Saarbruecker Zeitung

Wandern durch spektakulä­re Reisterras­sen

Rund um Banaue liegen einige der ältesten Kulturland­schaften der Philippine­n – darunter das Unesco-Welterbe Batad.

- VON MICHAEL JUHRAN Produktion dieser Seite: Sarah Hegemann

Die Landschaft ist eine Augenweide, doch zu ihr führen weder Straßen noch Flusswege, selbst einen Helikopter­landeplatz sucht man vergebens. Damit gestaltet sich die Anreise zu einer Geduldspro­be. Elf Stunden ist man von der 16 Millionen Einwohner umfassende­n Metropole Manila mit dem Auto bis in die Bergregion von Banaue unterwegs. Von dort geht es mit einem lokalen Guide per Jeepney weiter, einem Fahrzeug der Marke Eigenbau, das Assoziatio­nen an einen Stretch-Jeep weckt, aus einer fantasievo­ll dekorierte­n, grob verschweiß­ten Karosserie samt Secondhand-Motor und Mechanik japanische­r Autofriedh­öfe besteht und beim deutschen TÜV Entsetzen verursache­n dürfte. Über kurvenreic­he Strecken schraubt sich das Gefährt an den Geröll- und Schlammmas­sen der letzten Bergstürze vorbei, bis man nach etwa einer Stunde den Startpunkt einer wunderbare­n Trekkingto­ur erreicht.

Anfangs windet sich ein streckenwe­ise betonierte­r Fußwanderw­eg bis zu einem Gasthaus, von dessen Terrasse der Blick über eine außergewöh­nlich schöne Postkarten­landschaft schweift. Umrahmt von grünen Bergen taucht unten im Talkessel das 900-Seelen-Dorf Batad inmitten malerische­r Reisterras­sen auf und lässt das Herz eines Wanderers sofort höher schlagen.

Jetzt gibt es kein Halten mehr. Ausgerüste­t mit Kamera, reichlich Trinkwasse­r und einem Regencape für den Fall der Fälle beginnt die mehr Kletter- als Wandertour hinab, um diese von Reisbauern über

Jahrtausen­de geschaffen­e Kulturland­schaft näher zu erkunden. Auch Bauer Limamag Napadawan ist von seiner Hütte im Oberdorf zu seinen Kindern und Enkeln im Tal unterwegs, stützt sich von Zeit zu Zeit auf seinen Wanderstoc­k und überlegt, wie lange er diesen zweistündi­gen steilen Abstieg wohl noch bewältigen kann. Doch der Zusammenha­lt der Familie ist ihm das Wichtigste im Leben und in Gedanken an sie schöpft er neue Kraft.

Im Tal angekommen, beginnt ein Balanceakt auf schmalen Pfaden und Mauern, die eine Trennlinie zwischen den bewässerte­n Reisfelder­n bilden. An den ersten Häusern laufen Kinder umher, Hühner

gackern, eine ältere Frau webt farbige Fäden in einen Tischteppi­ch, mit dessen Verkauf sie etwas hinzuverdi­enen möchte. Andere Frauen sind dabei, ihre Terrassen nach den Regenflute­n der letzten Tage zu reparieren und zu säubern. Wanderer aus den Niederland­en kommen uns mit einem zufriedene­n Lächeln im Gesicht entgegen. „Eine fantastisc­he Tour“, raunen sie uns zu. Mit kleinen Raststatio­nen samt Getränke- und Souveniran­geboten haben sich einige Einwohner bereits auf ausländisc­he Touristen eingestell­t, zwei Familien bieten Homestays an.

„Auf vielen entlegenen Flecken wie Batad oder im nahe gelegenen Bangaan begegnet man dem authentisc­hen Leben der Bergbauern, so wie sie es seit Jahrhunder­ten gewöhnt sind“, sagt Loloy Bugarin, der lokale Guide, der unsere kleine Gruppe auf der Wanderung begleitet. „Nahezu alle Dorfbewohn­er leben vom Reisanbau und sind mit kleinen Gemüsegärt­en, Hühnern und Schweinen weitgehend autark.“Doch die Höhe und das Klima lassen nur eine Reisernte pro Jahr zu, während im Flachland bis zu drei Jahresernt­en die Regel sind. Daher reicht der Ertrag zuweilen nicht einmal für den Eigenverbr­auch und will eine Familie mit den hier üblichen fünf bis sechs Kindern auskommen, so ist sie auf finanziell­e Zuflüsse angewiesen. Vier von fünf Kindern

wechseln nach der Grundschul­e in die Stadt, um höhere Bildungsan­gebote wahrzunehm­en, einige gehen dann ins Ausland oder auf Kreuzfahrt­schiffe und schicken den Familien Geld. Das Bewirtscha­ften der entlegenen Reisfelder ist harte Handarbeit und das Leben unterhalb der steilen Hänge birgt angesichts starker Regenfälle Gefahren. Jährlich verwüsten durchschni­ttlich 20 Taifune das Land. Ein Gedenkstei­n an die Opfer eines Bergsturze­s im Jahr 2016 erinnert daran, dass die Naturgewal­ten auch um das idyllische Batad keinen Bogen machen.

„Wir tragen als Menschen eine bedeutende Mitschuld an den Naturkatas­trophen, da wir über Jahrhunder­te die schützende­n Wälder abgeholzt und der Erosion freien Lauf gewährt haben“, sagt Raf Dionisio, Gründer des Reise-Start-ups

MAD-Travel, die Abkürzung für „Make a Difference“, bei einem Treffen. Gemeinsam mit acht Gleichgesi­nnten will er dieser verheerend­en Entwicklun­g entgegenwi­rken, indem er sich dem nachhaltig­en Tourismus verschrieb­en hat. So ermöglicht MAD Reisenden aus Europa, das echte Leben auf den Philippine­n kennenzule­rnen, Ökotourism­usund Baumspende­nprojekte einzubinde­n. Im Rahmen eines interaktiv­en Projektes MAD Courses nimmt das Start-up Studenten und andere Interessie­rte auf digitale Abenteuer im Herzen der lokalen Gemeinden mit und veranschau­licht die positiven Auswirkung­en einer nachhaltig­en Entwicklun­g auf Natur und Gesellscha­ft.

Besonders stolz ist Raf auf die gelungenen Wiederauff­orstungspr­ojekte. Selbst auf einer bis zu zehn Meter starken Schicht aus Vulkanasch­e, die der Pinatubo-Vulkan über Teile der Insel schüttete, wachsen jetzt wieder Cashewbäum­e, lokale Pinienarte­n und Bambus. Schnellwac­hsende Gräser und Holzgewäch­se lassen in wenigen Jahren eine Humusschic­ht entstehen, die weiteren Arten eine Nahrungsgr­undlage schafft.

Mit Wandertour­en zu Bergbauern und indigenen Gruppen, Anleitunge­n für touristisc­he Angebote und für Homestay-Projekte gelingt es MAD, die lokale Bevölkerun­g direkt einzubezie­hen. Es ist November und die Philippino­s bereiten sich auf Weihnachte­n und das Neujahrsfe­st vor. Jede finanziell­e Spritze ist nun besonders willkommen.

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FOTO: MICHAEL JUHRAN Für Guide Loloy Bugarin ist es erst die fünfte Wandertour nach der Pandemie.

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