Wo ein Ex-Minister zum Grießbrei wird
Eine Vernissage, wie sie nicht alle Tage stattfindet, mit einem Künstler, der sowieso ein Unikum ist: Szenen einer Eröffnung – bei Hans Husels Ausstellung im Kulturverein Burbach.
„Ich bin der Grießbrei.“Durch den muss sich bekanntlich hindurch fressen, wer ins Schlaraffenland gelangen will. (Bei Motten verhält es sich ähnlich: Wer nicht brav die alte Wollsocke aufisst, kriegt keinen leckeren Nerzmantel zum Dessert.) Als Grießbrei bezeichnete sich nun mit ironischem Understatement der frühere saarländische Ministerpräsident Reinhard Klimmt.
Was er damit meinte: Seinen Worten musste man erst lauschen, um sich danach an der Kunst eines Hans Husel laben zu dürfen. Als Erster Vorsitzender des überaus gastfreundlichen Kulturvereins Burbach stellte
Klimmt zunächst dessen Programm vor und hielt ein flammendes Plädoyer für seinen ehemaligen Wahlbezirk Burbach, bevor er auf die eigentliche Vernissage zu sprechen kam.
Allein schon der Titel dieser Ausstellung mit frühen Arbeiten der 1970er- und 80er-Jahre ist typisch für Husels ambivalentes Schaffen. Denn wie soll man „aigitt prop“interpretieren? Agit Prop? Igitt Pop? Oder, frei assoziierend, Iggy Pop? Der Schriftsatz des Plakats lässt mehrere Deutungen zu, und eben dieser Umgang mit Typographie und ihre oft bildhafte Einbettung, als phonetischer Kommentar sozusagen, ist bezeichnend für das erfrischend heitere Werk Husels.
Ebenso die Bandbreite seines Oeuvres und seine subversiven Ambitionen, die immer auch gesellschaftliches Versagen, intellektuellen Nimbus und etwaige Absolutheitsansprüche aufs Korn nehmen. Als Beispiel mag die hier zu bewundernde Locke dienen, die das Ergebnis der Saarbrücker Kulturpolitik zusammenfasst: gerauftes Haar.
Ganz zu schweigen von Husels mittlerweile legendärer Attacke auf
ein bekanntes Revolverblatt aus dem Hause Springer – der Name muss hier nicht erwähnt werden, wir sind im Bilde. Ehrensache, dass Klimmts frei gehaltene Ansprache dem Anlass entsprechend scherzhaft war und ganz und gar keine Zumutung darstellte, im Gegenteil: Mit launigen Worten würdigte er seinen Jahrgangs-Genossen Husel als eine Art Universalgenie: „Er kann alles.“Und während er selbst langsam ein
anständiger Mensch geworden sei, habe sich Husel „davon nicht beeindrucken lassen.“
Der unanständige Mensch nahm es, wie immer eine Stubbiflasche wie festgetackert in der Hand, amüsiert zur Kenntnis, um sich bei der nachfolgenden Laudatio wiederholt mit knorrigen Anmerkungen zu Wort zu melden. Aus Frankfurt war als Lobredner Peter Christian Lang angereist, ein Weggefährte Husels aus
SOG-Theater-Zeiten, der nicht weniger Humor als Klimmt bewies: „Mein Name ist kurz: Ich heiße Lang“stellte er zunächst sich selbst und dann den Künstler vor.
In Ermangelung sportlicher Ambitionen habe sich dieser, 1942 in Speyer geboren, umso früher der Kultur zugewandt. „Ich glaube, dass er wirklich ein wichtiger Künstler ist“, sagte Lang und porträtierte Husel als „Mensch ohne Denkverbote“und „Grenzgänger der Kunst“, der virtuos mit Sprache gestalten könne. Ein Autor, Herausgeber, Redakteur, Collagist, Galerist, Grafiker, Film- und Theatermacher; ein Post-Dadaist und Neo-Avantgardist und außerdem ein „Jazzer der visuellen Kunst“.
Denn außer einer Liebe für Western und Krimi hegt Husel eine große Leidenschaft für den Free- und Experimentaljazz, dem er unter anderem mit der Reihe „Improvisierte Musik“in der Stadtgalerie und der „Künstlerhausmusik“ein Podium schuf.
Die einzelnen Stationen von Husels „ausgelassener Kunst“– von der Buchhändlerlehre über die Zeit an der Staatlichen Werkkunstschule Saarbrücken unter Oskar Holweck („einem der wenigen wichtigen Oskars im Saarland“, wie Husel betonte) bis zu seinen zahlreichen Ausstellungsaktivitäten und Beteiligung an sonstigen Kulturprojekten – konnte man auch in einem Flyer mit nachhause nehmen: „In Zickzack-Falz, wie das Leben“, frotzelte Husel.
„Seine Kunst spricht für sich“, bilanzierte Lang, „wer lesen kann, ist klar im Vorteil!“Und so drängelte sich auf engem Raum alles vor Husels Zeichnungen, Druckgrafiken, Collagen und Wortplastiken, vor Fotos, Copy- und Mail Art, derweil Husel permanent in Gespräche verwickelt war. Als er endlich zum Buffet vordrang, hatte man ihm tatsächlich sämtliche Frikadellen weggefuttert, sodass der Künstler mit trocken Brot Vorlieb nehmen musste. Irgendwann waren auch nur noch warmes Bier und lauer Crémant zu haben, aber schließlich ist die gefühlte Temperatur entscheidend. Und die war an diesem geselligen Abend genau richtig.
Hans Husel, „aigitt prop“: