Hohe Flüchtlingskosten auch im Saarland
Seit Jahren wüsste der Rechnungshof gerne, wie viel Geld das Saarland für Aufnahme, Unterbringung und Integration der Flüchtlinge ausgibt. Die Regierung tut sich schwer, Zahlen zu nennen. Doch man kann sie schätzen.
SAARBRÜCKEN Stundenlang saßen der Bundeskanzler und die 16 Ministerpräsidenten kürzlich beim Flüchtlingsgipfel zusammen. Es gab viel zu bereden, die Länderchefs wollten mehr Geld vom Bund für die Unterbringungen und Integration der Migranten. Die finanziellen Belastungen seien extrem hoch, sagte Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) kurz vor dem Gipfel. „Dazu liegen nun wirklich alle Zahlen auf dem Tisch.“
Im Rechnungshof des Saarlandes dürfte man sich ob dieser Aussage verwundert die Augen gerieben haben. Die Prüfer suchen seit Jahren in Haushaltsplänen, Haushaltsrechnungen, Finanzplänen und sonstigen Dokumenten nach Zahlen, wie viel Geld das Saarland nach Abzug der Erstattungen des Bundes für flüchtlingsbezogene Aufgaben ausgibt. Aber sie werden nicht fündig, es gibt diese Zahlen schlicht nicht.
Noch vor Monaten schrieb der Rechnungshof, die Finanzierung von nicht durch Bundesmittel abgedeckte Ausgaben für Unterstützung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen und Migranten stelle „ein dynamisch wachsendes Haushaltsrisiko“dar, das sich seit 2022 „erneut deutlich verstärkt“habe. Um vom Bund mehr Geld einzufordern, wäre aus Sicht des Rechnungshofes eine Dokumentation der Kosten hilfreich.
Dass Flüchtlinge Kosten für das Land und seine Kommunen auslösen, ist unbestritten. Allein das Containerdorf in Ensdorf, das als „Überlaufbecken“für die Landesaufnahmestelle in Lebach dienen soll, kostet in diesem Jahr rund neun Millionen Euro. Zusätzlich mietete das Land zwei Hotels in Saarbrücken an.
Die Sozialleistungen (Bürgergeld) für die tausenden Ukraine-Vertriebenen zahlt zwar der Bund, anders als die Leistungen für Asylbewerber, allerdings bleiben trotzdem erhebliche Kosten am Saarland und seinen
Kommunen hängen, zumal unter den Ukrainern viele Kinder und Jugendliche sind, die in eine Kita oder eine Schule gehen.
„Schon jetzt sind 3000 ukrainische Kinder an den saarländischen Schulen. Rein rechnerisch bräuchten wir hierfür 100 zusätzliche Klassenräume“, sagte kürzlich der Präsident des Saarländischen Städte- und Gemeindetages, Jörg Aumann (SPD).
Als der Rechnungshof in seinem Jahresbericht 2016 erstmals KostenTransparenz anmahnte, sagte der damalige Finanzminister Stephan Toscani (CDU) eine Prüfung zu, wies aber schon auf „methodische und statistische Probleme“hin. Inzwischen ist klar, dass der Rechnungshof auf die gewünschten Zahlen aus dem Finanzressort nicht mehr zu hoffen braucht.
Eine Abgrenzung zwischen asylbedingten Ausgaben, Ausgaben für Menschen mit Migrationshintergrund und Ausgaben für hier Geborene werde „auf der Zeitachse methodisch immer schwieriger“, beschied das Ministerium das Ansinnen des Rechnungshofes 2020. Je nach Anlass der Datenermittlung könnten unterschiedliche Abgrenzungen notwendig werden. „Aus diesem Grund verzichtet die Landesregierung weiterhin auf entsprechende Übersichten, die einer sachlichen Diskussion im Wege stehen könnten.“
Auch jetzt, anlässlich des Kosten
„Schon jetzt sind 3000 ukrainische Kinder an den saarländischen Schulen. Rein rechnerisch bräuchten wir hierfür 100 zusätzliche Klassenräume.“Jörg Aumann (SPD), Präsident des Saarländischen Städte- und Gemeindetages
streits zwischen Bund und Ländern, war aus dem Ministerium keine konkrete Zahl zu erfahren, lediglich, dass die Kosten „eine erhebliche Größenordnung“erreichten.
Die flüchtlingsbedingten Mehrkosten seien stets abhängig von der jeweiligen Fragestellung, sagte ein Sprecher: „Geht es nur um die unmittelbaren Kosten der Erstaufnahme, der Unterbringung oder auch der Integration und wenn ja für welchen Zeitraum?“Ein weiteres Beispiel: Wenn das Land Schulen unterstütze, damit 3000 ukrainische Schülerinnen und Schüler integriert würden, profitierten nicht nur die ukrainischen Schülerinnen und Schüler.
Und was ist mit der Aussage der Ministerpräsidentin, es lägen „nun wirklich alle Zahlen auf dem Tisch“? Die beziehe sich auf die Haushaltsbelastungen der Gesamtheit aller 16 Länder, ermittelt von der „Zentralen Datenstelle der Landesfinanzminister“. Es sollen im laufenden Jahr etwa 16 Milliarden Euro sein, offiziell bestätigt wird das nicht.
Nach dem üblichen Verteilmechanismus („Königsteiner Schlüssel“) würde das für das Saarland im laufenden Jahr Flüchtlingskosten von knapp 200 Millionen Euro bedeuten. Hinzu kämen die Kosten, die den Kommunen entstehen. Nicht berücksichtigt ist in diesen Zahlen jedoch die Erstattung durch den Bund, der einen kleineren Teil der Kosten übernimmt.
Die ungefähre Größenordnung scheint vor folgendem Hintergrund aber plausibel: Anders als das Saarland weist Bremen seine zusätzlichen flüchtlingsbezogenen Belastungen jedes Jahr aus. Auf dieser Basis hat der Saar-Rechnungshof Schätzungen für das Saarland angestellt. Dabei kam für das Jahr 2020 (neuere Daten gibt es nicht) eine Summe von 184 Millionen Euro heraus, inklusive Kommunen. Die Erstattungen durch den Bund sind berücksichtigt. Es wären also die Kosten, die Land und Kommunen unter dem Strich wirklich entstanden sind.
Seit 2020 dürfte diese Summe aber noch einmal spürbar gestiegen sein – nicht nur wegen der Ukraine-Vertriebenen, sondern weil auch wieder deutlich mehr sonstige Asylbewerber ins Land kommen.
Vielleicht erklärt sich vor diesem Hintergrund die Enttäuschung über das Ergebnis des letzten Flüchtlingsgipfels: Die eine Milliarde Euro zusätzlich, die Länder und Kommunen kurzfristig erhalten sollen, bedeuten für das Saarland zwölf Millionen Euro mehr.