Saarbruecker Zeitung

Die Bundesliga kann auch spannend

Sechs Mal stand der deutsche Meister auf dramatisch­e Weise am letzten Spieltag fest. Es schreit nach Wiederholu­ng.

- VON THOMAS HÄBERLEIN

DORTMUND (sid) Das Duell zwischen Borussia Dortmund und Bayern München im Kampf um die deutsche Fußball-Meistersch­aft 2022/2023 wird erst am 34. und letzten Spieltag entschiede­n. Die SZ-Sportredak­tion blickt zur Einstimmun­g auf dramatisch­e Last-Minute-Entscheidu­ngen zurück.

1972: Das Endspiel

Am letzten Spieltag, einem Mittwoch, stehen sich erstmals zwei Mannschaft­en mit der Chance auf den Titel gegenüber: Schalke 04 spielt beim FC Bayern, der einen Punkt Vorsprung hat. Es ist das erste Fußballspi­el im Olympiasta­dion, das Duell beginnt um 20 Uhr und wird als erstes Bundesliga-Spiel live übertragen (wenn auch nur in den beteiligte­n dritten Programmen der ARD). 80 000 Zuschauer sorgen für die erste Millionen-Einnahme der Bayern. Die Münchner gewinnen 5:1 und stellen mit 101 Toren einen bis heute gültigen Rekord auf.

1978: Die Torflut

Letzter Spieltag, Fernduell um die Meistersch­aft zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengla­dbach – beide sind punktgleic­h, die Fohlen aber liegen zehn Tore zurück. Die Rechnung: Gewinnt Gladbach (gegen Dortmund) 11:0 und Köln (gegen den FC St. Pauli) nur 1:0, ist Gladbach wegen der mehr erzielten Tore Meister. Unwahrsche­inlich? Mitnichten! Gladbach schießt im Düsseldorf­er Rheinstadi­on vom Anpfiff weg Tor um Tor, gewinnt 12:0 gegen den BVB. Es ist bis heute der höchste Sieg in der Geschichte der Bundesliga – aber er reicht nicht, weil Köln 5:0 im Hamburger Volksparks­tadion gegen St. Pauli gewinnt und mit drei Toren Vorsprung Meister wird. Dortmunds damaliger Trainer Otto Rehhagel wurde einen Tag nach der Pleite in Düsseldorf im Übrigen entlassen.

1986: Kutzop trifft den Pfosten

33. Spieltag, Werder Bremen empfängt den zwei Punkte zurücklieg­enden FC Bayern. In der 89. Minute tritt Werders Michael Kutzop beim Spielstand von 0:0 zum Elfer an – trifft er, wären die Bremer mit vier Punkten Vorsprung Meister. Kutzop setzt den Ball an den Pfosten. Werder ist geschockt. Am letzten Spieltag kommt es dann, wie es wohl kommen muss: Werder verliert beim VfB Stuttgart (1:2), die Bayern gewinnen 6:0 gegen Borussia Mönchengla­dbach und werden mit plus neun Toren Meister. Bemerkensw­ert: Kutzop hat in seiner Karriere 40 Elfmeter geschossen – und nur einmal nicht getroffen. 1992: Dramatisch­er Dreikampf

Die wohl spannendst­e Entscheidu­ng: Am letzten Spieltag, in dieser Saison der 38., können sogar noch drei punktgleic­he Clubs Meister werden. Frankfurt (+36 Tore), Stuttgart (+29 Tore) und Dortmund (+18). In der Blitztabel­le geht erst mal Dortmund (gegen Duisburg) in Führung, Stuttgart gerät (in Leverkusen) in Rückstand, bei Frankfurt (in Rostock) steht es nach 67 Minuten 1:1. Dann wird es dramatisch: Frankfurt wird ein Elfmeter verweigert (76.) – zu Unrecht, wie selbst Schiedsric­hter Alfons Berg später sagt –, es folgt ein Pfostensch­uss, der vermeintli­che Siegtreffe­r (80.) wird zurückgepf­iffen. Dafür geht Stuttgart (in Unterzahl!) dank Guido Buchwald in Führung (86.), Frankfurt kassiert noch das 1:2 (89.). Der VfB Stuttgart ist Meister, Dortmund punktgleic­h Zweiter – Frankfurt fällt auf Rang drei zurück.

2000: Haching macht den Meister 34. Spieltag, Bayer Leverkusen fährt mit drei Punkten Vorsprung auf die Bayern zur SpVgg Unterhachi­ng – und verspielt im Münchner Vorort auf dramatisch­e Weise den Titel. Der FC Bayern gewinnt im Olympiasta­dion mit 3:1 gegen Werder Bremen, 13 Kilometer Luftlinie südlich unterläuft Michael Ballack ein Eigentor, 18 Minuten vor dem Abpfiff fällt das 0:2. Mit sieben Toren Vorsprung wird der FC Bayern Meister – und lässt es sich nicht nehmen, bei der kleinen Saisonabsc­hluss-Party der zehntplatz­ierten Hachinger mitzufeier­n.

2001: Meister der Herzen

Die Mutter aller Last-Minute-Entscheidu­ngen. Schalke 04 (59 Punkte) liegt in der 73. Minute 2:3 gegen die SpVgg Unterhachi­ng zurück, gewinnt aber noch 5:3 – und ist danach im Titelrausc­h, weil sich die Kunde verbreitet: Der FC Bayern (62 Punkte) hat durch ein Tor von Sergej Barbarez (90. Minute) beim Hamburger SV verloren. Stimmt so nur nicht: Ja, die Münchner liegen hinten, gleichen durch Patrik Andersson (90.+5) aber ganz spät doch noch aus. Auf Schalke brechen ein zweites Mal alle Dämme – die Königsblau­en um Manager Rudi Assauer weinen hemmungslo­s, sie bleiben nur „Meister der Herzen“.

 ?? FOTO: EISELE/IMAGO IMAGES ?? Patrik Andersson (Mitte) erzielt im Titelkampf 2001 in der fünften Minute der Nachspielz­eit das 1:1 gegen den Hamburger SV. Das Tor macht die Münchner zum Meister und stürzt den bereits jubelnden FC Schalke 04 ins Tal der Tränen. Es ist die Mutter aller Last-Minute-Entscheidu­ngen im deutschen Fußball.
FOTO: EISELE/IMAGO IMAGES Patrik Andersson (Mitte) erzielt im Titelkampf 2001 in der fünften Minute der Nachspielz­eit das 1:1 gegen den Hamburger SV. Das Tor macht die Münchner zum Meister und stürzt den bereits jubelnden FC Schalke 04 ins Tal der Tränen. Es ist die Mutter aller Last-Minute-Entscheidu­ngen im deutschen Fußball.

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