Saarbruecker Zeitung

„Hans war geliebt und bleibt unvergesse­n“

Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörige­n und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorben­er vor. Heute: Hans Geiger.

- VON FREDY DITTGEN

KIRKEL-LIMBACH Hans Geiger aus dem Kirkeler Ortsteil Limbach war ein Original. Jeder kannte ihn, und alle mochten ihn. Wegen seiner Hilfsberei­tschaft, Fröhlichke­it und immerzu guten Laune. Seine Frau Heike, die Kinder Hans-Jürgen und Anke Geiger-Müller, Schwester Lotte Zeiß sowie Enkelin Lea Geiger erzählen uns die Lebensgesc­hichte eines höchst bemerkensw­erten Mannes.

Hans Geiger kam am 21. Mai 1939 als drittes Kind des Hüttenarbe­iters Jakob Geiger und dessen Frau Elisabeth Geiger, geborene Leibrock, in der Limbacher „Hinnergass“zur Welt. Er hatte drei Schwestern: Hanna (1923), Lotte (1936) und Ursula (1941). Die Eltern betrieben im Nebenerwer­b eine kleine Landwirtsc­haft, mit der die Familie die Kriegsjahr­e und Nachkriegs­zeit überstand. Nach der Schule absolviert­e Hans 1953 bis 1956 in Limbach bei der Firma Russy eine Lehre als Schmied, die er mit dem Gesellenbr­ief abschloss. 1957 bis 1973 arbeitete er beim Neunkirche­r Eisenwerk als Schlosser, Schweißer und Installate­ur. 1973 bis 1996 war er Schlosser beim Limbacher Drahtseilw­erk Casar.

1962 lernte er beim Kirkeler Wurstmarkt Heike Roggendorf kennen und lieben. Am 31. Dezember 1963 heirateten die beiden und wohnten in Kirkel in Heikes Elternhaus. 1969 baute das Paar im Limbacher Buchenweg ein Haus. „Vieles am Haus machte mein Vater selbst, viele seiner

Freunde halfen, weil er denen beim Bau ihrer Häuser auch geholfen hatte“, erzählt Sohn Hans-Jürgen, geboren 1964. 1976 bekam die Familie mit Tochter Anke weiblichen Zuwachs.

Hans Geiger spielte Fußball bei Palatia Limbach, wo er sich als knochenhar­ter Verteidige­r einen Namen machte. „Mein Vater erzählte, bei ihm sei der gegnerisch­e Stürmer nur einmal vorbeigeko­mmen. Ein zweites Mal nicht mehr“, sagt Hans-Jürgen Geiger und schmunzelt. Zudem war Hans Geiger ein Pferdenarr, liebte das Reiten, machte den Pferdekuts­cherführer­schein und unternahm viele schöne Kutschfahr­ten mit Familie und Freunden. Außerdem fuhr er bei Hochzeiten das Brautpaar. Mit der Nikolausku­tsche verteilte er rund 50 Jahre lang mit Günther Kreutgen, Wolfgang Becker und Ottokar Bender als Nikolaus verkleidet Schoko-Nikoläuse an die Kinder im Dorf. 2010 zeichnete die Gemeinde Hans Geiger dafür aus und ernannte ihn zum „Ehrennikol­aus“.

Mit seinem Team brachte Geiger an St. Martin auch über zehn Jahre lang Martinsbre­zeln zur Körperbehi­ndertensch­ule am Webersberg und lies die Kinder auf dem Pferd reiten. Dass er so bekannt und beliebt war, lag aber vor allem an seiner Lust zu „schaffe“. „Schaffen war sein Lebensinha­lt. Er ging nicht auf die Arbeit, um Geld zu verdienen, sondern weil er seine Arbeit liebte. Und in seiner Freizeit musste er auch immer irgendetwa­s zu schaffe haben“, erzählt Ehefrau Heike. Das ging so weit, dass ihn fremde Leute auch nachts anrufen und bitten konnten, im Haus etwas zu reparieren.

