HOCHSCHULE MAINZ Kerstin Molter
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FOTO: HOCHSCHULE DARMSTADT Joachim Raab
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FOTO: BERCHTOLD Martin Berchtold
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FOTO: SCHREINER Christian Schreiner

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