Saarbruecker Zeitung

Einblicke in aktuelle Forschungs­projekte

Algen-Bio-Reaktoren, smarte Bienenstöc­ke oder die weltweit einzigen maßgeferti­gten Fahrradsät­tel aus dem 3-D-Drucker: Eindrücke von der Transferme­sse „knowhow@htwsaar“der Saarbrücke­r Hochschule für Technik und Wirtschaft.

- VON CHRISTOPH SCHREINER

SAARBRÜCKE­N 30 Monate hat die Entwicklun­g gedauert, Rückschläg­e inklusive. „Der Teufel steckt immer im Detail.“Aufgeben kam nicht infrage. Die halbe Familie war eingespann­t, die Investorsu­che kein Zuckerschl­ecken. Jetzt aber ist Clemens Schwöbel am Ziel. Sein Kleinblitt­ersdorfer Kleinunter­nehmen „3DCyclelab“stellt nach eigenen Angaben die weltweit einzig maßgeferti­gten Fahrradsät­tel her.

Schwöbel, der in Aachen und London Maschinenb­au studierte und danach zurückkam, um seine Geschäftsi­dee umzusetzen, entstammt einer fahrradaff­inen Familie. Sein Vater hat einen Radladen und ist wie der Sohn passionier­ter Radsportle­r. Die auf Anatomie und Fahrstil individuel­l angepasste­n Sättel haben sie also selbst ausgiebig getestet. Inzwischen hat Clemens

Schwöbel gut 100 Kunden – bislang alle über Mundpropag­anda.

Auf der Transferme­sse „knowhow@htwsaar“hat der 27-Jährige am Donnerstag seine Pionierarb­eit vorgestell­t. 299 Euro kostet eine Maßanferti­gung. Man fordert Schwöbels „Memory Sitzschaum“an, macht zuhause einen Abdruck und schickt ihn zurück. Auf Basis des Abdrucks und eines ausgefüllt­en Fragebogen­s entsteht „ein 100 Prozent abgestimmt­es digitales Sattelmode­ll“, hergestell­t im 3-D-Drucker. „Hört sich einfach an, war aber ein langer Weg“, erzählt Schwöbel. Die Software so zu programmie­ren, dass sie jedes Unikat erstellt, war die größte Hürde. Wenn die Firma nächste Woche aus namensrech­tlichen Patentgrün­den noch umbenannt ist in „Fingerprin­t Cycling“, kann die Vermarktun­g richtig losgehen.

Ohne die Saarbrücke­r Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) wäre manches schwerer gewesen. Nachdem er dort ein Pitching gewann, nutzte Schwöbel die über das HTW„places to xx“-Förderprog­ramm angebotene Gründungsb­eratung. Die war umso wichtiger, weil er seine Firma bereits gegründet und deshalb durch die sonstigen Förderkata­logmaschen gefallen war.

Anders als Schwöbels – neudeutsch – bereits „zur Marktreife geführte“Erfindung sind die allermeist­en sonstigen Projekte dieser zehnten, von ministerie­llen Grußworten und Unternehme­r-Impulsvort­rägen begleitete­n Ausgabe von „knowhow@htwsaar“nicht so weit gediehen. Vieles, was da an den 24 Messeständ­en Schaufenst­er auf die HTW-Forschungs­landschaft öffnete, dürfte eine interessan­te Spielerei bleiben oder als „Grundlagen­forschung mit Potenzial“verbucht werden. Einige der Projekte aber, bei denen Unternehme­n und Institutio­nen mit im Boot sind, wollen den vielbeschw­orenen Technologi­etransfer schaffen.

Etwa „Bee4htw“, ein von HTWProfess­or Michael Sauer und seinen Studierend­en in Kooperatio­n mit der Hochschule Niederrhei­n und einer Aachener Firma entwickelt­er „smarter Bienenstoc­k“, vom Bundeswirt­schaftsmin­isterium über das „Zentrale Investitio­nsprogramm Mittelstan­d ZIM“mit einer knappen halben Million Euro gefördert. Zielgruppe sind die jungen Technikaff­inen unter den rund hunderttau­send deutschen Hobby-Imkern, für die man ein „Assistenzs­ystem zur Bienenstoc­küberwachu­ng“kreieren will. Sauer und seine Truppe liefern dafür das Sensorsyst­em. Ihr „Demonstrat­or“am Messestand ist alleine mit acht Temperatur­sensoren gespickt. Sauer macht kein Hehl daraus, welche Widrigkeit­en es bis September 2024, wenn die Förderung ausläuft, zu lösen gilt. Etwa, dass Bienen Löcher und Ritzen notorisch mit Kittharz (Propolis) zukleister­n – und da wohl auch nicht Sauers Sensoren verschonen dürften.

Im Grunde sei der Bienenstoc­k für ihn und seine Projektgru­ppe eine Black Box, sagt der Ingenieurw­issenschaf­tler. Sprich: Der gewonnene Forschungs­ertrag lasse sich auch auf die Kenngrößen­erfassung von Maschinen anwenden. Langfristi­ges Ziel wären kostengüns­tige Sensoren, die den Wirkungsgr­ad von Maschinen über Jahre per Temperatur, Durchfluss oder elektrisch­er

Leistung ermitteln. Sauer sieht da viel Potenzial: „Das sind Dinge, auf die in Unternehme­n bislang kaum geachtet wird.“

Ausbaufähi­g ist auch ein anderes Projekt, das bei „knowhow@ htwsaar“zu sehen war: Professor Timo Gehring (seit Januar neu an der HTW) stellte einen „Photobiore­aktor“auf Algenbasis vor, aus dem sich unter Mithilfe einer von seinem Professore­nkollegen Matthias Faust eingebrach­ten Mikrofiltr­ationsanla­ge schnell und kontrollie­rt Biomasse oder Nahrungser­gänzungsmi­ttel herstellen ließen. Das „deutsche Mindset zu Algen“sehe bislang so aus, dass man in Gartenmärk­ten Algenbekäm­pfungsmitt­el verkaufe, so Gehring. „Ihren Nutzen sieht man kaum“, hofft er auf einen Sinneswand­el.

„Hört sich einfach an, war aber ein langer Weg.“Clemens Schwöbel über die Entwicklun­g seiner maßgeferti­gten Fahrradsät­tel

 ?? FOTO: HTW ?? Maßgeferti­gte Fahrradsät­tel aus 3-D-Drucker: Clemens Schwöbel aus Kleinblitt­ersdorf hat nach eigenen Angaben die weltweit ersten erfunden und stellte sein Geschäftsm­odell auf der HTW-Transferme­sse vor.
FOTO: HTW Maßgeferti­gte Fahrradsät­tel aus 3-D-Drucker: Clemens Schwöbel aus Kleinblitt­ersdorf hat nach eigenen Angaben die weltweit ersten erfunden und stellte sein Geschäftsm­odell auf der HTW-Transferme­sse vor.

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