Menschen-Türme auf einem riesigen Laster
Zum Auftakt des 45. Festivals Perspectives in Saarbrücken bot die Zirkustruppe Akoreoacro im Deutsch-Französischen Garten exzellentes Straßentheatervergnügen.
SAARBRÜCKEN Stell Dir vor, ein 40-Tonner-Lkw braust bis vor die Konzertmuschel im Deutsch-Französischen Garten (DFG). Unmöglich? Die Zirkustruppe Akoreoacro machte am Donnerstag Unmögliches wahr. Bis vor die Konzertmuschel rauschte sie mit ihrer rollenden Bühne, ließ es knallen, rauchen und lichterloh brennen. An diesen Abend werden wir uns sicher noch lange erinnern, weil einfach alles stimmte.
Das Wetter hatte gerade noch rechtzeitig zum Perspectives-Auftakt auf Sonne und sanft wegdimmenden Abendhimmel umgeschaltet, der grüne DFG erwies sich nicht nur symbolisch für das deutsch-französische Festival als zauberhafte Kulisse mit Urlaubsfeeling. Und die Akoreacro-Artisten boten ein unbeschwertes, exzellentes Straßentheatervergnügen, das keine Wünsche offen ließ. Außer, dass es einem auch nach über einer Stunde noch zu kurz vorkam, während sich die Eröffnungsansprachen diesmal längten. Aber das hatte seine Gründe. Ein Spektakel voller überraschender Wendungen, Slapstick und Artistik hatten die französischen Zirkuskünstler versprochen – und damit nicht zu viel.
Mit köstlichen kleinen Kabbeleien fing es an. Ein paar feinsinnige klassische Musiker, herausgeputzt mit Fliege und schwarzem Anzug, und ein paar schrille Akrobaten mit Saxophon und Megaphon stritten sich um das Recht auf die Bühne für einen großen Auftritt. Kaum vertrieben, kehrten die Gegner mit immer mehr Verstärkung zurück – um sich später zu einem formidablen Zirkusjazz-Orchester zusammenzuraufen.
Auch der Einsatz von Technik wurde nach dem Prinzip der Steigerung immer größer: Erst flitzte ein Mofa herum, dann kam ein Gabelstapler, der den Flügel hochhievte, den der Pianist dann bis zum Ende in luftiger Höhe bespielte, und schließlich der riesige Lkw.
Ob es nun eine vermeintliche explosive Motorpanne war, die Rekrutierung von Zuschauern zum Schiebenhelfen oder der gespielt ruppige Umgang der Artisten miteinander, der für vermeintlich ungewollte Stürze sorgte – immer gelang es der Truppe, wirklich zu verblüffen. Der Lkw-Aufleger war dafür eine technisch ausgefeilte Bühne mit drei Ebenen, auf denen sich die Akrobaten zu Menschen-Türmen übereinander, stellten, Salti drehend in die Luft katapultierten und an einem mehrere Meter hohen statischen Trapez miteinander gewagte Fänge und Sprünge vollführten. Beeindruckende Akrobatik, Humor und Clownerien, die das Publikum unwiderstehlich zum Lachen brachten – alles war hier fein austariert und hatte bis zum Schluss Schwung. Sogar feierliche Festrednerei nahm die Truppe ein wenig auf die Schippe.
Das Sich-Kurz-Fassen wurde Doris Pack als oberster Perspectives
Chefin, Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, Kulturministerin Christine Streichert-Clivot, Oberbürgermeister Uwe Conradt, Gilbert Schuh vom Département Moselle und Generalkonsul Sébastien Girard diesmal aber auch besonders schwer gemacht, weil sie alle Sylvie Hamard und ihre Leistung für das Festival würdigen wollten. Auch die künstlerischen PerspectivesLeiterin selbst, die nach 17 Jahren aufhört, zeigte sich in ihrer letzten Festivaleröffnungsrede sichtlich bewegt. Doch noch ist ja kein Abschied, haben wir fast das ganze Festival noch vor uns. Wenn es so weitergeht, wird es eine große Freude.