Heike Geiger erzählt von einer Neubürgeri­n, die im Haus einen Wasserscha­den hatte und im Dorf verzweifel­t Hilfe suchte. Sie erhielt überall dieselbe Antwort: „Ei ruf doch de Hans Geiger an!“Der erledigte diese nachbarsch­aftlichen Hilfen unentgeltl­ich. „Er ließ sich höchstens mal mit einem Bier oder einer Tafel Schweizer Schokolade bezahlen, die liebte er nämlich über alles“, berichtet Ehefrau Heike.

Nur freitags waren Hilfsarbei­ten tabu. Da war Oma- und Opa-Tag für die fünf Enkel Tobias, Lea, Felix, Elias und Moritz. „Das wussten alle im Ort, da rief keiner an und wollte was von meinem Vater“, sagt Tochter Anke. Enkelin Lea erzählt, dass ihr Opa mit ihnen Bauernhöfe besuchte, zum Fußball, Eislaufen oder den Beedener Störchen ging, Kutschfahr­ten und Spaziergän­ge unternahm oder in seiner Werkstatt Kaninchens­tälle baute. Unvergesse­n als er beim

Hochwasser der Blies mit seinen Enkeln knietief im Wasser stand, um die Höhe des Wassers zu messen. „Es war immer etwas los, und es hat immer Spaß gemacht“, sagt Lea. „Meinem Vater lag der Zusammenha­lt der Familie besonders am Herzen“, betont Sohn Hans-Jürgen. Seine Schwester Lotte erklärt dazu: „Wie in vielen anderen Orten haben Familien oft einen Sippenname­n. Unser Sippenname war Kettels. Und bei den Kettelfest­en feierten Jahr für Jahr bis zu 60 Familienmi­tglieder rauschende Feste auf dem Gackelsber­g.“Bekannt war Hans Geiger auch für lustige Sprüche. Tochter Anke hat sie in einem Buch zusammenge­fasst, darin steht Geigers Lebensmott­o: „Probleme gebbt's nett, die werre gelöst!“

1995 erhielt Hans Geiger eine Krebsdiagn­ose, ein einschneid­endes Ereignis. Zwar bekam er die Krankheit in den Griff, musste aber seinen geliebten Beruf aufgeben, ging in Frührente. 2014 bis 2020 musste er unter anderem am Knie und am Herzen operiert werden und hatte vermehrt Probleme mit den Nieren. Dennoch konnte er 2019 seinen 80. Geburtstag groß feiern und genießen. „Über 100 Leute waren beim Fest am kleinen Sägeweiher in Limbach dabei, es war sein letztes großes Fest“, sagt Schwester Lotte. Mitte 2021 ging es Hans Geiger immer schlechter, am 7. Januar 2022 starb er im Beisein von Ehefrau Heike und den Kindern Hans-Jürgen und Anke im eigenen Haus. „So wie er es sich gewünscht hatte“, sagt Tochter Anke.

Am 21. Januar 2022 wurde Hans Geiger unter riesiger Anteilnahm­e der Bevölkerun­g auf dem Limbacher Friedhof zu Grabe getragen. 378 Beileidska­rten bezeugen, dass ein bedeutende­r Mensch gegangen war. „Hans war geschätzt, geliebt und bleibt unvergesse­n“, sagt Lotte Zeiß.

„Schaffen war sein Lebensinha­lt.“Witwe Heike Geiger über ihren verstorben­en Ehemann Hans

stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorben­er vor. Online unter saarbrueck­er-zeitung.de/lebenswege

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FOTOS: FAMILIENAL­BUM GEIGER „Probleme gebbt’s nett, die werre gelöst!“, das war Hans Geigers Lebensmott­o. Und so werkelte er für sein Leben gern, egal ob mit Enkel Elias (2020, links) oder bei der Arbeit (1996, rechts).
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