Master-Studierende bringen das Gewächshaus in die Küche
(IKS) – Prüfung im Labor für industrielle Produktion: statt Einzeltische, Klausurbögen und Aufsichtspersonen präsentieren MasterStudierende den Prüfern drei selbstentwickelte Systeme: ein modulares Upgrade-Kit für mehr Präzision und Schnelligkeit im 3D-Druck, eine Vereinzelungsmaschine für eine optimierte Ausrichtung und Sortierung von Laserschweißteilen sowie einenVerticalFarming-Schrank mit aeroponischer Bewässerung.
Neue Denkansätze aus Forschung & Lehre: Ernährung der Zukunft
Nach der Präsentation der drei Projekte – vergleichbar dem Pitch eines Start-ups – folgt ein Funktionstest der einzelnen Anlagen in der großen Werkshalle. Das Team um Wilhelm Rath erläutert Aufbau und Funktion ihres Indoor-Farming-Systems. Auf drei Ebenen können je acht landwirtschaftliche Frischprodukte wie Gemüse, Salat oder Kräuter kultiviert werden. Der vollautomatisierte Gewächsschrank ist dabei nicht größer als ein handelsüblicher Kühlschrank. „Die Pflanzen werden ohne Erde angebaut, ein Nebel aus Wasser und Nährstofflösung sorgt für ein optimales Wachstum, der Wasserverbrauch wird imVergleich zum Feldanbau um bis zu 90 % gesenkt“, erläutert Teamkollege Nicolas Welsch. „Bewässerung, Beleuchtung und Nährstoffzugabe laufen automatisch. Nach drei bis vier Wochen kann zum ersten Mal geerntet werden.“
„Lernziel im Maschinenbaustudiengang ‚Engineering und Management‘ ist es, einen gesamten Produktentwicklungsprozess abzubilden und zum Abschluss die Funktion eines Prototyps zu präsentieren“, erklärt der Leiter des Labors Industrielle Produktion Professor Dr. Jürgen Griebsch. Umgesetzt werden aber nur Ideen, für die es einen Markt gibt. Ohne Käuferpotential und attraktiven Zielpreis erhalten die Ideen keine Chance auf eine Realisierung. „In Zukunftstechnologien, die etablierte Prozesse und Geschäftsmodelle in den nächsten Jahrzehnten revolutionieren werden, spielt die Robotik, Sensorik oder Additive Fertigung eine große Rolle. Das stellt auch angehende Ingenieure vor neue Aufgaben, denn sie müssen neben der fachlichen Expertise auch Kulturgrenzen überwinden.“
Vom Food-Trend zum Wirtschaftszweig
Der Klimawandel, das Bevölkerungswachstum, der Wunsch nach regionalen Produkten erfordern neue Konzepte der Nahrungsmittelproduktion. Der globale Markt des Vertical Farmings wuchs im Jahr 2021 auf 4,21 Milliarden Dollar. Bis 2026 sollen es 11,58 Milliarden Dollar sein. Die größte Herausforderung bleibt trotz intensiver Flächennutzung aber bislang die Wirtschaftlichkeit. Vertical Farming ist als echte Alternative zur klassischen Ackerlandwirtschaft aufgrund des hohen Energiebedarfs noch nicht rentabel. Dennoch sehen Experten in neuen Anbau- und Bewässerungsmethoden ein hohes Potential. „Indoor-Farming wird die traditionelle Landwirtschaft nicht ersetzen, sondern diese ergänzen“, bekräftigt Jürgen Griebsch.
„Entscheidend dafür, ob traditionell oder sensorüberwacht mit neuen Technologien angebaut wird, ist ein für jede Region auf der Erde optimaler Mix. Dieser besteht aus geringem Wasser- und Energieverbrauch, geringen Investitionskosten sowie der Vermeidung von Pestiziden und Chemie. Hochschulen tragen durch ihre Forschungsaktivitäten und der Arbeit mit Studierenden dazu bei, die komplexen Wechselwirkungen zu verstehen und den optimalen Mix schneller zu finden.“