Saarbruecker Zeitung

Kunsthaus Kopp nach 111 Jahren vor dem Aus

Wann genau Schluss sein wird, ist noch offen. Aber in der Saarbrücke­r City endet bald eine Ära, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg begann. Die Besitzer sehen keine Perspektiv­e mehr.

- VON THOMAS SCHÄFER

ST. JOHANN Rosenkränz­e gibt es noch im Kunsthaus Kopp. 19,50 Euro kostet einer mit kirschrote­n Holzperlen. 28,50 Euro der mit schwarzen Perlen. Auch ein handgeschn­itzter heiliger Petrus ist noch zu haben, 60 Zentimeter groß, er sollte mal 1460 Euro kosten, nun ist er für 690 Euro im Angebot. Obendrauf gibt es weitere 20 Prozent Rabatt.

„SALE“und „20 % auf alles“steht in fetter weißer Schrift auf dem Schaufenst­er der Obertorstr­aße 8 in Saarbrücke­n, dazu deutlich kleiner die Einschränk­ung „außer Kerzen, Karten, Bücher“. Das erinnert an die Baumarktke­tte Praktiker, die dereinst „20 Prozent auf alles außer Tiernahrun­g“gewährte. Praktiker ist längst Geschichte, das Kunsthaus Kopp wird es ebenfalls bald sein – eines der traditions­reichsten Geschäfte der Landeshaup­tstadt steht kurz vor dem Ende. Wann sich die Tür in der Obertorstr­aße zwischen St. Johanner Markt und Mainzer Straße für immer schließt, steht noch nicht fest. „Es gibt noch keinen genauen Plan und keinen Termin. Aber ich will in Rente gehen“, sagt Ulrich Kopp. 1987 hat er den Laden von seinem Vater Klaus übernommen, 36 Jahre also ist er schon der Chef, jetzt mit 66 Jahren fühlt er, dass es Zeit zum Aufhören wird.

Vielleicht hält er nochmal bis Weihnachte­n durch, es ist die

Hauptsaiso­n des Hauses mit seinen berühmten Krippen, Kreuzen und Kerzen, vielleicht macht er schon früher Schluss. „Wir wissen es noch nicht“, sagt Kopp, dessen Ehefrau Gabi und Schwester Monika ebenfalls im Laden arbeiten.

Fest steht nur: Das Ende ist nah. Ein Ende nach 111 Jahren! Seit 1912 steht das Kunsthaus Kopp in Saarbrücke­n und der Region bis weit nach Frankreich hinein für christlich­e Kunst, religiöse Geschenke, Devotional­ien und Kirchenbed­arf. Angefangen hat dereinst Kopps Großmutter Auguste, geboren 1888, mit einem Schreibwar­engeschäft mit Leihbücher­ei und Devotional­ienhandel in der Mainzer Straße. Im Ersten Weltkrieg Witwe geworden, baute sie das Geschäft weiter aus, nun gab es auch Kirchenger­äte und Schnitzere­ien, später zudem Paramente, aufwän

„Corona hat uns durchgesch­üttelt. Wir sind nur mit Sparsamkei­t durch diese Zeit gekommen. Sonst wären wir schon länger nicht mehr da.“Inhaber Ulrich Kopp über harte Jahre, die hinter der Familie liegen

dig gestaltete Kirchenkle­idung. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Kunsthaus Kopp von einer Fliegerbom­be zerstört.

Doch es ging immer weiter – bis jetzt. Bald ist Schluss. Seit Weihnachte­n läuft der Rabattverk­auf. Der Laden ist schon ziemlich leer. In einer Ecke hängen noch bunte Priesterge­wänder, auch einige Weihnachts­krippen sind noch da, ebenso Grabkerzen, Weihrauch, Handschmei­chler. Es gibt weiterhin Kreuze in allen Variatione­n. Aber gibt es keine Chance mehr, dass es doch noch weitergeht?

„Diese Frage bekommen wir mehrfach in der Woche gestellt“, sagt

Ulrich Kopp. Für ihn geht es nicht weiter. Die „Wirtschaft­lichkeit“sei nicht mehr gegeben, „es gibt kein Wachstum mehr in unserer Branche“. Vom Zeitgeist spricht Kopp, der sich verändert habe. Wie viele Menschen hängen zuhause noch Kreuze auf oder stellen sich eine Heiligenfi­gur in die Wohnung?

Der Zeitgeist sieht so aus: Religion spielt in immer weniger Leben eine wichtige Rolle, die Kirchen werden leerer und leerer, auch wegen der nicht enden wollenden Nachrichte­n über Missbrauch­sskandale. Es sind keine guten Zeiten für christlich­e Kunst. Ganz anders war das zum

Beispiel nach dem Krieg, als viele Kirchen wieder aufgebaut wurden und das Kunsthaus Kopp sie mit allem Möglichen ausstattet­e und verschöner­te. Auch in den Jahrzehnte­n danach lief das Geschäft.

Heute hat es sich zum Teil ins Internet verlagert. „Das Internet bringt den Handel runter“, sagt Kopp. Und mit christlich­er Kunst sei vorrangig in Klosterhöf­en, Wallfahrts­orten und Domstädten noch gutes Geld zu verdienen. Dazu kam Corona. „Ziemlich verheerend“sei das gewesen, erklärt Kopp: „Corona hat uns durchgesch­üttelt. Wir sind nur mit Sparsamkei­t durch diese Zeit gekommen. Sonst wären wir schon länger nicht mehr da.“

Die „vielen treuen Stammkunde­n“, die wie Touristen bei Kopp einkaufen, bedauern das nahende Aus sehr, berichtet der Chef. Das Saarland sei eben doch ein christlich­es Land mit vielen gläubigen Menschen. Die seien froh, dass es das Kunsthaus noch gibt. „Eine Ära geht zu Ende – diesen Satz hören wir oft“, sagt Ulrich Kopp. Und den Satz, es sei schade, dass in Saarbrücke­n so viele Geschäfte „wegbrechen“.

Was kommt nach der Ära Kopp? Genau wie das Wann ist auch das Was noch unklar. Kopp fände es gut, „wenn sich jemand findet, der hier vielleicht weitermach­t, was Schönes reinmacht“. Oder jemand auftaucht, der das Gebäude samt Grundstück kauft und etwas gänzlich Neues baut. Die Lage am Ende der neuen erweiterte­n Fußgängerz­one bietet viele Möglichkei­ten. Ein Stück Vielfalt in Saarbrücke­n aber geht jetzt verloren. Nach 111 Jahren! Ulrich Kopp sagt: „Es fällt mir schwer, das Geschäft aufzugeben.“

Kunsthaus Kopp, Obertorstr­aße 8, Öffnungsze­iten: Montag, Donnerstag, Freitag 10 bis 18 Uhr, Dienstag, Mittwoch, Samstag 10 bis 14 Uhr.

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FOTO: THOMAS SCHÄFER Im Kunsthaus Kopp an der Obertorstr­aße läuft der Abverkauf des Sortiments. Sehr zum Leidwesen treuer Kunden.

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