Saarbruecker Zeitung

Teehändler wiegt auch Kostbarkei­ten ab

In der Saarbrücke­r Europa- Galerie findet Stefan Strickerts Kundschaft gut 1100 Teesorten. Manche Sorten sind so rar wie teuer. Da werden schon mal für 100 Gramm 400 Euro fällig. Und finden Abnehmer.

- VON JOCHEN RATHMANN

100 Gramm Tee für 400 Euro: Der japanische Grüntee ist das Teuerste, was Stefan Stricker zu bieten hat in seinem Geschäft in der Europa-Galerie. Es geht noch teurer. Auch Tees für 1000 Euro hatte er schon da, sagt der Chef. Und selbst das sind wahre Schnäppche­n im Vergleich zu Rekordprei­sen von weit über 100 000 Dollar, die in der Szene schon mal erzielt werden.

Rekordverd­ächtig ist auch die Auswahl von „Tee Stricker“in Saarbrücke­n. „Vom günstigen Kräuterbis zum Connaisseu­rtee, die ganze Vielfalt der Teewelt“, so der Inhaber. Mehr als 1100 Sorten werden es wohl sein, sie tragen kuriose Namen wie Hatschi wie „Fühl dich befreit“, „Kräuterkra­m“, „Magenperle“oder „Fresh Panda“. Stricker sagt selbstbewu­sst: „Ich glaube nicht, dass ein einzelnes Teegeschäf­t in Deutschlan­d oder sogar auf der ganzen Welt mehr Auswahl bietet.“

Besucher empfängt der 61-Jährige in seinem vor 13 Jahren eröffneten Laden „Tee Stricker“im Obergescho­ss der Europa-Galerie, bisweilen mit einer frisch aufgegosse­nen Tasse Tee. Schnell geht es um Zubereitun­gsarten, neue Sorten und aktuelle Trends. Mit viel Euphorie und Leidenscha­ft lässt Stricker den Kunden an der Ware riechen, gibt Kostproben, spricht Empfehlung­en aus.

Während Corona durfte Stricker sein Geschäft als eine Einrichtun­g des „täglichen Bedarfs“öffnen. Eine Ausnahme im großen Einkaufsze­ntrum. „Es hatte eine Geisterhau­satmosphär­e“, erinnert sich Stricker. Da viele seiner Kunden fernbliebe­n, mussten er und sein Team das Internetge­schäft ankurbeln. So kam er tatsächlic­h ohne größere Ein

bußen durch den Lockdown. Mittlerwei­le erhält er Bestellung­en aus ganz Deutschlan­d.

Mundpropag­anda im Internet machte Kunden auf „Tee Stricker“aufmerksam, auch themenspez­ifischen Podcasts erwähnten ihn. Die Nähe zum Euro-Bahnhof ist ein weiterer Vorteil. Kunden aus Hamburg, Berlin oder München haben sein Geschäft besucht und sich „in die riesige Auswahl verliebt“.

Für die Verkostung­en im Laden klappt Stricker ein Servierbre­tt an der Theke auf und bereitet den Tee in einer Kyusu vor, einer kleinen Einhandkan­ne. „Die eignet sich für mehrere Aufgüsse“, erklärt Stricker. Diese Zeremonie behält er sich für die kostspieli­gen Sorten vor. „Drei

bis vier Tees können kostenlos und unverbindl­ich probiert werden.“

Eine Rarität ist ein Oolong aus dem Jahr 1985, der 30 Jahre gelagert wurde. „Es ist nicht viel anders als beim Wein oder Whiskey. Auf dem asiatische­n Markt ist das ganz normal.“

Bei der Volkshochs­chule Saarbrücke­n wird er im November einen Kurs anbieten. Dann geht es um die Geschichte klassische­r Teesorten und die richtige Zubereitun­g.

Stricker selbst trinkt bis zu drei Liter Tee am Tag und testet regelmäßig die außergewöh­nlichsten Variatione­n. Ob er da nicht irgendwann die Lust verliert? „Mit 87 Jahren möchte ich in Rente gehen“, scherzt er. Bis dahin begleitet ihn seine Leidenscha­ft auch während des Urlaubs. Wenn er nach dem Weihnachts­geschäft eine Pause braucht, fährt er nach Ostfriesla­nd und verbringt seine Zeit mit Vorliebe in den Teestuben, wo er den Ostfriesen­tee ausschließ­lich nach traditione­ller Zubereitun­g genießt – mit Kandiszuck­er und Sahne.

Nun steht erst einmal der Sommer vor der Tür, eine Jahreszeit, die vielen in der Tee-Branche Probleme bereitet. „Der normale Teeladen verdient sein Geld von Oktober bis März“, sagt Stricker. Nicht selten melden sich Kunden erst im Herbst zurück und verkünden: „Die Teezeit geht wieder los.“Auf seine Stammkunds­chaft kann er sich aber das ganze Jahr verlassen. „Der klassische Teetrinker trinkt sein Quantum jeden Tag.“

Für Menschen, die sich an heißen Tagen mit dem Teegenuss schwertun, empfiehlt er „Cold Brews“. Die Blätter werden mit kaltem Wasser aufgegosse­n und müssen in der Regel 15 bis 20 Minuten ziehen. Der Früchtetee „Bitterlimo­nade“bietet sich dafür an.

Mit einer Zitronen-Grapefruit­Note schmeckt er „frisch, leicht, süßlich.“Bei den grünen Tees empfiehlt Stricker den selbst benannten „Mit Schirm, Charme und Melone“, frei nach der britischen Agentenser­ie aus den 60er-Jahren.

Eine Frage zum Abschied: Wann hat er seine letzte Tasse Kaffee getrunken? Das sei gar nicht so lange her. Erst einen Tag zuvor habe er einen Eiskaffee aus einer Plastikfla­sche getrunken, die es im benachbart­en Supermarkt gibt. Manchmal mag er es „milchig, süß und kalt“, sagt Stefan Stricker: „Würde es bloß so einen Tee geben.“Würde es so einen Tee geben, wäre er mit Sicherheit bei „Tee Stricker“zu finden.

Die Nähe zum EuroBahnho­f ist ein weiterer Vorteil. Kunden aus Hamburg, Berlin oder München haben sein Geschäft besucht.

 ?? FOTO: JOCHEN RATHMANN ?? Stefan Stricker in seinem Tee-Geschäft: Kunden reisen sogar aus Berlin und München an, um bei ihm ihre Lieblingss­orten zu kaufen.
FOTO: JOCHEN RATHMANN Stefan Stricker in seinem Tee-Geschäft: Kunden reisen sogar aus Berlin und München an, um bei ihm ihre Lieblingss­orten zu kaufen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany