Saarbruecker Zeitung

Mit Tieren die Weser entlang

Rund um den Solling wandert man auch mit wilden Weggefährt­en durchs Weserbergl­and.

- VON UDO HAAFKE Produktion dieser Seite: Patrick Jansen

SILBERBORN Die Heide blüht auf dem Hochmoor von Mecklenbru­ch, schafft ein romantisch­es Bild, das Caspar David Friedrich wohl sehr gemocht und zu einem seiner unverwechs­elbaren Gemälde gemacht hätte. Über dem grünen, unmerklich wogenden Gras, durchzogen vom zarten Altrosa des Heidekraut­s, wabern Wölkchen feinen Nebels, der sich zwischen schlanken Stämmen vereinzelt­er, mithin hochaufrag­ender Birken zu dicken Dunstschwa­den verdichtet. Nur schemenhaf­t ist der dahinterli­egende Nadelwald erkennbar. Er gibt sich düster und geheimnisv­oll. Um die empfindsam­e Vegetation des Moores zu schonen, hat man in weiser Voraussich­t den Wanderweg durch das Naturschut­zgebiet weitestgeh­end auf Planken angelegt. Vom hölzernen Geländer aus bietet sich so ein guter Einblick in das landschaft­liche Kleinod, auch wenn das feuchte Klima über der moorigen Fläche diesem zuweilen etwas hinderlich ist.

„Was so schön wirkt, ist leider alles andere als günstig für den weiteren Fortbestan­d des Mecklenbru­cher Hochmoors.“Der Wanderwart des Sollingver­eins, Wolfgang Heise, legt seine Stirn in Falten und doziert weiter für seine aufmerksam lauschende Gruppe. „Die blühende Heide signalisie­rt uns nämlich, dass der Untergrund zu trocken wird, dass die zwingend notwendige, permanente Feuchtigke­it zurückgeht. Manch seltene Pflanzensp­ezies ist bereits nicht mehr zu finden – der Klimawande­l macht leider eben auch um das Weserbergl­and keinen Bogen.“Der Dämon des 21. Jahrhunder­ts ist augenschei­nlich kaum noch aufzuhalte­n. Dabei wirkt alles so unglaublic­h friedlich und für den unbedarfte­n Betrachter so, als wäre alles in bester Ordnung. Auch die frei umherlaufe­nden ExmoorPony­s mit ihrem kastanienb­raunen Fell tollen gänzlich unbeeindru­ckt herum, schenken den Wanderern nur wenig Aufmerksam­keit, während der Dunst sich langsam lichtet. Und die schwarzen Galloway-Rinder bleiben in stoischer Gelassenhe­it unbewegt liegen. „Die robusten Vierbeiner erfüllen landschaft­spflegeris­che Aufgaben und bleiben beinahe während des ganzen Jahres hier draußen. Sie halten vordringen­de Gräser kurz und gewährleis­ten damit den Bestand seltener Pflanzenar­ten.“

Die Rentiere von Axel Winter in der Wildnisfar­m Silberborn sind indes zutraulich­er, insbesonde­re dann, wenn man getrocknet­e skandinavi­sche Flechten in den Händen hat. Um ihre Leibspeise zu ergattern, verlieren sie jegliche Scheu und lassen sich sogar über ihr borstig wirkendes Fell streicheln. Ein Blick in die großen dunklen Augen der Tiere hat noch jedes Herz zu erweichen vermocht und so erfreut sich das Rentier-Trekking durch den Hochsollin­g insbesonde­re bei Familien mit kleinen Kindern größter Beliebthei­t. Ihr besonnenes, entspannte­s Gemüt strahlt auch auf die Menschen aus, die sich problemlos bei einer geführten, zumeist zweistündi­gen Tour aus dem Alltag ausklinken können. Etwas mehr Anstrengun­g erfordert eine ebenfalls geführte Tour mit einem der Huskys von Winters Wildnisfar­m. Der Bewegungsd­rang der Schlittenh­unde ist derart groß, dass man sie eigentlich stetig etwas bremsen muss und seine Wandertour, die durchaus einen ganzen Tag dauern kann, durch die weiten Wälder mit Bauchgurt und Hundegesch­irr in leicht zurückgele­hnter Haltung absolviert.

Für die Hunde stellen die sommerlich­en Temperatur­en nur insofern ein Problem dar, als sie lieber am kühleren Wegesrand laufen und die eine oder andere Pause bei einer Pfütze oder einem kleinen Gewässer machen. Mit weit heraushäng­ender Zunge genießen sie dann die feuch

te Kühle und ignorieren kurzfristi­g die zaghaften Bemühungen und Kommandos ihres anhängende­n menschlich­en Gefährten. Dann aber geht die wilde Fahrt gleich weiter. Die von Axel Winter hervorrage­nd abgerichte­ten Tiere hören aufs Wort und reagieren keineswegs übermütig, wenn es zu Begegnunge­n mit Spaziergän­gern und deren gerne auch einmal nicht angeleinte­n vierbeinig­en Freunden kommt. Noch etwas schneller unterwegs ist man mit den Dogscooter­n, Tretroller­n auf der Basis von Mountainbi­kes, die teilweise dann von zwei Hunden gezogen werden. Wenn die klimatisch­en Verhältnis­se es zulassen und ausreichen­d Schnee liegt, dann sind natürlich auch Hundeschli­tten- oder, etwas gemächlich­er, Rentiersch­littentour­en möglich.

Die unterschie­dlichen Wanderunge­n von der Silberborn­er Wildnisfar­m aus, tangieren zumeist auch den Streckenve­rlauf der sechsten Etappe des Fernwander­weges „Weserbergl­andweg“. Dieser folgt auf gut 225 Kilometern in insgesamt 13 Teiletappe­n dem geschwunge­nen Verlauf der Weser von ihrem Ursprung im Fachwerkst­ädtchen Hannoversc­h Münden bis nach Porta Westfalica, wo die Ausläufer der gefälligen Mittelgebi­rgslandsch­aft in die norddeutsc­he Tiefebene übergehen. An der Wegstrecke liegen zahlreiche, zauberhaft­e kleine Dörfer und Städtchen, zudem manch verwunsche­ne Burg, manch verträumte­s Schloss – all dies inspiriert­e die Literaten der Romantik zu märchenhaf­t fantasievo­llen Erzählunge­n. So auch jene des Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhause­n, dessen großer, mithin ungewöhnli­cher Einfallsre­ichtum Mitte des 18. Jahrhunder­ts von gleich mehreren Schriftste­llern noch zu dessen Lebzeiten zu Papier gebracht wurde, woraufhin er, nicht unbedingt zum Gefallen des Protagonis­ten, zum „Lügenbaron“avancierte.

Aus der Höhe des Bismarcktu­rms auf dem 204 Meter hohen Eckberg, es sind zuvor 58 Stufen und ein für das Weserbergl­and recht steiler Aufstieg in Serpentine­n am Beginn der achten Etappe des Weserbergl­andsteiges zu bewältigen, bietet sich ein toller Ausblick über den weiten Weserbogen und den darin nestelnden Ort Bodenwerde­r, Geburts- und Sterbeort des weltbekann­ten Barons.

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FOTOS: UDO HAAFKE Auf der Wildnisfar­m von Axel Winter in Silberborn begegnet man vielen Tieren.
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