Protestantische Gemeinde polarisiert mit Poledance in Kirche
In Straßburg war eine evangelische Kirche Schauplatz für eine Oper, bei der ein Mann an einer Stange tanzt. Im Vorfeld gab es Drohungen gegen den Pfarrer.
(afp/sop) Allen Protesten zum Trotz hat eine protestantische Gemeinde in Straßburg an ihrem Kulturprogramm festgehalten: Ein professioneller Pole-Dancer ist zu den Klängen einer italienischen Barockoper in der Kirche Saint-Guillaume aufgetreten. Die Premiere des komischen Opernintermezzo „La Serva Padrona“von Giovanni Battista Pergolesis hat am vergangenen Mittwoch wie geplant in der Kirche stattgefunden. Ein Erfolg für Cyril Pallaud, künstlerischer Leiter der Veranstaltung und musikalischer Leiter des elsässischen Barockorchesters „Les Ornements – Passions Croisées“, das die Veranstaltung musikalisch begleitet hat. „1200 Personen in drei Aufführungen mit einem begeisterten Publikum“, teilte Pallaud am Wochenende auf Facebook mit. „Eines der schönsten Geschenke für einen Künstler: ein Durchschnittsalter von 35 Jahren bei einer Oper“, schrieb Pallaud weiter. Ziel sei gewesen, „zu zeigen, dass Kunst zum Nachdenken anregen soll“. Die insgesamt drei Aufführungen waren demnach ausverkauft.
Um die Veranstaltung hatte es im Vorfeld Diskussionen gegeben, der Pastor der Kirche hatte Drohungen erhalten. „Wenn wir es in Folge von Drohungen absagen würden, würden wir das falsche Signal senden“, hatte Pastor Daniel Boessenbacher vorab gesagt. Es war bereits das zweite Mal, dass die Kirche Saint-Guillaume dem als ebenso erotisch wie athletisch geltenden Pole-Dance eine Bühne geboten hat. Ex-Europameister Vincent Grobelny war bereits im März an einer vertikalen Metallstange im Altarraum aufgetreten. Damals interpretierte er die Rolle des Jesus im Werk „Stabat mater“von Pergolesi. Innerhalb von zwei Tagen schauten sich mehr als 1000 Menschen die Aufführung an, es blieben keine Plätze frei.
Doch zugleich entwickelte sich eine Welle des Protests. Boessenbacher erhielt anonyme Todesdrohungen. In einem Schreiben, das sich an der Kirchentür fand, rief jemand dazu auf, ihm den Kopf abzuschlagen, „weil er den Schlüssel unserer heiligen Kirche an die tanzende Schlange übergeben hat“. In einer Mail wurde der Pastor als „Antichrist“beschimpft. Boessenbacher hat Klage eingereicht, wie er Anfang April auf Facebook mitteilte: „Meine Offenheit hört dort auf, wo Pseudochristen anonyme Briefe an die Kirchengemeinde schicken. Ich schreibe Pseudo-Christen, weil ich nicht weiß, an welcher Stelle der Evangelien Jesus darum bittet, Todesdrohungen zu verschicken. Selbstverständlich wurde eine Anzeige erstattet.“Er verstehe vollkommen, wenn jemand mit dem
Programm nicht einverstanden sei, hatte Boessenbacher französischen Journalisten erklärt. „Aber warum sollte das nicht in einer Kirche gezeigt werden?“, fragte er und verwies darauf, dass das Kirchengebäude im Protestantismus kein sakraler Ort ist wie etwa in der katholischen Kirche. Kirche müsse sich „öffnen“, um das Image des Altertümlichen, Verschlossenen zu überwinden, erklärte er.
Die Gemeinde Saint-Guillaume, die im Straßburger Studierendenviertel Krutenau liegt, ist seit längerem für ihr provokantes Kulturprogramm bekannt. Im vergangenen Jahr war dort ein Kabarett von Drag Queens zu sehen, 2018 wurde der US-Horrorfilm „Der Exorzist“bei einem Festival gezeigt. In der Gemeinde können sich außerdem homosexuelle Paare segnen lassen, was die Union der protestantischen Kirchen in Elsass und Lothringen seit 2019 ermöglicht.