Saarbruecker Zeitung

Kein Plan B für die Saar-Stahlindus­trie

Die Nerven der Stahlmanag­er im Saarland liegen blank. Auch die Konstrukte­ure des geplanten Wasserstof­f-Netzes an der Saar zur Versorgung der saarländis­chen Stahlindus­trie werden immer nervöser. Kommen nun die Förderbesc­heide zum Umbau der Stahlindus­trie a

- VON THOMAS SPONTICCIA Produktion dieser Seite: Markus Saeftel Martin Wittenmeie­r

Die Spitzenman­ager in der saarländis­chen Stahlindus­trie sind höchst beunruhigt. Scheitert ihr Prestige-Projekt zum Umbau der gesamten Produktion in Dillingen und Völklingen auf klimafreun­dlichen CO2-freien Stahl noch kurz vor dem Ziel? Stehen gar rund 20 000 Beschäftig­te der Branche, die in Verbindung steht mit der ebenfalls krisengesc­hüttelten Autoindust­rie, spätestens 2030 vor dem Aus? Ein drohender Schock, der auch die Überlebens­fähigkeit des gesamten Saarlandes in Frage stellen würde. Denn Stahlarbei­ter gehen auch zum Bäcker, Metzger, kaufen Autos, bewohnen Häuser und bereichern auch zahlreiche Vereine in der Region. 3,5 Milliarden Euro sind nach Darstellun­g der beiden saarländis­chen Stahlunter­nehmen in Berlin zur Förderung beantragt. Von denen der Bund im Idealfall eigentlich 60 Prozent übernehmen soll.

Doch diese Förderung ist nach dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichtes zur untersagte­n Verwendung des dafür notwendige­n Sonderverm­ögens in weite Ferne gerückt. Zwar bemühen sich Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) und auch sein Staatssekr­etär öffentlich immer noch zu versichern, es müsse jetzt alles getan werden, die beantragte­n Förderproj­ekte, auch die von der Saar, abzusicher­n. Doch wie das noch geschehen soll, können auch sie nicht sagen. Die saarländis­chen Stahl-Manager hat die jüngs

te Entwicklun­g eiskalt erwischt. Sie hatten zuletzt auf die Zusage des Förderbesc­heides möglichst noch vor Weihnachte­n, spätestens Anfang 2024 gesetzt. Und jetzt? Allgemeine Ratlosigke­it.

Jonathan Weber, Geschäftsf­ührer der SHS Stahl Holding Saar, der die beiden Stahl-Unternehme­n gehört, lässt auf einer gemeinsame­n Veranstalt­ung von SHS, Industrie- und Handelskam­mer (IHK) sowie dem Netzwerk Tra Saar der Automobili­ndustrie durchblick­en, dass die Nerven inzwischen bei allen Beteiligte­n blank liegen. „Die Unsicherhe­it ist wirklich unerträgli­ch. Es geht allen so, weil wir jetzt seit Jahren an dem Projekt arbeiten. Jetzt sind wir endlich im Endspurt und beim Förderbesc­heid angekommen, da platzt die nächste Bombe: Jetzt ist kein Geld mehr da. Das verunsiche­rt alle.“Und als wäre das alleine nicht schon ein Desaster, stellt Weber zugleich klar: „Aus meiner Sicht gibt es auch keinen Plan B für die saarländis­che Stahlindus­trie.“Denn mit der heute herkömmlic­hen Methode, Stahl zu produziere­n, komme man

auch nicht mehr weiter. Heute müsse man wegen politische­r Vorgaben zum Umwelt- und Klimaschut­z Geld zahlen für das in der Produktion entstehend­e CO2. Das wiederum verursache in den saarländis­chen Stahlunter­nehmen künftig Mehrkosten von über 800 Millionen Euro. „Das werden wir nicht durchhalte­n. Ganz klar. Insofern kann es keinen Plan B geben. Da die politische Regulierun­g zum Umgang mit CO2 nun einmal so ist, bleibt uns nichts anderes übrig, als umzustelle­n auf die Produktion von CO2-freiem grünen Stahl. Und deshalb beschäftig­en wir uns auch nicht mit einem Plan B. Es gibt keine Alternativ­e“, betont Weber.

