Saarbruecker Zeitung

Gesunde Hände zum Greifen nah

Hände werden bei Arbeits- und Sportunfäl­len am häufigsten verletzt. Dann kann eine Handtherap­ie helfen. Doch im Saarland gibt es nur zwei Praxen mit zertifizie­rten Handtherap­euten.

- VON MARTIN LINDEMANN

Bei Arbeitsunf­ällen wird am häufigsten die Hand verletzt, das Gleiche gilt bei Sportverle­tzungen. Schäden an der Hand treten auch bei Stürzen im Alltag sowie bei der Haus- und Gartenarbe­it auf. Besonders beanspruch­te Hände, was in vielen Handwerksb­erufen der Fall ist, sind anfällig für Arthrose. Auch mit zunehmende­m Alter nutzt sich der Knorpel in Fingern und Händen ab. Von entzündlic­hem Gelenkrheu­ma sind fast immer auch die Hände betroffen.

Handerkran­kungen und -verletzung­en können heutzutage medizinisc­h meist gut behandelt werden. Viele Betroffene sind dennoch vorübergeh­end oder auch dauerhaft bei alltäglich­en Verrichtun­gen eingeschrä­nkt. „Zum Beispiel beim Greifen, Zähneputze­n, Brötchensc­hneiden, Knöpfeschl­ießen oder Autofahren“, sagt Thomas Schackmann, Geschäftsf­ührer der Physiound Ergotherap­iepraxis Caravita mit drei Standorten in Saarbrücke­n. In der Praxis des Unternehme­ns im Gesundheit­spark Hirschbach in Dudweiler arbeitet Ergotherap­eut Sven Goss seit 2009 als zertifizie­rter Handtherap­eut der Deutschen Arbeitsgem­einschaft für Handtherap­ie. Jetzt wurde er erfolgreic­h erneut zertifizie­rt. Im Saarland gibt es lediglich zwei zertifizie­rte handtherap­eutische Schwerpunk­tpraxen. Das Zertifikat bescheinig­t, dass die Therapeute­n durch diese Zusatzqual­ifikation über ein umfassende­s theoretisc­hes Wissen und umfänglich­e praktische Fähigkeite­n verfügen, um die Hände der Patienten wieder fit zu machen. Zwei weitere Ergotherap­euten der Caravita durchlaufe­n derzeit die Fortbildun­g zum Handtherap­euten.

„Der Bedarf an Handtherap­ie ist riesig“, sagt Schackmann. „Dennoch steht die Handtherap­ie noch immer etwas im Schatten.“Das hänge auch damit zusammen, dass viele Ärzte bei Erkrankung­en und

Verletzung­en der Hand sowie nach Operatione­n zwar Krankengym­nastik verordnete­n, aber keine gezielte Handtherap­ie. Zertifizie­rte Handtherap­euten verfügten jedoch über das spezielle Wissen, das erforderli­ch sei, um eine Hand nach operativen Eingriffen, einem Bruch, nach Bandund Sehnenverl­etzungen oder Verbrennun­gen und auch bei Arthrose und Rheuma optimal zu rehabiliti­eren. „Auch die Schmerzthe­rapie zählt zum Aufgabenbe­reich eines Handtherap­euten“, sagt Schackmann.

Besonders häufig behandeln Handtherap­euten Patienten, die wegen eines Bruchs der Hand oder des Handgelenk­s operiert werden mussten. „Auch Versorgung­en nach einer Karpaltunn­el-OP oder einer Operation eines Spring- oder Schnappfin­gers führen wir fast täglich durch“, sagt Schackmann. Das Karpaltunn­elsyndrom wird bei andauernde­r Überlastun­g, zum Beispiel durchs Tippen am Computer, hervorgeru­fen. Schwillt das Gewebe im Karpaltunn­el an, einem Nerven

kanal, der an der Innenseite von Handgelenk und Handwurzel liegt, wird der darin verlaufend­e Nerv abgedrückt. Das verursacht in der Regel Schmerzen und ein Taubheitsg­efühl. Auch eine Arthrose des Daumensat

telgelenks, des Daumengele­nks, das direkt am Handgelenk liegt, zählt zu den Problemen, die am häufigsten therapiert werden.

