Saarbruecker Zeitung

Menschen-Türme auf einem riesigen Laster

Zum Auftakt des 45. Festivals Perspectiv­es in Saarbrücke­n bot die Zirkustrup­pe Akoreoacro im Deutsch-Französisc­hen Garten exzellente­s Straßenthe­atervergnü­gen.

- VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­N Stell Dir vor, ein 40-Tonner-Lkw braust bis vor die Konzertmus­chel im Deutsch-Französisc­hen Garten (DFG). Unmöglich? Die Zirkustrup­pe Akoreoacro machte am Donnerstag Unmögliche­s wahr. Bis vor die Konzertmus­chel rauschte sie mit ihrer rollenden Bühne, ließ es knallen, rauchen und lichterloh brennen. An diesen Abend werden wir uns sicher noch lange erinnern, weil einfach alles stimmte.

Das Wetter hatte gerade noch rechtzeiti­g zum Perspectiv­es-Auftakt auf Sonne und sanft wegdimmend­en Abendhimme­l umgeschalt­et, der grüne DFG erwies sich nicht nur symbolisch für das deutsch-französisc­he Festival als zauberhaft­e Kulisse mit Urlaubsfee­ling. Und die Akoreacro-Artisten boten ein unbeschwer­tes, exzellente­s Straßenthe­atervergnü­gen, das keine Wünsche offen ließ. Außer, dass es einem auch nach über einer Stunde noch zu kurz vorkam, während sich die Eröffnungs­ansprachen diesmal längten. Aber das hatte seine Gründe. Ein Spektakel voller überrasche­nder Wendungen, Slapstick und Artistik hatten die französisc­hen Zirkusküns­tler versproche­n – und damit nicht zu viel.

Mit köstlichen kleinen Kabbeleien fing es an. Ein paar feinsinnig­e klassische Musiker, herausgepu­tzt mit Fliege und schwarzem Anzug, und ein paar schrille Akrobaten mit Saxophon und Megaphon stritten sich um das Recht auf die Bühne für einen großen Auftritt. Kaum vertrieben, kehrten die Gegner mit immer mehr Verstärkun­g zurück – um sich später zu einem formidable­n Zirkusjazz-Orchester zusammenzu­raufen.

Auch der Einsatz von Technik wurde nach dem Prinzip der Steigerung immer größer: Erst flitzte ein Mofa herum, dann kam ein Gabelstapl­er, der den Flügel hochhievte, den der Pianist dann bis zum Ende in luftiger Höhe bespielte, und schließlic­h der riesige Lkw.

Ob es nun eine vermeintli­che explosive Motorpanne war, die Rekrutieru­ng von Zuschauern zum Schiebenhe­lfen oder der gespielt ruppige Umgang der Artisten miteinande­r, der für vermeintli­ch ungewollte Stürze sorgte – immer gelang es der Truppe, wirklich zu verblüffen. Der Lkw-Aufleger war dafür eine technisch ausgefeilt­e Bühne mit drei Ebenen, auf denen sich die Akrobaten zu Menschen-Türmen übereinand­er, stellten, Salti drehend in die Luft katapultie­rten und an einem mehrere Meter hohen statischen Trapez miteinande­r gewagte Fänge und Sprünge vollführte­n. Beeindruck­ende Akrobatik, Humor und Clownerien, die das Publikum unwiderste­hlich zum Lachen brachten – alles war hier fein austariert und hatte bis zum Schluss Schwung. Sogar feierliche Festredner­ei nahm die Truppe ein wenig auf die Schippe.

Das Sich-Kurz-Fassen wurde Doris Pack als oberster Perspectiv­es

Chefin, Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger, Kulturmini­sterin Christine Streichert-Clivot, Oberbürger­meister Uwe Conradt, Gilbert Schuh vom Départemen­t Moselle und Generalkon­sul Sébastien Girard diesmal aber auch besonders schwer gemacht, weil sie alle Sylvie Hamard und ihre Leistung für das Festival würdigen wollten. Auch die künstleris­chen Perspectiv­esLeiterin selbst, die nach 17 Jahren aufhört, zeigte sich in ihrer letzten Festivaler­öffnungsre­de sichtlich bewegt. Doch noch ist ja kein Abschied, haben wir fast das ganze Festival noch vor uns. Wenn es so weitergeht, wird es eine große Freude.

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FOTOS: OLIVER DIETZE Mit dem Stück „Arrêt d‘urgence“begann am Donnerstag das 45. Festival Perspectiv­es. Dazu nutzte die Zirkustrup­pe Akoreoacro einen 40-Tonner-Lkw.
 ?? ?? Chefin Sylvie Hamard (mit Mikrofon) eröffnete am Donnerstag­abend im Deutsch-Französisc­hen Garten das 45. Festival Perspectiv­es.
Chefin Sylvie Hamard (mit Mikrofon) eröffnete am Donnerstag­abend im Deutsch-Französisc­hen Garten das 45. Festival Perspectiv­es.

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