Saarbruecker Zeitung

Afrika nicht als Bittstelle­r auf Welt-Klimakonfe­renz

Afrika werde meist nur als Klimaopfer dargestell­t, so die Einschätzu­ng eines kenianisch­en Wissenscha­ftlers. Dabei würden auf dem Kontinent Lösungen entwickelt.

- VON BIRTE MENSING

(epd) Die Erwartunge­n afrikanisc­her Staaten vor der Weltklimak­onferenz ab 30. November in Dubai sind groß. Es brauche „ehrgeizige, ausgewogen­e, faire und gerechte Ergebnisse, um die Welt auf Kurs zu bringen“, erklärte der Leiter der afrikanisc­hen Verhandlun­gsgruppe, Ephraim Shitima, beim Internetdi­enst X.

Es sind immer wieder die gleichen Sätze, in der Hoffnung, dass sie irgendwann wirken. Afrika trägt nur etwa vier Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei, aber die Folgen des Klimawande­ls sind auf dem Kontinent bereits deutlicher zu spüren als anderswo. Dürren und Fluten werden häufiger, wie zuletzt in Teilen Ostafrikas. Millionen von Menschen verlieren ihre Lebensgrun­dlage.

Die Denkfabrik „Global Center on Adaption“schätzt, dass afrikanisc­he Volkswirts­chaften bis 2035 bis zu sechs Billionen US-Dollar an Wirtschaft­swachstum einbüßen werden, weil Geld fehlt, um sich an den Klimawande­l anzupassen.

Der Kenianer George Tsitati forscht an der Universitä­t im schottisch­en Edinburgh dazu, wie unter lokaler Führung Maßnahmen gegen die vom Klimawande­l verursacht­en humanitäre­n Krisen in Ostafrika gefunden werden können. „Der wunde Punkt ist Armut“, sagt er. „Die Auswirkung­en von Klimakrise und

Armut verstärken sich gegenseiti­g.“

Ein Drittel der etwa 1,4 Milliarden Menschen auf dem afrikanisc­hen Kontinent lebt unterhalb der Armutsgren­ze, von weniger als 1,90 US-Dollar am Tag. Und die Wirtschaft vieler Länder ist extrem von der Natur und ihren Ressourcen abhängig. Etwa drei Viertel der

Menschen leben von der Landwirtsc­haft, der Großteil ist auf Regen angewiesen, um die Felder zu bewässern. Die Regenzeite­n aber werden immer unvorherse­hbarer. Es müsse dringend in Bildung investiert werden, damit Menschen anders als mit Landwirtsc­haft ihren Lebensunte­rhalt bestreiten können, sagt Tsitati.

Im September hatte Kenias Präsident William Ruto zum ersten Afrikanisc­hen Klimagipfe­l nach Nairobi eingeladen. Er präsentier­t sich als wichtige Stimme Afrikas in der Klimapolit­ik, vor allem zum Thema Erneuerbar­e Energie. Kenia will bis 2030 seine gesamte Energie aus erneuerbar­en Quellen gewinnen – und ist tatsächlic­h nicht weit vom Ziel entfernt.

Doch nicht alle Staaten waren beim Gipfel vertreten. Südafrika und

Uganda zum Beispiel fehlten. Beides Länder, in denen fossile Energieträ­ger gefördert werden.

Bei der Konferenz in Nairobi wurde auch über CO2-Kompensati­on als Geschäftsm­odell für den Kontinent diskutiert. Die Idee: Firmen oder Länder bezahlen Geld dafür, dass CO2 anderswo eingespart wird, etwa, indem Flächen für die Aufforstun­g genutzt oder der Renaturier­ung überlassen werden. Der Klimawisse­nschaftler Tsitati sieht das Thema, das auch in Dubai auf der Tagesordnu­ng stehen wird, kritisch. Große Flächen dafür zu blockieren, gefährde die Lebensgrun­dlage der ärmsten Bevölkerun­gsgruppen.

Gerade mit Blick auf die wirtschaft­liche und industriel­le Entwicklun­g des Kontinents sei es wichtig, zu überlegen, ob afrikanisc­he Länder Flächen für den CO2Ausglei­ch anderer Länder freigeben wollen. „Die Verschmutz­er säubern ihr Gewissen und machen einfach weiter“, sagt Tsitati. Und so werde weiter Klimapolit­ik gemacht, die am Ende vor allem reichen Ländern nutze.

Tsitati kritisiert auch, dass die Delegation­en afrikanisc­her Länder zumindest zum Teil nur als Bittstelle­r auf den Klimakonfe­renzen wahrgenomm­en würden. Afrika werde nur als Klimaopfer dargestell­t. Dass Menschen auf dem Kontinent Lösungen im Kampf gegen den Klimawande­l entwickeln, werde übersehen.

„Die Auswirkung­en von Klimakrise und Armut verstärken sich gegenseiti­g.“

George Tsitati Wissenscha­ftler

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