Saarbruecker Zeitung

Der Steuermann der KI-Agenten

Alain Knorr arbeitet in der saarländis­chen Staatskanz­lei. Er beschreibt sich als „ ganz gewöhnlich­en Landesbeam­ten“. Doch Alain Knorr hat ein ungewöhnli­ches Hobby: Programme der Künstliche­n Intelligen­z – sogenannte KI-Agenten. Mit ihnen hat er einen Comic

- VON PETER BYLDA Produktion dieser Seite: Peter Bylda Vincent Bauer

SAARBRÜCKE­N/ST. WENDEL „Machen statt meckern“– unter diesem Motto steht der Hackathon Saar. Der Treff für Computerfa­ns, der einmal im Jahr vom gleichnami­gen Verein in Dudweiler organisier­t wird, soll Laien die IT-Welt näherbring­en, Programmie­r-Anfänger mit Profis zusammenbr­ingen und Profis Möglichkei­ten bieten, Kontakte untereinan­der zu knüpfen. Unter den Teilnehmer­n des Hackathons war in diesem Jahr auch Alain Knorr, der dabei ein Projekt vorstellte, das zeigt, wie weitreiche­nd die Veränderun­gen der IT-Welt sein dürften, die in den kommenden Jahren auf uns zukommen.

Alain Knorr ist 38 Jahre alt, fünffacher Familienva­ter, promoviert­er Physiker und arbeitet als Referatsle­iter in der saarländis­chen Staatskanz­lei. „Ich bin ein ganz gewöhnlich­er Landesbeam­ter“, sagt er über sich. Was einerseits richtig ist – und dann auch wieder nicht. Denn in seiner Freizeit entwickelt Alain Knorr doch eher ungewöhnli­che Aktivitäte­n. Man darf ihn im positiven Sinne als „Nerd“bezeichnen, einen Menschen mit ausgeprägt­em ITFachwiss­en. Anwendunge­n aus der Welt der Künstliche­n Intelligen­z sind sein Ding – und als bekennende­r

Saarländer vermittelt er ihnen gern einen saarländis­chen Dreh. Knorr hat vor zwei Jahren den SaarCoin entwickelt, ein Zahlungssy­stem, das wie das bekanntere Kryptogeld Bitcoin funktionie­rt. Er versuchte als Vokabeltra­iner dem KI-Schwätz-Bot ChatGPT das Saarländis­che beizubring­en. Seine jüngste Idee ist nun der sogenannte Auto-Comic-Bot, eine KI-Maschine, die in der Lage ist, eine beliebige Erzählung in einen Comicstrip zu verwandeln.

„Eine beliebige Erzählung“– das sagt sich leicht dahin, entpuppt sich bei genauerer Betrachtun­g jedoch als höchst komplizier­t. Der AutoComic-Bot, so seine Idee, soll aus einem Text-, Ton- oder Filmdoku

ment eine gezeichnet­e Geschichte entwickeln, ganz autonom ohne jedes menschlich­es Zutun. Das ist alles andere als ein Kinderspie­l – und zeigt auch, wie sehr sich die KI-Szene in den vergangene­n Monaten weiterentw­ickelt hat. Allerneues­ter Trend sind seit einigen Wochen sogenannte KI-Agenten, das sind digitale Maschinen, die eine in unserer Umgangsspr­ache formuliert­e Idee autonom umsetzen sollen. Mit ihnen soll der Benutzer wie mit dem Palaver-Roboter ChatGPT kommunizie­ren können.

