Warum sich Wecker hier so wohl fühlt
Die SZ hatte die Gelegenheit, vor Konstantin Weckers Konzert bereits einen Blick hinter die Kulissen zu erhaschen. Dann begeistert er sein Publikum mit vielen Hits.
dem Konzert von Konstantin Wecker mit seiner Band in der Saarbrücker Congresshalle am Freitagabend ist der Soundcheck für 18 Uhr angesetzt, aber Jo Barnikel, Weckers Pianist, Arrangeur und musikalischer Leiter, ist schon lange vor der Zeit auf der Bühne und testet Technikelemente, die am Nachmittag aufgebaut wurden. Eine komplette Lkw-Ladung mit Boxen, Mischpulten und vor allem mit umfangreichem Instrumentarium muss installiert werden. Dabei ist auch Weckers Bösendorfer-Flügel, den er mit auf Tour nimmt.
Jo stöhnt, denn er ist am Nachmittag gestürzt, kann mit seinem dicken Knie kaum laufen und fürchtet einen Fieberschub. Die sonst vor Konzerten übliche Siesta muss ausfallen. Aber an eine Absage des Konzerts denkt er nicht einmal. Nach und nach treffen die weiteren Bandmitglieder ein, als letztes Konstantin, braun gebrannt wirkt er wie frisch aus dem Urlaub, dabei steckt ihm noch eine gerade überstandene Corona-Infektion in den Knochen.
Man hat schon länger nicht mehr zusammen gespielt, ist aus verschiedenen Ecken Süddeutschlands angereist. Umarmungen und ein kurzer Austausch zum Stand der Dinge.
Aber dann geht es gleich los mit dem Check. Mit „Du hattest keine Kindheit, mein Kind“hat ein Lied heute Premiere, obwohl Wecker es schon vor 20 Jahren geschrieben hat. Da müssen schon noch einige Details des Arrangements geklärt werden. Konstantin meint zu Jo: „Geh nicht mit dem neuen Akkord auf die Silbe ‚rot‘, denn der ist in Dur und wir sind gerade in so einer molligen Stimmung!“Doch eigentlich ist es Jo, der beim Proben das Sagen hat und sanft, aber deutlich pünktliche Einsätze anmahnt. Insgesamt herrscht eine konzentrierte, aber sehr entspannte Atmosphäre. Auch und gerade dem technischen Personal gegenüber ist der Tonfall außerordentlich respektvoll und zugewandt.
Sehr locker und aufgeräumt ist später die Stimmung in der Garderobe, zumal eine erste Untersuchung eine schlimme Verletzung von Jos Knie ausgeschlossen hat. Er betont, wie gerne sie in Saarbrücken und gerade in der Congresshalle spielen, was auch daran liege, dass er und der Saxofonist Norbert Nagel vor 20 Jahren schon mehrfach beim PreMaBüBa aufgetreten sind. Ganz schön vielseitig sind diese Musiker.
Fast pünktlich um 20 Uhr wird das Saallicht gelöscht, die Band beginnt aus dem Dunkel mit einem Intro zu „Der Wahnsinn schleicht durch die Nacht“, das wie manche anderen Arrangements deutliche Anklänge an die Neue Musik aufweist. Der Meister hingegen schleicht sich von hinten durch den Saal auf die Bühne, schon jetzt vom Publikum in der fast ausverkauften Congresshalle gefeiert. Im Programm finden sich dann viele der alten „Hits“wie „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“oder „Was ich an dir mag“in neuen, inspirierten Arrangements. Außer einem flammenden Appell gegen Antisemitismus formuliert Wecker diesmal in seinen Zwischentexten (die er sicherheitshalber vom
Prompter abliest) kaum tagesaktuelle Statements; mehr allgemeingültige, in denen er seine pazifistischen, anarchistischen und spirituellen Werte propagiert.
Zu einem emotionalen Höhepunkt wird dann die Premiere von „Du hattest keine Kindheit“, an das sich Hannes Waders „Es ist an der Zeit“anschließt, für Konstantin das wichtigste Antikriegslied in deutscher Sprache. Wie gewohnt reißen seine aufrüttelnden und rebellischen Lieder wie „Schäm dich
Europa“oder „Sag nein“besonders mit. Aber was das Programm dominiert, sind die ruhigen, berührenden und poetischen Töne. Der 76-Jährige, der ja nicht immer so gelebt hat, dass er ein solches Alter erreichen müsste, ist nicht mehr die Rampensau, die auf den Flügel steigt. Er wirkt immer bescheidener, fast demütig. Am Flügel begleitet er sich allein nur noch selten. Nach strahlenden Tenorhöhen strebt er auch nicht mehr oft, dafür werden seine Lagen in der Mitte und Tiefe immer wärmer. Die Eindringlichkeit seiner Präsenz erscheint nach wie vor unwiderstehlich.
Und dann gibt es ja auch noch seine fantastische Band: Nur einen Drummer darf man Professor Jürgen Spitschka nicht nennen. Vom Drumset über viele Idiophone bis hin zur Marimba springt er zwischen den Instrumenten hin und her, super präzise, aber nie sich in den Vordergrund spielend. Auf nicht weniger als fünf verschiedenen Blasinstrumenten steuert Norbert Nagel begeisternde, stilistisch vielfältige Soli bei, besonders schön dabei die auf der Bassklarinette. Und der wunderbar warme Celloton von Fanny Kammerlander, die ganz nebenbei auch noch Bass und Ukulele spielt, schmiegt sich förmlich an Konstantins Bariton an.
Ganz wie früher endet das dreistündige Konzert („Ich werde zwar älter, aber meine Konzerte deswegen nicht kürzer“) mit einem ausführlichen Zugabenblock. Das Publikum feiert die bekannten Hymnen, (wobei man sich bei „Gracias a la vida“doch eine authentischere Interpretation wünscht) mit standing ovations, bevor es Konstantin mit der spirituellen Kraft von „Jeder Augenblick ist ewig“auf den Heimweg entlässt. Jo zeigt sich nach dem Konzert sehr zufrieden. „Saarbrücken ist immer super. Das Publikum ist hier besonders offen und begeisterungsfähig. Das muss was mit der saarländischen Lebensart zu tun haben. Das kannst du ruhig schreiben!“– Gesagt, getan.
„Das Publikum ist hier besonders offen und begeisterungsfähig.“Jo Barnikel Pianist und musikalischer Leiter bei Konstantin Weckers Konzert