Zwischen Bullerbü und Bandenkriminalität
Schweden ist und bleibt für viele Deutsche ein Sehnsuchtsort. Gleichzeitig haben die Skandinavier ihre eigenen Probleme. Und das nicht zu knapp.
(dpa) Hach, Schweden! Nur wenige Staaten der Erde haben ein solch positives Image wie das skandinavische Land im Norden der EU. Das liegt unter anderem an der Bullerbü-Idylle, mit der die große schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren einst auch unzählige Deutsche begeistert hat, an fröhlichen Pop-Ohrwürmern von Abba, an überdurchschnittlich schönen Menschen und irgendwie auch an Ikea.
Schweden, beliebter als andere? Gerade unter Deutschen ist es ein absolutes Sehnsuchts- und Reiseland. Dieses Land wird nun in gewisser Weise 500 Jahre alt. Am Dienstag ist es fünf Jahrhunderte her, dass Gustav Wasa im Jahr 1523 in Strängnäs zum König von Schweden gewählt wurde und in Schweden eine neue Epoche einleitete, in der es aus der Kalmarer Union mit Dänemark und Norwegen ausschied und sich zum Nationalstaat entwickelte.
Eine große Rolle spielt das Jubiläum unter Schwedinnen und Schweden nicht. Historiker merken zudem an, dass das Land viel älter ist. Das schwedische Königshaus wirbt jedoch dafür, dass der Nationalfeiertag am 6. Juni diesmal – noch dazu im 50. Thronjahr von König Carl XVI. Gustaf (77) – größer gefeiert wird als sonst. Carl Gustaf und die aus Heidelberg stammende Königin Silvia (79) tun dies in Strängnäs und dann in Stockholm, wo sie auch bei der offiziellen Nationaltagsfeier im Freilichtmuseum Skansen dabei sind. Was für ein Land sie dann hochleben lassen werden? Ein ohne Frage sehr schönes – aber auch eines, das heute mit gleich mehreren Problemen zu kämpfen hat.
Außer Frage steht, dass Schweden mit seinen Wäldern und Seen ein Land voll natürlicher Schönheit ist. In dem Wohlfahrtsstaat sind viele Dinge in der Nachkriegszeit zudem sehr richtig gelaufen: Schweden ist wohlhabend, der Staat sichert ab, Frauen und Männer sind gleichgestellter anders als in den meisten anderen Ländern. Im aktuellen Weltglücksbericht liegt Schweden auf einem guten sechsten Platz.
Und gleichzeitig ist Schweden heute alles andere als eine reine Friede-Freude-Zimtschnecken-Nation. In das Idyll haben sich längst gesell
schaftliche Probleme gemischt, die sich nicht mal eben schnell mit dem beim Billy-Regal mitgelieferten Inbusschlüssel lösen lassen.
Vor allem der Kampf gegen kriminelle Gangs treibt das als so friedlich geltende Land seit Jahren um. „Wenn Sie das mit dem Bild vergleichen, das die Leute von Schweden haben, dann ist das natürlich sehr bizarr, dass wir all das hier haben. So sehen es die Schweden übrigens auch selbst“, sagt die Historikerin Elisabeth Elgán von der Universität von Stockholm.
Es geht in erster Linie um die Markthoheit im Drogengeschäft, immer wieder sind junge Einwanderer involviert. „Es wird in Schweden im Moment viel über die Prob
leme mit den vielen nach Schweden kommenden Einwanderern gesprochen“, sagt Elgán. „Aber ich würde nicht sagen, dass die Bandengewalt und die Schießereien eine Konsequenz davon sind.“Es handle sich vielmehr um ein Phänomen des globalisierten Drogengeschäfts, in dem es um das schnelle Geld gehe.
Apropos Kristersson: Er steht für ein Novum in der schwedischen Politik, das viele im Land kritisch sehen. Seine seit Herbst 2022 amtierende Regierung arbeitet eng mit den rechtspopulistischen Schwedendemokraten zusammen, die bei der Parlamentswahl im September mit über 20 Prozent der Wählerstimmen erstmals zweitstärkste Kraft hinter den abgelösten Sozialdemo
kraten wurden.
Seitdem geht ein Rechtsruck durchs Land, Schwedendemokraten-Chef Jimmie Akesson spricht gerne von „Paradigmenwechsel“. Akesson säte zuletzt außerdem offen Zweifel an der schwedischen EU-Mitgliedschaft. Diese Kampagne könnte zu einer problematischen Angelegenheit werden, warnt Elgán. Dabei bemüht sich Schweden derzeit eigentlich darum, in ein anderes internationales Bündnis zu gelangen, nämlich in die Nato. Nachbar Finnland hat den Sprung in das westliche Militärbündnis längst geschafft, Schweden dagegen hängt weiter an der Blockade der Türkei fest und wartet auch auf die Zustimmung Ungarns.