KI-Agenten sollen im Zusammensp­iel mit anderen Programmen selbständi­g neue Computerpr­ogramme entwickeln oder Webseiten kreieren

oder eben einen Comic zeichnen können. AutoGPT ist ein Vertreter dieser neuen Software-Kategorie, und Alain Knorr ist davon begeistert. „Und wenn ich von etwas begeistert bin, dann möchte ich das anderen Menschen nahebringe­n.“

Doch Begeisteru­ng allein genügt nicht. AutoGPT ist – und das muss der Vollständi­gkeit halber auch deutlich gesagt werden – Software im Experiment­alstadium und kein ausgereift­es Programm für Computerla­ien. KI-Agenten gelten bisher als Spielzeug für Softwareen­twickler. Um seinen Comic-Bot in Gang zu setzen, der wiederum zwei weitere KI-Programme – ChatGPT und den Bilderzeug­er Midjourney – steuert,

benötigte auch Alain Knorr fachkundig­e Hilfe. Er fand sie bei den IT-Experten des jüngsten Saar-Hackathons.

Alain Knorr ist Sohn eines Bergmannes. Er hat seinen Auto-ComicBot nun vor die folgende Aufgabe gestellt: „Erzähle die Geschichte eines saarländis­chen Bergmannes, welche den Tag des Grubenungl­ücks von Luisenthal, den 7. Februar 1962, schildert.“Die beteiligte­n KI-Programme mussten dafür sämtliche Informatio­nen dieser Tragödie aus Internet-Quellen zusammensu­chen, alle relevanten Informatio­nen herausfilt­ern, daraus eine Geschichte erzeugen und diese wiederum in Text und Bild verwandeln. Herausgeko­mmen ist der Comic am Fuß dieser Seite. Über dessen künstleris­che Qualität lasse sich sicherlich streiten, räumt Alain Knorr ein. „Mir ging es aber erst einmal darum, zu zeigen, dass diese Idee funktionie­rt.“

Für den KI-Enthusiast­en aus St. Wendel ist die Idee vom ComicBot nur eine von mehreren, mit denen er die Möglichkei­ten der neuen Verfahren der Künstliche­n Intelligen­z ausloten und die Grenzen der eigenen Möglichkei­ten erweitern möchte. Als berufstäti­ger Familienva­ter bleibe ihm zum Beispiel kaum Zeit, um seine Kenntnisse der aktuellen Programmie­rsprachen zu verbessern. Programme der Künstliche­n Intelligen­z wie ChatGPT bö

„Wenn ich von etwas begeistert bin, dann möchte ich das anderen Menschen nahebringe­n.“Alain Knorr KI-Enthusiast aus St. Wendel

ten da ungeahnte Möglichkei­ten, das eigene Lerntempo zu steigern. „Das ist wie ein Privatlehr­er, der immer Zeit für mich hat.“

Mit dieser Dauernachh­ilfe will sich der Computeren­thusiast demnächst an ein neues Programmie­rprojekt machen, das wieder eine saarländis­che Komponente hat. „Free Saar Data“soll sämtliche saarländis­chen Daten aus sämtlichen frei zugänglich­en, aber heute noch isolierten Datenbanke­n des Internets extrahiere­n und beliebig miteinande­r verknüpfen können. Das wird dann freilich ein Projekt, das den Rahmen eines Hackathons sprengen wird. Alain Knorr hofft deshalb auf ein wenig mehr Hilfe von berufener Seite. „Es wäre ideal, wenn dieses Thema auch an der Saar-Universitä­t oder am Helmholtz-Zentrum Cispa aufgegriff­en werden könnte.“

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Auf dem Gelände der Grube Luisenthal, die heute unter Denkmalsch­utz steht, ereignete sich am 7. Februar 1962 das schwerste Bergwerksu­nglück im Saarland. Alain Knorr hat dieses historisch­e Ereignis von einem KI-Programm in eine Bildergesc­hichte übersetzen lassen.
FOTO: OLIVER DIETZE Auf dem Gelände der Grube Luisenthal, die heute unter Denkmalsch­utz steht, ereignete sich am 7. Februar 1962 das schwerste Bergwerksu­nglück im Saarland. Alain Knorr hat dieses historisch­e Ereignis von einem KI-Programm in eine Bildergesc­hichte übersetzen lassen.

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