Der Steuermann der KI-Agenten
Alain Knorr arbeitet in der saarländischen Staatskanzlei. Er beschreibt sich als „ ganz gewöhnlichen Landesbeamten“. Doch Alain Knorr hat ein ungewöhnliches Hobby: Programme der Künstlichen Intelligenz – sogenannte KI-Agenten. Mit ihnen hat er einen Comic
SAARBRÜCKEN/ST. WENDEL „Machen statt meckern“– unter diesem Motto steht der Hackathon Saar. Der Treff für Computerfans, der einmal im Jahr vom gleichnamigen Verein in Dudweiler organisiert wird, soll Laien die IT-Welt näherbringen, Programmier-Anfänger mit Profis zusammenbringen und Profis Möglichkeiten bieten, Kontakte untereinander zu knüpfen. Unter den Teilnehmern des Hackathons war in diesem Jahr auch Alain Knorr, der dabei ein Projekt vorstellte, das zeigt, wie weitreichend die Veränderungen der IT-Welt sein dürften, die in den kommenden Jahren auf uns zukommen.
Alain Knorr ist 38 Jahre alt, fünffacher Familienvater, promovierter Physiker und arbeitet als Referatsleiter in der saarländischen Staatskanzlei. „Ich bin ein ganz gewöhnlicher Landesbeamter“, sagt er über sich. Was einerseits richtig ist – und dann auch wieder nicht. Denn in seiner Freizeit entwickelt Alain Knorr doch eher ungewöhnliche Aktivitäten. Man darf ihn im positiven Sinne als „Nerd“bezeichnen, einen Menschen mit ausgeprägtem ITFachwissen. Anwendungen aus der Welt der Künstlichen Intelligenz sind sein Ding – und als bekennender
Saarländer vermittelt er ihnen gern einen saarländischen Dreh. Knorr hat vor zwei Jahren den SaarCoin entwickelt, ein Zahlungssystem, das wie das bekanntere Kryptogeld Bitcoin funktioniert. Er versuchte als Vokabeltrainer dem KI-Schwätz-Bot ChatGPT das Saarländische beizubringen. Seine jüngste Idee ist nun der sogenannte Auto-Comic-Bot, eine KI-Maschine, die in der Lage ist, eine beliebige Erzählung in einen Comicstrip zu verwandeln.
„Eine beliebige Erzählung“– das sagt sich leicht dahin, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung jedoch als höchst kompliziert. Der AutoComic-Bot, so seine Idee, soll aus einem Text-, Ton- oder Filmdoku
ment eine gezeichnete Geschichte entwickeln, ganz autonom ohne jedes menschliches Zutun. Das ist alles andere als ein Kinderspiel – und zeigt auch, wie sehr sich die KI-Szene in den vergangenen Monaten weiterentwickelt hat. Allerneuester Trend sind seit einigen Wochen sogenannte KI-Agenten, das sind digitale Maschinen, die eine in unserer Umgangssprache formulierte Idee autonom umsetzen sollen. Mit ihnen soll der Benutzer wie mit dem Palaver-Roboter ChatGPT kommunizieren können.
KI-Agenten sollen im Zusammenspiel mit anderen Programmen selbständig neue Computerprogramme entwickeln oder Webseiten kreieren
oder eben einen Comic zeichnen können. AutoGPT ist ein Vertreter dieser neuen Software-Kategorie, und Alain Knorr ist davon begeistert. „Und wenn ich von etwas begeistert bin, dann möchte ich das anderen Menschen nahebringen.“
Doch Begeisterung allein genügt nicht. AutoGPT ist – und das muss der Vollständigkeit halber auch deutlich gesagt werden – Software im Experimentalstadium und kein ausgereiftes Programm für Computerlaien. KI-Agenten gelten bisher als Spielzeug für Softwareentwickler. Um seinen Comic-Bot in Gang zu setzen, der wiederum zwei weitere KI-Programme – ChatGPT und den Bilderzeuger Midjourney – steuert,
benötigte auch Alain Knorr fachkundige Hilfe. Er fand sie bei den IT-Experten des jüngsten Saar-Hackathons.
Alain Knorr ist Sohn eines Bergmannes. Er hat seinen Auto-ComicBot nun vor die folgende Aufgabe gestellt: „Erzähle die Geschichte eines saarländischen Bergmannes, welche den Tag des Grubenunglücks von Luisenthal, den 7. Februar 1962, schildert.“Die beteiligten KI-Programme mussten dafür sämtliche Informationen dieser Tragödie aus Internet-Quellen zusammensuchen, alle relevanten Informationen herausfiltern, daraus eine Geschichte erzeugen und diese wiederum in Text und Bild verwandeln. Herausgekommen ist der Comic am Fuß dieser Seite. Über dessen künstlerische Qualität lasse sich sicherlich streiten, räumt Alain Knorr ein. „Mir ging es aber erst einmal darum, zu zeigen, dass diese Idee funktioniert.“
Für den KI-Enthusiasten aus St. Wendel ist die Idee vom ComicBot nur eine von mehreren, mit denen er die Möglichkeiten der neuen Verfahren der Künstlichen Intelligenz ausloten und die Grenzen der eigenen Möglichkeiten erweitern möchte. Als berufstätiger Familienvater bleibe ihm zum Beispiel kaum Zeit, um seine Kenntnisse der aktuellen Programmiersprachen zu verbessern. Programme der Künstlichen Intelligenz wie ChatGPT bö
„Wenn ich von etwas begeistert bin, dann möchte ich das anderen Menschen nahebringen.“Alain Knorr KI-Enthusiast aus St. Wendel
ten da ungeahnte Möglichkeiten, das eigene Lerntempo zu steigern. „Das ist wie ein Privatlehrer, der immer Zeit für mich hat.“
Mit dieser Dauernachhilfe will sich der Computerenthusiast demnächst an ein neues Programmierprojekt machen, das wieder eine saarländische Komponente hat. „Free Saar Data“soll sämtliche saarländischen Daten aus sämtlichen frei zugänglichen, aber heute noch isolierten Datenbanken des Internets extrahieren und beliebig miteinander verknüpfen können. Das wird dann freilich ein Projekt, das den Rahmen eines Hackathons sprengen wird. Alain Knorr hofft deshalb auf ein wenig mehr Hilfe von berufener Seite. „Es wäre ideal, wenn dieses Thema auch an der Saar-Universität oder am Helmholtz-Zentrum Cispa aufgegriffen werden könnte.“