„Mobbing ist sehr belastend“
Gespräch mit Gewaltpräventions-Pädagogin Sabrina Wahlster, die in Völklingen Kurse zum Umgang mit Cybermobbing bietet.
VÖLKLINGEN Die Völklinger Gewaltpräventions-Pädagogin Sabrina Wahlster (44) beschäftigt sich unter anderem mit Cybermobbing. Am Samstag, 24. Juni, leitet die freiberufliche Dozentin einen Kurs der Jungen VHS Völklingen. „Stark im Internet – Gefahren erkennen und besiegen“lautet das Thema. Angesprochen sind Kinder ab zehn Jahren. Wir sprachen mit ihr im Vorfeld über die Gefahren des Mobbings im Internet.
Auseinandersetzungen von Jungen und Mädchen mit Gleichaltrigen sind ganz natürlich und wichtig für die Entwicklung. Was ist der Unterschied zwischen harmlosen Sticheleien auf dem Schulhof und Mobbing?
Sabrina Wahlster Im Gegensatz zu situationsbedingten Konflikten erstreckt sich das Mobbing über einen längeren Zeitraum. Dahinter steckt immer die Absicht, jemanden ganz bewusst mit Worten oder Taten zu schaden. Dabei setzt der Mobber häufig auf die Unterstützung von Mitläufern.
Es geht darum, jemanden systematisch fertigzumachen?
Wahlster Ja. Sobald soziale Medien ins Spiel kommen, sprechen wir von Cybermobbing. Der Täter schickt beleidigende Nachrichten, lästert oder droht. Auch Demütigungen setzen dem Opfer zu. Ein Beispiel: Man zieht jemanden die Hose runter und filmt ihn dabei. Die Aktion kann sich anschließend jeder im Netz anschauen. Der Täter glaubt, anonym zu sein – das senkt die Hemmschwelle. Da er die Konsequenzen seines Handelns nicht unmittelbar sieht, traut er sich mehr. Die verbalen Attacken sind oft stärker als beim physischen Kontakt.
Wer wird zum Opfer?
Wahlster Opfer sind oft diejenigen, die sich nicht wehren und die starke Gefühle zeigen. Vor allem Kinder, die nicht der Norm entsprechen, werden belästigt. Etwa Schüler, die besonders gute oder schlechte Noten schreiben, die eine ungewöhnliche Haarfarbe haben oder keine Markenklamotten tragen.
Wie verbreitet ist das Problem?
Wahlster Nach einer Studie des „Bündnisses gegen Cybermobbing“wurden 16,7 Prozent aller Schüler zwischen acht und 21 Jahren bereits Opfer von Cybermobbing – also fast jeder fünfte.
In der Pubertät ist das Verhältnis zu den Eltern ohnehin angespannt. Vermutlich erzählen nicht alle Kinder, die gemobbt werden, der Mutter oder dem Vater von ihren Sorgen.
Wahlster Viele Eltern merken nicht, dass ihr Sohn oder ihre Tochter im Internet attackiert wird. Es gibt aber Alarmzeichen, die auf Mobbing hindeuten können. Das Kind ist auffällig still, klagt öfter über Bauchschmerzen, will nicht mehr in die Schule, schläft schlecht oder zieht sich von den Freunden zurück.
Und wie sieht das Innenleben des Opfers aus? Was macht das Mobbing mit der Psyche?
Wahlster Die Situation ist sehr belastend. Leere Drohungen, die Erwachsene schnell durchschauen, nehmen Kinder häufig ernst. Sie haben Angst, schämen sich. Oft geben sie sich selbst die Schuld. Dauerhaftes Mobbing kann zu Depressionen führen, im Extremfall sogar zum Suizid.
Was raten Sie den Eltern von Mobbing-Opfern?
Wahlster Sie sollten die Schilderungen ihres Kindes ernst nehmen, zuhören, darüber reden. Vom Mobbing-Opfer fällt Druck ab, wenn es merkt, dass es mit dem Problem nicht mehr alleine ist. Betroffenen-Stellen bieten professionelle Hilfe. Schulsozialarbeiter stehen ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite. Oder man wendet sich an die Polizei: Drohung, Erpressung und Nötigung, egal in welchem Medium, sind Straftaten.
Sollten Eltern von Mobbing-Opfern die Täter selbst zur Rede stellen?
Wahlster Das kann gut gehen, kann aber auch zu einer weiteren Eskalation führen. Betroffene sollten mit Bildschirmfotos Beweise sichern, eine Änderung der Mailadresse kann ebenfalls helfen. Im Extremfall sollte man über einen Schulwechsel des Opfers nachdenken – um dem negativen Umfeld zu entkommen.
Würde man nicht besser den Täter von der Schule werfen?
Wahlster Das verlagert das Problem womöglich nur an einen anderen Ort. Oft sucht sich der
Täter dort ein neues Opfer. Oder er belästigt sein bisheriges Opfer weiter – weil er es für den Rauswurf verantwortlich macht. Als wirksamer hat sich ein Ansatz erwiesen, der auf Schuldzuweisung und Bestrafung verzichtet. Die am Mobbing beteiligten Kinder und Jugendlichen werden eingebunden und überlegen, wie sich die Situation des Opfers verbessern lässt. Sie entwickeln zum Beispiel Vorschläge zur Wiedergutmachung.
In welchem Alter ist das Nutzen sozialer Medien unbedenklich?
Wahlster Das lässt sich nicht pauschal sagen. Die Eltern sollten im Gespräch mit dem Kind herausfinden, wann es reif genug ist für ein eigenes Profil in einem sozialen Netzwerk. Sobald jemand einen Social Media-Account hat, ist er sichtbar und erreichbar. Und damit auch verletzbar.
Und auch anfällig für die gezielte
Ansprache von Kriminellen, die sexuelle Kontakte zu Minderjährigen suchen.
WAHLSTER Ja. Die Tochter weiß nicht, ob die Chat-Partnerin, die ein Foto von ihr möchte, tatsächlich, wie behauptet, ein 14-jähriges Mädchen ist, das Pferde auch so toll findet. Solche Plattformen bieten leider auch Gelegenheiten für Pädophile.