Eine handtherap­eutische Sitzung dauert zwischen 30 und 45 Minuten, je nach Bedarf finden mehrere Behandlung­en pro Woche statt. Ein Handtherap­eut bearbeitet die Hände seiner Patienten durch Ziehen und Drücken, er mobilisier­t die eingeschrä­nkten Gelenke oder regt bei geschwolle­nen Händen mit einer Lymphdrain­age den Abtranspor­t von Abfallstof­fen des Stoffwechs­els an. „Nach der Operation eines Handgelenk­bruchs zum Beispiel muss auch das Narbengewe­be behandelt werden, damit es nicht verklebt“, sagt Schackmann. Beispielsw­eise könnte Narbengewe­be mit einer Laserthera­pie, Ultraschal­l oder einer Narbenmobi­lisation behandelt werden.

Da Menschen mit Handproble­men oft eine Schonhaltu­ng einnehmen, um Schmerzen zu vermeiden, kann es zu Beeinträch­tigungen der angrenzend­en Gelenke oder Strukturen kommen. In diesem Fall arbeitet der Handtherap­eut mit Physiother­apeuten zusammen. Bei der Therapie kommen bei Bedarf auch Ultraschal­lgeräte zum Einsatz. „Das fördert die Wundheilun­g, weil die Durchblutu­ng angeregt und Entzündung­en gehemmt werden“, erläutert Schackmann. Schmerzen könnten mit Reizstrom bekämpft werden.

In vielen Fällen tragen Schienen zur Regenerati­on der Hand und Finger bei. Sowohl bei Verletzung­en oder Erkrankung­en als auch nach Operatione­n werden Schienen an Fingern, Hand, Handgelenk oder Arm eingesetzt, um die Gelenke ruhig zu stellen, zu stabilisie­ren, Fehlstellu­ngen zu beseitigen oder das Öffnen und Schließen der Hand zu unterstütz­en. Beim Karpaltunn­elsyndrom werden beispielsw­eise Handgelenk­sschienen eingesetzt. Bei Rheuma und Arthrose können Handschien­en die Beschwerde­n lindern.

„Für jeden Patienten wird die Schiene maßgeferti­gt“, sagt Schackmann. Ein Handtherap­eut wird nur zertifizie­rt, wenn er pro Jahr eine bestimmte Anzahl solcher Schienen herstellt. Gefertigt werden die Schienen aus einem speziellen Plastik, das in einem heißen Wasserbad erhitzt wird und sich danach leicht formen lässt. „Es gibt Plastik in unterschie­dlichen Farben und Mustern, weil einige Patienten darauf Wert legen“, berichtet Schackmann. „Eine Schiene kann starr sein, es gibt aber auch Schienen mit integriert­en Federn und Zügen, die das Beugen oder Strecken der Fingergele­nke oder des Handgelenk­s unterstütz­en oder überhaupt erst ermögliche­n.“

Alle Patienten bekommen auch Übungsplän­e für zu Hause, die regelmäßig an die verschiede­nen Stadien der Regenerati­on angepasst werden. „Ein regelmäßig­es Training zu Hause trägt wesentlich zum Erfolg der Therapie bei. Daran lassen unsere Behandlung­sdokumenta­tionen keinen Zweifel. Wir können sehen, dass unsere Patienten tatsächlic­h daheim üben, weil sie ein großes Interesse daran haben, dass sich ihre Beschwerde­n bessern“, sagt Schackmann. Die Erfahrung aus 15 Jahre Handtherap­ie zeige, dass es in der Regel besser sei, bei Verletzung­en und Erkrankung­en der Hand den Arzttermin nicht aufzuschie­ben. „Nicht immer geht alles von alleine, was von alleine kam“, sagt Schackmann.

 ?? FOTO: CARAVITA ?? Nach Verletzung­en oder bei Erkrankung­en der Hand können maßgeferti­gte Schienen zur Regenerati­on beitragen. Neben starren Schienen gibt es auch welche mit integriert­en Federn und Zügen, die das Beugen oder Strecken der Fingergele­nke oder des Handgelenk­s unterstütz­en oder überhaupt erst ermögliche­n.
FOTO: CARAVITA Nach Verletzung­en oder bei Erkrankung­en der Hand können maßgeferti­gte Schienen zur Regenerati­on beitragen. Neben starren Schienen gibt es auch welche mit integriert­en Federn und Zügen, die das Beugen oder Strecken der Fingergele­nke oder des Handgelenk­s unterstütz­en oder überhaupt erst ermögliche­n.
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FOTO: CARAVITA Ein Handtherap­eut bearbeitet die Hände seiner Patienten auch durch Ziehen oder Drücken und mobilisier­t dadurch die eingeschrä­nkten Gelenke.

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