Was der Deal von Israel und Hamas bedeutet
Dutzende Geiseln sollen freikommen und die Waffen im Gazastreifen mehrere Tage ruhen. Von der Einigung profitieren nicht nur die Entführten aus Israel, sondern womöglich auch eine der beiden Kriegsparteien.
(dpa) Israel und die islamistische Hamas haben einem Austausch israelischer Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zugestimmt. Die Einigung sieht auch eine Kampfpause im Gaza-Krieg von vier bis maximal zehn Tagen vor. Die Feuerpause im Gazastreifen beginnt nach Angaben der islamistischen Hamas an diesem Donnerstag um 10 Uhr Ortszeit (9 Uhr MEZ). Währenddessen könnten in mehreren Schritten bis zu 100 im Gazastreifen festgehaltene Geiseln aus Israel und bis zu 300 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikommen.
Was bedeutet die Feuerpause für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen?
Die ohnehin notleidenden Menschen in Gaza sind nach sechs Wochen Krieg zermürbt. Mehr als 14 000 Menschen wurden nach Angaben der Hamas getötet, 1,7 Millionen der UN zufolge vertrieben. Eine Feuerpause könnte jetzt die Gelegenheit geben, zumindest ein paar dringende Erledigungen nachzuholen. Aber es fehlt an so
ziemlich allem: Essen, Wasser und Arzneimittel sind sehr knapp, und auch die Chancen auf ärztliche Behandlung. Von zuvor 3500 Betten in Krankenhäusern gibt es laut UN jetzt noch 1400 – dabei gibt es immer mehr Menschen, die auf eine Behandlung warten. Der Deal sieht der Hamas zufolge auch vor, dass 300 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen einfahren.
Wer sind die Geiseln, die freigelassen werden sollen?
Bei den ersten 50 der bis zu 100 Geiseln, die voraussichtlich ab Donnerstag schrittweise freigelassen
werden, handelt es sich israelischen Medien zufolge um 30 Minderjährige, acht Mütter sowie zwölf ältere Frauen. Sie alle sollen die israelische Staatsbürgerschaft haben. Über die Identität der womöglich danach freikommenden Entführten ist bislang nichts bekannt. Israelischen Medien zufolge muss es sich aber um israelische Staatsbürger oder Einwohner des Landes handeln.
Wie ist die Lage der Geiseln im Gazastreifen?
Wie viele der etwa 240 am 7. Oktober entführten Menschen noch am Leben sind und wo sie im Gazastreifen
festgehalten werden, ist unklar. Die Armee vermutet, die Menschen, darunter auch deutsche Staatsbürger, könnten in den Tunneln der Hamas versteckt sein.
Wer sind die palästinensischen Häftlinge, die Israel freilassen wird?
Israel veröffentlichte eine Liste von insgesamt 300 Personen, die freikommen könnten. 123 der dort aufgeführten 300 Palästinenser sind Jugendliche unter 18 Jahren. Die Jüngsten sind demnach 14 Jahre. 33 Häftlinge sind laut der Auflistung Mädchen und Frauen.
Aktuell sitzen laut der Menschenrechtsorganisation Betselem 4500 Palästinenser in israelischen Gefängnissen.
Wie läuft der Austausch der Gefangenen ab?
Die Hamas wird laut israelischen Medien zunächst 10 bis 13 Geiseln pro Tag freilassen. Berichten zufolge sollen die Menschen über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten und von dort mit Hubschraubern nach Israel gebracht werden.
Profitiert die Hamas von der Feuerpause?
Während der Feuerpause sollen nach Angaben der Hamas im Süden des Küstenstreifens die israelischen Flugbewegungen komplett eingestellt werden und im Norden täglich für sechs Stunden. In Israel gibt es Befürchtungen, dass die Hamas die Zeit nutzen könnte, um sich neu aufzustellen, und gestärkt aus der Feuerpause hervorgehen könnte.
Wie stehen die Chancen für einen langfristigen Waffenstillstand?
Schlecht, Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat betont, dass der Krieg auch nach der Umsetzung des Abkommens fortgeführt werde, „bis wir alle unsere Ziele erreicht haben“. Dazu gehörten die Eliminierung der Hamas sowie die Rückkehr aller Geiseln. Zudem dürfe es in Gaza keine Bedrohung für Israel mehr geben. Die Hamas wiederum hat das Ziel der Einrichtung eines islamisch geprägten Staates auf dem Gebiet des gesamten historischen Palästinas. Den Staat Israel will die Hamas zerstören.
Warum sind Katar und Ägypten als Vermittler wichtig?
Katar wie Ägypten nehmen eine Schlüsselrolle ein bei den Verhandlungen. Beide haben langjährige Beziehungen zur Hamas, die vom Westen als Terrororganisation eingestuft wird. Katar baute die Kontakte schon seit den 1990er Jahren aus und soll den Gazastreifen mit 2,1 Milliarden US-Dollar unterstützt haben. Katar beheimatet auch Hamas-Chef Ismail Hanija. Ägypten hat im Nahen Osten auch eine wichtige Stellung dank seiner langen Beziehungen zu Israel. Die beiden Länder hatten 1979 einen Friedensvertrag geschlossen.
Von zuvor 3500 Betten in Krankenhäusern im Gazastreifen gibt es laut UN jetzt noch 1400.
Welche Erfahrungen hat Israel bisher mit der Befreiung von Geiseln gemacht?
Als umstritten gilt bis heute der Gefangenenaustausch zur Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Schalit, der 2006 entführt wurde und mehrere Jahre in Gefangenschaft der Hamas war. Er wurde 2011 im Tausch für mehr als 1000 palästinensische Häftlinge freigelassen. Dabei kam auch der Hamas-Chef im Gazastreifen frei, Jihia al-Sinwar. 1994 war zudem der 19-jährige Nachschon Wachsmann im Westjordanland verschleppt worden. Bei dem Versuch, ihn zu befreien, kamen der Entführte, ein weiterer Soldat und drei Hamas-Mitglieder ums Leben.