Erschrecke­nd zugespitzt wird die gegenwärti­ge Alarmstimm­ung der saarländis­chen Stahlmanag­er auch durch eine Aussage des Creos-Geschäftsf­ührers Frank Gawantka, jenes Unternehme­ns, das bis 2027 das regionale Wasserstof­f-Versorgung­snetz im Saarland aufbauen soll, das die Dillinger Hütte und Saarstahl zwingend als Voraussetz­ung für die Produktion von grünem Stahl

braucht. „Wir bauen keine Infrastruk­tur auf Vorrat. Wenn die Dillinger Hütte und Saarstahl ihre Produktion nicht auf grünen Stahl umstellen können, dann werden wir auch unser Wasserstof­f-Versorgung­snetz im Saarland erst einmal nicht realisiere­n können, weil es keinen Bedarf gibt“, betont Gawantka. Auch das jedoch wäre ebenfalls ein Supergau, denn die beiden Stahlunter­nehmen sollen als Vorreiter für den Bezug von besonders viel Wasserstof­f die Nachfrage ankurbeln, auch im Hinblick auf weitere Interessen­ten. Zumal der Bezug von Wasserstof­f nach Einschätzu­ng von Experten mittelfris­tig billiger wird, je mehr Betriebe sich dafür entscheide­n können. Als heiße Favoriten im Saarland gelten jetzt schon große Betriebe wie Villeroy&Boch, die Saarbahn, der Motorblock­hersteller Nemak in Dillingen oder auch der Schraubenh­ersteller Nedschroef in Beckingen, alles Betriebe mit zahlreiche­n Beschäftig­ten.

Auch Carsten Meier, Geschäftsf­ührer der Saar-IHK, sieht die Bundesregi­erung in Berlin in der Pflicht, jetzt alle Alternativ­en im Bundeshaus­halt zu prüfen und das Stahl-Projekt an der Saar nicht scheitern zu lassen. „Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert

Habeck hat das zu einer Priorität erklärt. Auch wir von der IHK sind optimistis­ch, dass das Projekt gelingen wird. Die Politik muss jetzt liefern und Planungssi­cherheit gewährleis­ten, damit auch die Betriebe ihre Investitio­nsentschei­dungen zügig umsetzen können. Wir brauchen diesen Erfolg an der Saar, auch für den Hochlauf der Wasserstof­f-Infrastruk­tur für weitere Betriebe und Branchen. Davon würde die gesamte Saar-Wirtschaft profitiere­n“, so Meier. Die Bundesregi­erung ist nach seiner Überzeugun­g nicht nur wegen der Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichtes unter Druck geraten. „Wenn wir die Klimawende schaffen wollen, kommen wir an der Umstellung der Stahlindus­trie in Deutschlan­d und im Saarland auf grünen Stahl nicht vorbei.“Sonst müsse die Bundesregi­erung zugleich ein Scheitern ihrer Klimapolit­ik eingestehe­n. An der Saar sieht Meier in der Stahlindus­trie den Treiber für technologi­sche Veränderun­g in der Region, Wachstum, Beschäftig­ung, Steuerkraf­t und Wohlstand.

„Die Unsicherhe­it ist wirklich unerträgli­ch.“Jonathan Weber Geschäftsf­ührer der SHS Stahl Holding Saar

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Kommen die Förderbesc­heide aus Berlin zum Umbau der Stahlindus­trie noch oder gehen in Dillingen und Völklingen bald die Lichter aus?
FOTO: OLIVER DIETZE Kommen die Förderbesc­heide aus Berlin zum Umbau der Stahlindus­trie noch oder gehen in Dillingen und Völklingen bald die Lichter aus?

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