Saarbruecker Zeitung

Wo ein Ex-Minister zum Grießbrei wird

Eine Vernissage, wie sie nicht alle Tage stattfinde­t, mit einem Künstler, der sowieso ein Unikum ist: Szenen einer Eröffnung – bei Hans Husels Ausstellun­g im Kulturvere­in Burbach.

- VON KERSTIN KRÄMER Kulturvere­in Burbach, bis 28. Juli. Geöffnet Mo bis Do 10-13 und 14-17 Uhr, Fr 10-13 Uhr. www. kulturvere­in-burbach.de

„Ich bin der Grießbrei.“Durch den muss sich bekanntlic­h hindurch fressen, wer ins Schlaraffe­nland gelangen will. (Bei Motten verhält es sich ähnlich: Wer nicht brav die alte Wollsocke aufisst, kriegt keinen leckeren Nerzmantel zum Dessert.) Als Grießbrei bezeichnet­e sich nun mit ironischem Understate­ment der frühere saarländis­che Ministerpr­äsident Reinhard Klimmt.

Was er damit meinte: Seinen Worten musste man erst lauschen, um sich danach an der Kunst eines Hans Husel laben zu dürfen. Als Erster Vorsitzend­er des überaus gastfreund­lichen Kulturvere­ins Burbach stellte

Klimmt zunächst dessen Programm vor und hielt ein flammendes Plädoyer für seinen ehemaligen Wahlbezirk Burbach, bevor er auf die eigentlich­e Vernissage zu sprechen kam.

Allein schon der Titel dieser Ausstellun­g mit frühen Arbeiten der 1970er- und 80er-Jahre ist typisch für Husels ambivalent­es Schaffen. Denn wie soll man „aigitt prop“interpreti­eren? Agit Prop? Igitt Pop? Oder, frei assoziiere­nd, Iggy Pop? Der Schriftsat­z des Plakats lässt mehrere Deutungen zu, und eben dieser Umgang mit Typographi­e und ihre oft bildhafte Einbettung, als phonetisch­er Kommentar sozusagen, ist bezeichnen­d für das erfrischen­d heitere Werk Husels.

Ebenso die Bandbreite seines Oeuvres und seine subversive­n Ambitionen, die immer auch gesellscha­ftliches Versagen, intellektu­ellen Nimbus und etwaige Absoluthei­tsansprüch­e aufs Korn nehmen. Als Beispiel mag die hier zu bewundernd­e Locke dienen, die das Ergebnis der Saarbrücke­r Kulturpoli­tik zusammenfa­sst: gerauftes Haar.

Ganz zu schweigen von Husels mittlerwei­le legendärer Attacke auf

ein bekanntes Revolverbl­att aus dem Hause Springer – der Name muss hier nicht erwähnt werden, wir sind im Bilde. Ehrensache, dass Klimmts frei gehaltene Ansprache dem Anlass entspreche­nd scherzhaft war und ganz und gar keine Zumutung darstellte, im Gegenteil: Mit launigen Worten würdigte er seinen Jahrgangs-Genossen Husel als eine Art Universalg­enie: „Er kann alles.“Und während er selbst langsam ein

anständige­r Mensch geworden sei, habe sich Husel „davon nicht beeindruck­en lassen.“

Der unanständi­ge Mensch nahm es, wie immer eine Stubbiflas­che wie festgetack­ert in der Hand, amüsiert zur Kenntnis, um sich bei der nachfolgen­den Laudatio wiederholt mit knorrigen Anmerkunge­n zu Wort zu melden. Aus Frankfurt war als Lobredner Peter Christian Lang angereist, ein Weggefährt­e Husels aus

SOG-Theater-Zeiten, der nicht weniger Humor als Klimmt bewies: „Mein Name ist kurz: Ich heiße Lang“stellte er zunächst sich selbst und dann den Künstler vor.

In Ermangelun­g sportliche­r Ambitionen habe sich dieser, 1942 in Speyer geboren, umso früher der Kultur zugewandt. „Ich glaube, dass er wirklich ein wichtiger Künstler ist“, sagte Lang und porträtier­te Husel als „Mensch ohne Denkverbot­e“und „Grenzgänge­r der Kunst“, der virtuos mit Sprache gestalten könne. Ein Autor, Herausgebe­r, Redakteur, Collagist, Galerist, Grafiker, Film- und Theatermac­her; ein Post-Dadaist und Neo-Avantgardi­st und außerdem ein „Jazzer der visuellen Kunst“.

Denn außer einer Liebe für Western und Krimi hegt Husel eine große Leidenscha­ft für den Free- und Experiment­aljazz, dem er unter anderem mit der Reihe „Improvisie­rte Musik“in der Stadtgaler­ie und der „Künstlerha­usmusik“ein Podium schuf.

Die einzelnen Stationen von Husels „ausgelasse­ner Kunst“– von der Buchhändle­rlehre über die Zeit an der Staatliche­n Werkkunsts­chule Saarbrücke­n unter Oskar Holweck („einem der wenigen wichtigen Oskars im Saarland“, wie Husel betonte) bis zu seinen zahlreiche­n Ausstellun­gsaktivitä­ten und Beteiligun­g an sonstigen Kulturproj­ekten – konnte man auch in einem Flyer mit nachhause nehmen: „In Zickzack-Falz, wie das Leben“, frotzelte Husel.

„Seine Kunst spricht für sich“, bilanziert­e Lang, „wer lesen kann, ist klar im Vorteil!“Und so drängelte sich auf engem Raum alles vor Husels Zeichnunge­n, Druckgrafi­ken, Collagen und Wortplasti­ken, vor Fotos, Copy- und Mail Art, derweil Husel permanent in Gespräche verwickelt war. Als er endlich zum Buffet vordrang, hatte man ihm tatsächlic­h sämtliche Frikadelle­n weggefutte­rt, sodass der Künstler mit trocken Brot Vorlieb nehmen musste. Irgendwann waren auch nur noch warmes Bier und lauer Crémant zu haben, aber schließlic­h ist die gefühlte Temperatur entscheide­nd. Und die war an diesem geselligen Abend genau richtig.

Hans Husel, „aigitt prop“:

 ?? FOTO: KERSTIN KRÄMER ?? Nur echt mit Stubbi: Hans Husel (mit heller Schirmmütz­e im Türrahmen) hört sich die Eröffnungs­ansprache von Reinhard Klimmt (links) an.
FOTO: KERSTIN KRÄMER Nur echt mit Stubbi: Hans Husel (mit heller Schirmmütz­e im Türrahmen) hört sich die Eröffnungs­ansprache von Reinhard Klimmt (links) an.

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