Saarbruecker Zeitung

Sommerthea­ter: Rumgemänne­re im „Lustgarten“

Bei der Schauspiel­schule Acting & Arts gab es gleich eine doppelte Premiere: Ein neuer Ort, ein neues Stück. Und zwei ziemlich miese Männer.

- VON ISABELL SCHIRRA

Theater und hochsommer­liche Temperatur­en passen nicht zusammen? Falsch gedacht! Theater kann einem bei 25 Grad und mehr sogar als kühler Zufluchtso­rt dienen. Zumindest dann, wenn es auf der „Theater-Terrasse“der privaten Schauspiel­schule Acting & Arts in der Dudweiler Landstraße gespielt wird.

Zum ersten Mal überhaupt in der mittlerwei­le nun schon 13-jährigen Geschichte der Schauspiel­schule wurde der überdachte Außenberei­ch der Schule bespielt. Und zwar mit einer Inszenieru­ng von „Lustgarten“, einem Stück von Sabine Harbeke, das Schulleite­rin Petra Lamy mit Manuel Franz, Schauspiel­er und Acting & Arts-Schüler der ersten Stunde, koproduzie­rte.

Eine Trennung von Bühne und Zuschauerr­aum gab es da nicht. Gespielt wurde, auf leicht erhöhtem Podest, mehr oder minder im Zuschauerr­aum. Ganz nah waren die Zuschauer, die wohlgemerk­t nicht auf geordneten Rängen, sondern an gemütliche­n Tischgrupp­en in sommerlich­er Terrassen-Manier Platz fanden, also am Geschehen dran. Das traf sich gut. Lebt dieses Stück doch weniger von einer Handlung, als vielmehr von den Feinheiten und Ambivalenz­en des menschlich­en Seins. Übersetzt in Gestik, Mimik und sich überschlag­ende Gespräche.

Der Titel „Lustgarten“mutet dabei euphemisti­sch an. Denn dieser Lustgarten ist eigentlich eine Autobahnra­ststätte. Dort sitzen Krause und Mertens, mit einem ausgewachs­enen Kater, beisammen und versuchen, die Geschehnis­se der letzten Nacht zu rekonstrui­eren.

Die Freunde wollten eine Reise nach Frankreich unternehme­n. Als Transportm­ittel wählten sie die von einer Frau angebotene Mitfahrgel­egenheit. Im Auto wurde geplaudert, es wurde sich gut verstanden. Am Abend wurde zusammen getrunken, wurde Karaoke gesunken. Und dann, ja dann, landete die Frau im Kofferraum. Eingesperr­t von Krause und Mertens.

Wie es dazu kam? Das wissen die beiden Männer auch nicht so recht. Provoziert habe die Unbekannte es in jedem Fall, in einer Art Mutproben-Manier. „Sie wollte es“, da sind sich Krause und Mertens sicher. Anwesend ist diese Frau im Stück nie. Die beiden Männer dafür umso mehr. Gut eine Stunde schalten und walten sie auf der Bühne, zeichnen ein diffuses Bild der Frau im Kofferraum – irgendwie kokett, aber auch provokativ und auf jeden Fall irgendwie essgestört – und geben dabei vor allem ihre eigenen charakterl­ichen Abgründe preis.

„Sie wird schon nicht ersticken“, da ist sich Mertens, gespielt von Robert Sonnenburg, sicher. Er erfreut sich seines frisch geschnitte­nen Haares, denkt an Schmetterl­inge und mampft Currywurst. Krause, gespielt von Manuel Franz, macht sich da schon mehr Gedanken: Wird die Luft reichen? Braucht die Unbekannte als Diabetiker­in nicht vielleicht doch eine Insulinspr­itze? Gegenseiti­g wird sich da die Schuld zugeschobe­n, in Geschrei, Getose und Dialogen, die so absurd sind, dass sie unweigerli­ch zu bitter-bösen Lachern führen, wird verhandelt, wer da nun eigentlich die treibende Kraft war.

Robert Sonnenburg, für den es seine erste Theater-Premiere überhaupt war, und Manuel Franz, der das Saarland demnächst gen Köln verlassen wird, spielen dieses „Rumgemänne­re“mit Bravour. Spielen mit einer rotzigen Nonchalanc­e, die die nicht gerade sympathisc­hen Charaktere umso greifbarer macht.

Die dritte Figur des Stückes, die Schwester der Unbekannte­n nämlich, wurde in der Acting & Arts-Inszenieru­ng indes ins Off verbannt. Im Original betritt die Schwester am Ende des Stückes für einen 20-minütigen Monolog die Bühne. Zeichnet weiter am Bild der Unbekannte­n: Seltsame Vorliebe für Schlangen, gescheiter­te Ehe, generelle Unsymphati­e füreinande­r. Sie sagt sogar: „Ich hoffte, dass meine Schwester unglücklic­h war“.

Gerade dieser Monolog wird dem Stück in Rezensione­n früher Inszenieru­ngen als Schwäche angekreide­t. Petra Lamy und Manuel Franz spielen in ihrer Inszenieru­ng den Monolog, gesprochen von Petra Lamy, in Ausschnitt­en während des Stücks ein. Das hält das Stück dynamisch. Bis zum Ende.

Anfang September wird dieses kurzweilig­e und spannende Stück noch einmal gespielt. Im nächsten Jahr will Petra Lamy auf ihrer Theater-Terrasse eine Sommer-Bühne initiieren. Futter für Gehirn und Geist in den warmen Monaten bieten. Mit einer leichten Brise um die Nase. Eine schöne Vorstellun­g.

„Lustgarten“wird nach der Sommerpaus­e nochmal gespielt und zwar am 2. und 3. September, 16.30 Uhr, bei Acting & Arts in der Dudweiler Landstraße (Kulturfabr­ik). Karten zu 15/12 Euro unter www. acting-and-arts.com

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FOTO: JEAN M. LAFFITAU „Lustgarten“auf der neuen Theater-Terrasse der Schauspiel­schule Acting & Arts: Robert Sonnenburg (links) und Manuel Franz.

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