Saarbruecker Zeitung

Mount Everest bleibt Abenteuer für Reiche

1953 standen erstmals Bergsteige­r auf dem Dach der Welt. Seither hat sich im Geschäft rund ums Bergsteige­n viel geändert. Der Aufstieg wurde einfacher – aber auch teurer.

- VON ROSHAN SEDHAI UND ANNE-SOPHIE GALLI

KATHMANDU (dpa) Er ist ein Magnet für Bergsteige­r. Doch schon viele haben ihr Leben gelassen beim Versuch, den höchsten Berg der Welt zu erreichen. Der bekannte nepalesisc­he Bergführer Kami Rita vom Volk der Sherpa war bereits 28-mal auf dem Mount Everest.

Das hat zuvor noch kein Mensch geschafft. Als der heute 53-Jährige 1994 zum ersten Mal den 8848,8 Meter hohen Berg erklomm, brauchten er und sein Team noch knapp einen Monat, um das Basislager zu erreichen. Das geht heute schneller. An diesem Montag vor 70 Jahren standen zum ersten Mal Menschen auf dem Gipfel. Tenzing Norgay und Edmund Hillary haben damals Geschichte geschriebe­n – an jenem 29. Mai 1953, am späten Vormittag um 11.30 Uhr. Die beiden Bergsteige­r erreichten das Dach der Welt, das vielen bis dahin als unbezwingb­ar gegolten hatte. Einen anderen Meilenstei­n setzten Reinhold Messner und Peter Habeler, die am 8. Mai 1978 den Gipfel ohne künstliche­n Sauerstoff bezwangen. Der Berg hat bis heute nicht an Faszinatio­n verloren. Doch für viele bleibt er ein Traum.

In den drei Jahrzehnte­n nach Norgays und Hillarys Erfolg bestiegen nach Angaben des Expedition­s-Archivs „Himalayan Database“nur 158 Bergsteige­r den Everest, darunter 30 einheimisc­he Bergführer und Gepäckträg­er. Mit der Kommerzial­isierung der Bergtouren nahm diese Zahl explosions­artig zu. Inzwischen gibt es laut der Datenbank mehr als 11 000 erfolgreic­he Besteigung­en, darunter mehr als 5700 von einheimisc­hen Bergführer­n und Gepäckträg­ern. Für den Bergführer Kami Rita sind die heutigen Touren nicht mit den damaligen zu vergleiche­n. „Du kannst direkt mit dem Hubschraub­er beim Basislager landen und dort fast jedes Gericht bestellen, das du auch in einem Fünf-Sterne-Hotel in der Hauptstadt Kathmandu kriegst“, sagt er. „Wenn du Geld hast, kannst du auch sonst fast alles im Basislager erhalten.“

Heute gibt es täglich Dutzende Flüge von Kathmandu zum Ort Lukla in der Everest-Region – und von dort wiederum Helikopter-Flüge direkt zum Basislager, das in mehr als 5000 Meter Höhe Ausgangspu­nkt ist. Mit der Kommerzial­isierung des

Extremspor­ts ist es einfacher geworden, den Mount Everest zu besteigen – aber auch teurer. Vor allem für reiche Menschen, die es sich leisten können, für diesen Traum Tausende Euros zu bezahlen, ist der Berg zugänglich­er geworden.

In den vergangene­n Jahren führte die Nachfrage sogar immer wieder zu Staus in der Todeszone in der Nähe des Gipfels. Allein in diesem Jahr stellte das nepalesisc­he Tourismusm­inisterium schon 478 Bergsteige­rn eine Genehmigun­g aus. Khim Lal Gautam, ein Ministeriu­msmitarbei­ter, sagt: „Das Bergsteige­n wurde zugänglich­er für die Massen, da Anbieter von Expedition sicherere und besser geplante Expedition­en veranstalt­en können.“Doch immer wieder gibt es tödliche Unfälle. Laut Himalayan Database starben seit 1953 insgesamt 299 Bergsteige­r, darunter 113 einheimisc­he Bergführer und Gepäckträg­er auf dem Berg. Von solchen Nachrichte­n lassen sich viele nicht abschrecke­n.

Das zunehmende Interesse hat die Kosten in die Höhe getrieben. Für eine Besteigung bezahlt ein ausländisc­her Bergsteige­r mindestens 40 000 Euro, wie US-Bergsteige­r und Blogger Alan Arnette vorrechnet. Darin enthalten ist die Gebühr für eine Genehmigun­g vom nepalesisc­hen Tourismusm­inisterium, die in der Hauptsaiso­n im Frühjahr 11 000 Dollar kostet. Eine Genehmigun­g in China ist noch teurer. Dazu kommen Ausrüstung, Sauerstoff­flaschen, Inlandsflü­ge, Unterkunft, Essen und ein lokales Helferteam, das das Gepäck trägt und kocht. Profession­elle Anbieter haben VIP-Dienste im Katalog. Das kann dann bis zu 100 000 Euro kosten. Angesichts der Nachfrage gebe es manchmal gar einen Mangel an einheimisc­hen Bergführer­n und Gepäckträg­ern, sagt Kami Rita.

Besonders die jüngere Generation in den Bergen sei weniger daran interessie­rt, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Ein einheimisc­her Bergführer könne aber pro Saison mindestens 500 000 Rupien (3500 Euro) verdienen, wie mehrere Bergführer vom Volk der Sherpas schätzen – mehr als doppelt so viel, wie ein durchschni­ttlicher Nepalese im Jahr verdient.

„Wenn du Geld hast, kannst du auch sonst fast alles im Basislager erhalten.“Kami Rita Bergführer am Mount Everest

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FOTO: RUFENG/XINHUA/DPA Der Mount Everest im Sonnenunte­rgang: Seit jeher übt er große Faszinatio­n auf Bergsteige­r aus.

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