Wandern durch spektakuläre Reisterrassen
Rund um Banaue liegen einige der ältesten Kulturlandschaften der Philippinen – darunter das Unesco-Welterbe Batad.
Die Landschaft ist eine Augenweide, doch zu ihr führen weder Straßen noch Flusswege, selbst einen Helikopterlandeplatz sucht man vergebens. Damit gestaltet sich die Anreise zu einer Geduldsprobe. Elf Stunden ist man von der 16 Millionen Einwohner umfassenden Metropole Manila mit dem Auto bis in die Bergregion von Banaue unterwegs. Von dort geht es mit einem lokalen Guide per Jeepney weiter, einem Fahrzeug der Marke Eigenbau, das Assoziationen an einen Stretch-Jeep weckt, aus einer fantasievoll dekorierten, grob verschweißten Karosserie samt Secondhand-Motor und Mechanik japanischer Autofriedhöfe besteht und beim deutschen TÜV Entsetzen verursachen dürfte. Über kurvenreiche Strecken schraubt sich das Gefährt an den Geröll- und Schlammmassen der letzten Bergstürze vorbei, bis man nach etwa einer Stunde den Startpunkt einer wunderbaren Trekkingtour erreicht.
Anfangs windet sich ein streckenweise betonierter Fußwanderweg bis zu einem Gasthaus, von dessen Terrasse der Blick über eine außergewöhnlich schöne Postkartenlandschaft schweift. Umrahmt von grünen Bergen taucht unten im Talkessel das 900-Seelen-Dorf Batad inmitten malerischer Reisterrassen auf und lässt das Herz eines Wanderers sofort höher schlagen.
Jetzt gibt es kein Halten mehr. Ausgerüstet mit Kamera, reichlich Trinkwasser und einem Regencape für den Fall der Fälle beginnt die mehr Kletter- als Wandertour hinab, um diese von Reisbauern über
Jahrtausende geschaffene Kulturlandschaft näher zu erkunden. Auch Bauer Limamag Napadawan ist von seiner Hütte im Oberdorf zu seinen Kindern und Enkeln im Tal unterwegs, stützt sich von Zeit zu Zeit auf seinen Wanderstock und überlegt, wie lange er diesen zweistündigen steilen Abstieg wohl noch bewältigen kann. Doch der Zusammenhalt der Familie ist ihm das Wichtigste im Leben und in Gedanken an sie schöpft er neue Kraft.
Im Tal angekommen, beginnt ein Balanceakt auf schmalen Pfaden und Mauern, die eine Trennlinie zwischen den bewässerten Reisfeldern bilden. An den ersten Häusern laufen Kinder umher, Hühner
gackern, eine ältere Frau webt farbige Fäden in einen Tischteppich, mit dessen Verkauf sie etwas hinzuverdienen möchte. Andere Frauen sind dabei, ihre Terrassen nach den Regenfluten der letzten Tage zu reparieren und zu säubern. Wanderer aus den Niederlanden kommen uns mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht entgegen. „Eine fantastische Tour“, raunen sie uns zu. Mit kleinen Raststationen samt Getränke- und Souvenirangeboten haben sich einige Einwohner bereits auf ausländische Touristen eingestellt, zwei Familien bieten Homestays an.
„Auf vielen entlegenen Flecken wie Batad oder im nahe gelegenen Bangaan begegnet man dem authentischen Leben der Bergbauern, so wie sie es seit Jahrhunderten gewöhnt sind“, sagt Loloy Bugarin, der lokale Guide, der unsere kleine Gruppe auf der Wanderung begleitet. „Nahezu alle Dorfbewohner leben vom Reisanbau und sind mit kleinen Gemüsegärten, Hühnern und Schweinen weitgehend autark.“Doch die Höhe und das Klima lassen nur eine Reisernte pro Jahr zu, während im Flachland bis zu drei Jahresernten die Regel sind. Daher reicht der Ertrag zuweilen nicht einmal für den Eigenverbrauch und will eine Familie mit den hier üblichen fünf bis sechs Kindern auskommen, so ist sie auf finanzielle Zuflüsse angewiesen. Vier von fünf Kindern
wechseln nach der Grundschule in die Stadt, um höhere Bildungsangebote wahrzunehmen, einige gehen dann ins Ausland oder auf Kreuzfahrtschiffe und schicken den Familien Geld. Das Bewirtschaften der entlegenen Reisfelder ist harte Handarbeit und das Leben unterhalb der steilen Hänge birgt angesichts starker Regenfälle Gefahren. Jährlich verwüsten durchschnittlich 20 Taifune das Land. Ein Gedenkstein an die Opfer eines Bergsturzes im Jahr 2016 erinnert daran, dass die Naturgewalten auch um das idyllische Batad keinen Bogen machen.
„Wir tragen als Menschen eine bedeutende Mitschuld an den Naturkatastrophen, da wir über Jahrhunderte die schützenden Wälder abgeholzt und der Erosion freien Lauf gewährt haben“, sagt Raf Dionisio, Gründer des Reise-Start-ups
MAD-Travel, die Abkürzung für „Make a Difference“, bei einem Treffen. Gemeinsam mit acht Gleichgesinnten will er dieser verheerenden Entwicklung entgegenwirken, indem er sich dem nachhaltigen Tourismus verschrieben hat. So ermöglicht MAD Reisenden aus Europa, das echte Leben auf den Philippinen kennenzulernen, Ökotourismusund Baumspendenprojekte einzubinden. Im Rahmen eines interaktiven Projektes MAD Courses nimmt das Start-up Studenten und andere Interessierte auf digitale Abenteuer im Herzen der lokalen Gemeinden mit und veranschaulicht die positiven Auswirkungen einer nachhaltigen Entwicklung auf Natur und Gesellschaft.
Besonders stolz ist Raf auf die gelungenen Wiederaufforstungsprojekte. Selbst auf einer bis zu zehn Meter starken Schicht aus Vulkanasche, die der Pinatubo-Vulkan über Teile der Insel schüttete, wachsen jetzt wieder Cashewbäume, lokale Pinienarten und Bambus. Schnellwachsende Gräser und Holzgewächse lassen in wenigen Jahren eine Humusschicht entstehen, die weiteren Arten eine Nahrungsgrundlage schafft.
Mit Wandertouren zu Bergbauern und indigenen Gruppen, Anleitungen für touristische Angebote und für Homestay-Projekte gelingt es MAD, die lokale Bevölkerung direkt einzubeziehen. Es ist November und die Philippinos bereiten sich auf Weihnachten und das Neujahrsfest vor. Jede finanzielle Spritze ist nun besonders willkommen.