Gesunde Hände zum Greifen nah
Hände werden bei Arbeits- und Sportunfällen am häufigsten verletzt. Dann kann eine Handtherapie helfen. Doch im Saarland gibt es nur zwei Praxen mit zertifizierten Handtherapeuten.
Bei Arbeitsunfällen wird am häufigsten die Hand verletzt, das Gleiche gilt bei Sportverletzungen. Schäden an der Hand treten auch bei Stürzen im Alltag sowie bei der Haus- und Gartenarbeit auf. Besonders beanspruchte Hände, was in vielen Handwerksberufen der Fall ist, sind anfällig für Arthrose. Auch mit zunehmendem Alter nutzt sich der Knorpel in Fingern und Händen ab. Von entzündlichem Gelenkrheuma sind fast immer auch die Hände betroffen.
Handerkrankungen und -verletzungen können heutzutage medizinisch meist gut behandelt werden. Viele Betroffene sind dennoch vorübergehend oder auch dauerhaft bei alltäglichen Verrichtungen eingeschränkt. „Zum Beispiel beim Greifen, Zähneputzen, Brötchenschneiden, Knöpfeschließen oder Autofahren“, sagt Thomas Schackmann, Geschäftsführer der Physiound Ergotherapiepraxis Caravita mit drei Standorten in Saarbrücken. In der Praxis des Unternehmens im Gesundheitspark Hirschbach in Dudweiler arbeitet Ergotherapeut Sven Goss seit 2009 als zertifizierter Handtherapeut der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Handtherapie. Jetzt wurde er erfolgreich erneut zertifiziert. Im Saarland gibt es lediglich zwei zertifizierte handtherapeutische Schwerpunktpraxen. Das Zertifikat bescheinigt, dass die Therapeuten durch diese Zusatzqualifikation über ein umfassendes theoretisches Wissen und umfängliche praktische Fähigkeiten verfügen, um die Hände der Patienten wieder fit zu machen. Zwei weitere Ergotherapeuten der Caravita durchlaufen derzeit die Fortbildung zum Handtherapeuten.
„Der Bedarf an Handtherapie ist riesig“, sagt Schackmann. „Dennoch steht die Handtherapie noch immer etwas im Schatten.“Das hänge auch damit zusammen, dass viele Ärzte bei Erkrankungen und
Verletzungen der Hand sowie nach Operationen zwar Krankengymnastik verordneten, aber keine gezielte Handtherapie. Zertifizierte Handtherapeuten verfügten jedoch über das spezielle Wissen, das erforderlich sei, um eine Hand nach operativen Eingriffen, einem Bruch, nach Bandund Sehnenverletzungen oder Verbrennungen und auch bei Arthrose und Rheuma optimal zu rehabilitieren. „Auch die Schmerztherapie zählt zum Aufgabenbereich eines Handtherapeuten“, sagt Schackmann.
Besonders häufig behandeln Handtherapeuten Patienten, die wegen eines Bruchs der Hand oder des Handgelenks operiert werden mussten. „Auch Versorgungen nach einer Karpaltunnel-OP oder einer Operation eines Spring- oder Schnappfingers führen wir fast täglich durch“, sagt Schackmann. Das Karpaltunnelsyndrom wird bei andauernder Überlastung, zum Beispiel durchs Tippen am Computer, hervorgerufen. Schwillt das Gewebe im Karpaltunnel an, einem Nerven
kanal, der an der Innenseite von Handgelenk und Handwurzel liegt, wird der darin verlaufende Nerv abgedrückt. Das verursacht in der Regel Schmerzen und ein Taubheitsgefühl. Auch eine Arthrose des Daumensat
telgelenks, des Daumengelenks, das direkt am Handgelenk liegt, zählt zu den Problemen, die am häufigsten therapiert werden.
Eine handtherapeutische Sitzung dauert zwischen 30 und 45 Minuten, je nach Bedarf finden mehrere Behandlungen pro Woche statt. Ein Handtherapeut bearbeitet die Hände seiner Patienten durch Ziehen und Drücken, er mobilisiert die eingeschränkten Gelenke oder regt bei geschwollenen Händen mit einer Lymphdrainage den Abtransport von Abfallstoffen des Stoffwechsels an. „Nach der Operation eines Handgelenkbruchs zum Beispiel muss auch das Narbengewebe behandelt werden, damit es nicht verklebt“, sagt Schackmann. Beispielsweise könnte Narbengewebe mit einer Lasertherapie, Ultraschall oder einer Narbenmobilisation behandelt werden.
Da Menschen mit Handproblemen oft eine Schonhaltung einnehmen, um Schmerzen zu vermeiden, kann es zu Beeinträchtigungen der angrenzenden Gelenke oder Strukturen kommen. In diesem Fall arbeitet der Handtherapeut mit Physiotherapeuten zusammen. Bei der Therapie kommen bei Bedarf auch Ultraschallgeräte zum Einsatz. „Das fördert die Wundheilung, weil die Durchblutung angeregt und Entzündungen gehemmt werden“, erläutert Schackmann. Schmerzen könnten mit Reizstrom bekämpft werden.
In vielen Fällen tragen Schienen zur Regeneration der Hand und Finger bei. Sowohl bei Verletzungen oder Erkrankungen als auch nach Operationen werden Schienen an Fingern, Hand, Handgelenk oder Arm eingesetzt, um die Gelenke ruhig zu stellen, zu stabilisieren, Fehlstellungen zu beseitigen oder das Öffnen und Schließen der Hand zu unterstützen. Beim Karpaltunnelsyndrom werden beispielsweise Handgelenksschienen eingesetzt. Bei Rheuma und Arthrose können Handschienen die Beschwerden lindern.
„Für jeden Patienten wird die Schiene maßgefertigt“, sagt Schackmann. Ein Handtherapeut wird nur zertifiziert, wenn er pro Jahr eine bestimmte Anzahl solcher Schienen herstellt. Gefertigt werden die Schienen aus einem speziellen Plastik, das in einem heißen Wasserbad erhitzt wird und sich danach leicht formen lässt. „Es gibt Plastik in unterschiedlichen Farben und Mustern, weil einige Patienten darauf Wert legen“, berichtet Schackmann. „Eine Schiene kann starr sein, es gibt aber auch Schienen mit integrierten Federn und Zügen, die das Beugen oder Strecken der Fingergelenke oder des Handgelenks unterstützen oder überhaupt erst ermöglichen.“
Alle Patienten bekommen auch Übungspläne für zu Hause, die regelmäßig an die verschiedenen Stadien der Regeneration angepasst werden. „Ein regelmäßiges Training zu Hause trägt wesentlich zum Erfolg der Therapie bei. Daran lassen unsere Behandlungsdokumentationen keinen Zweifel. Wir können sehen, dass unsere Patienten tatsächlich daheim üben, weil sie ein großes Interesse daran haben, dass sich ihre Beschwerden bessern“, sagt Schackmann. Die Erfahrung aus 15 Jahre Handtherapie zeige, dass es in der Regel besser sei, bei Verletzungen und Erkrankungen der Hand den Arzttermin nicht aufzuschieben. „Nicht immer geht alles von alleine, was von alleine kam“, sagt Schackmann.