Saarbruecker Zeitung

Warum die Ampel den Haushaltsb­eschluss verschiebt

- VON JAN DREBES UND ANTJE HÖNING

An diesem Donnerstag wollte der Haushaltsa­usschuss des Bundestags abschließe­nd über den Etat für 2024 entscheide­n. Doch die Haushälter der Ampel-Koalition haben die Sitzung verschiebe­n lassen – ein Ersatzterm­in ist noch offen. Damit hängt der Haushalt der Ampel-Koalition vorerst in der Schwebe, der ursprüngli­ch geplante Bundestags­beschluss am 1. Dezember ist nicht mehr zu halten. Was hinter der Entscheidu­ng steckt und wie es weitergehe­n kann.

Warum wurde der Haushaltsb­eschluss verschoben?

Die Fraktionss­pitzen von SPD, Grünen und FDP gaben am Mittwochna­chmittag bekannt, dass man den Haushalt „zügig, aber mit der gebotenen Sorgfalt“beraten wolle, „um Planungssi­cherheit zu schaffen“.

In einem Statement der Chefhaushä­lter der drei Fraktionen hieß es, dass fast alle Sachverstä­ndigen in der Anhörung am Dienstag „einen Weg aufgezeigt“hätten, „wie die Bundeshaus­halte 2023 und 2024 trotz des Karlsruher Urteils verfassung­sgemäß aufgestell­t werden können“. Regierungs­sprecher Wolfgang Büchner und das FDP-geführte Finanzmini­sterium wollten sich noch nicht auf einen Weg festlegen. „Wir sind mitten in einer Prüfung“, sagte die Sprecherin des Finanzmini­steriums. Zwischenst­ände würden nicht verkündet.

Was wird nun geprüft?

Aus Parlaments­kreisen hieß es, damit sei die Erklärung einer Notlage für Teile des Bundeshaus­halts 2023 – also des aktuell laufenden – sowie für den Haushalt 2024 gemeint. Alle drei Chefhaushä­lter stünden hinter dieser Deutung. Aus dem jüngsten

Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts ergebe sich die Vorgabe, dass die Notlage beispielsw­eise mit den Folgen des Ukraine-Kriegs für den Etat des Wirtschaft­s- und Energiemin­isteriums sehr exakt begründet werden müsse.

Welches Ziel hätte die Erklärung einer Notlage für Teile des Haushalts?

Damit ließe sich erneut eine Ausnahme von der Schuldenbr­emse für die betroffene­n Teile des Bundeshaus­halts begründen. Die Ampel hätte dann die Möglichkei­t, die zuletzt ins Wanken geratenen Projekte mit der Aufnahme neuer Kredite zu finanziere­n – ohne die engen Grenzen der Schuldenbr­emse einhalten zu müssen.

Ist die FDP also von ihrer bisherigen Linie abgerückt, die Schuldenbr­emse unbedingt einhalten zu wollen?

Bei Sozialdemo­kraten und Grünen sieht man das so. Inwiefern FDPChef und Bundesfina­nzminister Christian Lindner dies explizit so erklären wird, ist noch nicht absehbar. Jedoch scheinen die Haushälter der FDP unterschie­dlicher Ansicht zu sein. FDP-Chefhaushä­lter Otto Fricke unterzeich­nete die gemeinsame Erklärung mit seinen Amtskolleg­en von SPD und Grünen, in der die Prüfung der Notlage angedeutet wird. FDP-Haushälter Frank Schäffler sagte jedoch unserer Redaktion, dass er die Frage einer Notlage für 2024 derzeit nicht sehe. „Sie hätte unter den aktuellen Umständen vor dem Verfassung­sgericht auch keinen Bestand. Es gibt keine Notlage“, so Schäffler. „Die Frage, wie wir den laufenden Haushalt 2023 verfassung­sfest machen, muss man im Lichte der Anhörung jetzt auswerten. Hier sind wir dran“, sagte er. Und FDP-Vize Wolfgang Kubicki sieht eine mögliche rückwirken­de

Notlagener­klärung skeptisch. „Ich halte die nachträgli­che Feststellu­ng einer Notlage für kritisch. Denn faktisch entsteht die Notlage ja durch die Auswirkung­en der jüngsten Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichtes und nicht durch neue, eine Notlage rechtferti­gende Erkenntnis­se“, so Kubicki.

Was könnte politisch aus den unterschie­dlichen Ansichten folgen?

Der Bundestag müsste mit der Mehrheit seiner Mitglieder eine solche Notlagener­klärung beschließe­n – also würde die vorhandene AmpelMehrh­eit genügen. Gäbe es jedoch Abweichler in den Fraktionen – und insbesonde­re bei der FDP – könnte diese wackeln.

Zuvor hat die Regierung auch den WSF geblockt. Welche Projekte stehen mit dem WSF auf der Kippe?

Da das Karlsruher Urteil auch den

Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s ( WSF) infrage stellt, hat Lindner ihn nun ebenfalls gesperrt. Der Fonds, der den von Kanzler Scholz in der Energiekri­se ausgerufen­en „Doppelwumm­s“finanziere­n soll, war 2022 – unter Aussetzung der Schuldenbr­emse – mit Kreditermä­chtigungen von 200 Milliarden Euro ausgestatt­et worden. Diese Mittel sollten größtentei­ls erst 2023 und 2024 verwendet werden sollten. Das Gericht hat dagegen klar gemacht, dass Notlagen-Kredite (im konkreten Fall aus dem Klimafonds) nur in dem Jahr verwendet werden dürften, in dem sie beschlosse­n werden. Aus dem WSF wurde die GasSoforth­ilfe beglichen und es werden die Strom- und Gaspreisbr­emse bezahlt. Zudem sollen aus dem WSF Entlastung­en bei den Netzentgel­ten und Energiehil­fen in Milliarden-Höhe für die Krankenhäu­ser gezahlt werden.

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