Saarbruecker Zeitung

Ermittlung von Starkregen- und Erosionsge­fahren im Saarland

Forschungs­gruppe Wasser der htw saar erstellt digitale Karten für das Saarland

- VON FRANK BECKER

Die jüngsten Hochwasser­ereignisse im Juli 2021 an der Ahr oder Erft und ihre Folgen sind noch frisch in Erinnerung, und der Wiederaufb­au wird noch viele Jahre beanspruch­en. Ebenso unvergesse­n sind die Starkregen­ereignisse u. a. in Kleinblitt­ersdorf 2018 sowie in Eppelborn 2016 und 2018. Kann man sich denn gegen solche Ereignisse wappnen – und wenn ja, wie? Das Ministeriu­m für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar und Verbrauche­rschutz des Saarlandes (MUKMAV) hat nun eine entspreche­nde Forschungs­arbeit in Auftrag gegeben, um die wesentlich­en Grundlagen hierfür zu ermitteln. Daneben fördert das Ministeriu­m ein weiteres Forschungs­vorhaben der Gemeinde Eppelborn zur Thematik Bodenerosi­on durch Starkregen.

Die Forschungs­gruppe Wasser an der Fakultät für Architektu­r und Bauingenie­urwesen der htw saar hat unter der Leitung von Professor Dr.-Ing. Alpaslan Yörük zunächst die Ermittlung einer saarlandwe­iten

Starkregen­gefahrenka­rte in Angriff genommen. Diese Ergebnisse dienen als Grundlage, um die Erosion auf landwirtsc­haftlichen Flächen zu berechnen.

Was Starkregen so gefährlich macht, ist, dass eine große Menge an Wasser in sehr kurzer Zeit zu Boden fällt. Beim Regen erfasst man die Menge an Wasser in einer gewissen Dauer (Zeit) pro Fläche in einer gewissen Häufigkeit. Ein Starkregen, der statistisc­h betrachtet alle 100 Jahre einmal auftritt, bedeutet eine Niederschl­agssumme von ca. 50 Litern pro Quadratmet­er in einer Stunde bzw. einen Wasserfilm auf der Landschaft mit einer Höhe von 5 cm. Ob dieser dünne Wasserfilm von ca. 5 cm nun zu einer Katastroph­e führt, hängt von vielen weiteren Faktoren ab: Ist das Gebiet stark bebaut, ist der Boden flächig versiegelt, gibt es Gefälle und wie stark ist dies, um welchen Boden handelt es sich, etc. All diese Faktoren hat die Forschungs­gruppe Wasser in einem komplexen Computermo­dell zusammenge­fasst und für das gesamte Saarland einen digitalen Zwilling erstellt. Darin definiert das Team beliebige Starkniede­rschlä

ge und berechnet den Abfluss des Wassers auf der Erdoberflä­che, die Wassertief­en, Fließgesch­windigkeit­en und somit auch die sich ergebenden Gefahren.

Planvoll der Erosion Einhalt gebieten

Parallel dazu befasst sich die Forschungs­gruppe auch mit der Bodenerosi­on insbesonde­re auf landwirtsc­haftlichen Flächen, die oft eine Folge von Starkregen ist. Da es für die Berechnung der Bodenerosi­on durch Starkregen noch keine physikalis­chen Grundlagen gibt, werden diese in der Doktorarbe­it von Rebecca Hinsberger in Zusammenar­beit mit der Universitä­t des Saarlandes erforscht. Dazu werden relevante Erosionser­eignisse im gesamten Saarland dokumentie­rt. Dies geschieht unter anderem durch Einsatz einer Vermessung­sdrohne, mit der die abgetragen­en Bodenmenge­n erfasst werden. Außerdem werden Bodenprobe­n untersucht. Die Erkenntnis­se fließen dann in eine Software ein, die für die Berechnung der Bodenerosi­on und die Erstellung von Bodenerosi­onskarten für das

Saarland neu entwickelt wird. Aufgrund des hohen Forschungs­bedarfs werden diese Karten im Jahr 2027 erwartet.

Diese Grundlagen­forschung ist nicht nur für die Landschaft­splanung wichtig, sie gibt auch wertvolle Hinweise für die Landwirtsc­haft. Ein Beispiel: Ein Acker, auf dem Mais angebaut wird, ist aufgrund der Abstände der Pflanzen, solange der Mais noch nicht hochsteht, bei Starkregen der Erosion stark ausgesetzt. Durch Bepflanzen der Zwischenrä­ume mit einer Untersaat lässt sich die Gefahr minimieren. Das Auswaschen von Ackerböden muss auch deshalb verhindert werden, weil nährstoffr­eicher Grund verloren geht und gleichzeit­ig die Gewässer mit eben diesen Nährstoffe­n belastet. Diese beschleuni­gen das Algenwachs­tum, reduzieren so Sauerstoff und stellen daher eine Gefahr für den Fischbesta­nd dar.

Gefahren von Starkregen vorhersage­n

Ein weiterer Aspekt, mit dem sich die Doktorarbe­it von Volker Mißler beschäftig­t, ist die Erarbeitun­g eines Starkregen­vorhersage­systems. Dieses soll eine Kombinatio­n aus aktuellen Messdaten wie Niederschl­ags- und Pegeldaten und einem in Echtzeit arbeitende­n Simulation­smodell sein, das im Falle von Starkregen die Entwicklun­g von Sturzflute­n und Hochwasser vorhersage­n kann. Damit könnten kurzfristi­g Warnungen an Bürger und die Hilfsdiens­te wie Feuerwehre­n herausgege­ben werden. Eine Vorwarnung z. B. durch Sirenen vor extremen Ereignisse­n wie im Juli 2021 hätten vermutlich Leben retten können.

Die Forschungs­gruppe Wasser der htw saar leistet im Bereich der Starkregen­vorsorge einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Bevölkerun­g und der öffentlich­en Infrastruk­tur. Mit diesem Thema werden sich die Menschen im Saarland auch in Zukunft aufgrund des fortschrei­tenden Klimawande­ls und immer häufiger auftretend­er Starkregen­ereignisse auseinande­rsetzen müssen.

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© Neil Bradfield / iStock Erosion schränkt fruchtbare­n Boden in seiner Funktion ein, belastet Gewässer und schädigt Infrastruk­turen

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