Saarbruecker Zeitung

75 Jahre als Uni in einem Boot mit der Politik

„ Zukunft möglich machen“: Unter diesem Motto stand der Festakt am Mittwochna­chmittag in der Aula der Uni, zu dem auch die Ministerpr­äsidentin kam.

- VON CHRISTOPH SCHREINER

Universitä­tspräsiden­t Prof. Manfred Schmitt deutete es als „Zeichen großer Wertschätz­ung“, dass die Ministerpr­äsidentin zum Abschluss des Jubiläumsj­ahres der Uni selbst auf den Campus kam. Anke Rehlinger wiederum machte in ihrem Grußwort klar, dass sie in diesen gerade ungewissen Zeiten (etwa hinsichtli­ch des Fortbestan­ds des Transforma­tionsfonds) auch deshalb gerne gekommen sei, „weil das mal was Schönes ist“.

Rehlinger aber kam auch, um der Universitä­t des Saarlandes (UdS) die ihr gebührende Reverenz zu erweisen. Zu den „Insignien der Eigenständ­igkeit“des Saarlandes, die manche von außen in Frage stellten, gehöre seine Universitä­t als „Tor zur Welt“, wie Rehlinger es nannte, unbedingt hinzu. Fast 20 Prozent aller Wissenscha­ftler dort stammten aus dem Ausland, strich die Ministerpr­äsidentin heraus. Sie urühmte die Rolle der Uni als „Brücke in die Zukunft“. Ob ihre Äußerung, dass der Geist „in guten Gebäuden unterkomme­n“solle, eine Anspielung auf den gigantisch­en Investitio­nsstau an den beiden Standorten Saarbrücke­n und Homburg sein (und damit womöglich eine Aussicht auf Besserung andeuten) sollte, blieb offen.

Interpreta­tionsspiel­raum bot auch die Aussage Schmitts, der der Regierungs­chefin versichert­e, die Uni werde „weiterhin ein Fels in der Brandung sein“. War dies eine Art Replik auf Rehlingers Formulieru­ng, Land und Uni säßen „in einem Boot“, was die Herausford­erungen der Zukunft hier angingen? Ein Land, das keine Prosperitä­t – sprich keine Zukunftsin­dustrien – vorhalten könne, verliere an Attraktivi­tät und damit junge Leute, hatte die Ministerpr­äsidentin ausgeführt. Genau dies soll die eingeleite­te Transforma­tion verhindern.

Die frühere Uni-Präsidenti­n Margret Wintermant­el, aktuell Vorsitzend­e des Hochschulr­ates der UdS, skizzierte anschließe­nd im Zeichen von „Identität, Internatio­nalität und Innovation“maßgeblich­e Kennzeiche­n der Saarbrücke­r Uni. Typisch für diese sei die hohe Identifika­tion derer, die hier arbeiteten, „mit ihrer Universitä­t“, ferner ihre europäisch­e, ja internatio­nale Ausrichtun­g, die längst Teil ihrer DNA geworden sei und damit auch wesentlich­er Bestandtei­l ihrer sogenannte­n „Third Mission“-Aufgabe, „Motor der Innovation des Landes zu sein“. Wintermant­el setzte, auf charmante Weise, die eine oder andere Spitze in Richtung Politik, was die chronische Unterfinan­zierung der Landesuni anbelangt. Sie flocht erfrischen­de Anekdoten mit ein. Die Schönste kreiste um die sogenannte Integratio­n der damaligen Pädagogisc­hen Hochschule in die Uni, die laut politische­n Vorgaben „kostenneut­ral“zu erfolgen hatte. Weshalb der damalige

Leiter des Präsidialb­üros, Wolfgang Lorenz, Häftlinge für den Umzug anheuerte.

Von den Fallstrick­en politische­r Vorgaben handelte auch der historisch­e Festvortra­g von Prof. Armin Heinen, der an der RWTH Aachen neueste Geschichte lehrt und zuvor mehr als ein Jahrzehnt lang am hiesigen Historisch­en Institut war. Heinen rief diverse Einschnitt­e der universitä­ren Entwicklun­g seit 1948 in Erinnerung. Sei es, dass das in ihren französisc­h-saarländis­chen Anfängen singuläre Profil der Uni sich nach der Rückgliede­rung des Saarlandes 1956 allmählich verwässert­e. Oder sei es, dass die UdS, beginnend in den frühen 70ern und bis heute letztlich andauernd, wie alle Universitä­ten von politische­r Seite immer stärker einem neoliberal geprägten „Marktkalkü­l“, „Konkurrenz­und Leistungsd­enken“unterworfe­n worden sei. Heinen fasste dies in das Bild der „Uni als Unternehme­nsorganisa­tion“, betonte jedoch, dass Universitä­ten heute derart vielfältig und ambivalent seien, dass man von einem „Multiversu­m organisier­ter Anarchie“sprechen könne, das der Staat zum Glück nicht zügeln könne.

Nach Heinens anregendem Vortrag stand dann endlich das im Mittelpunk­t, was Uni-Präsident Manfred Schmitt „den krönenden Abschluss unseres Jubiläumsj­ahres“nannte: der 430 Seite dicke, von einem fünfköpfig­en Team um Dr. Thilo Offergeld in mehr als zweijährig­er Detailarbe­it erstellte Jubiläumsb­and, der die komplexe, wechselvol­le Uni-Geschichte in zahllosen Facetten einfängt. Als „historisch­es Rückgrat“(Offergeld) dienen umfangreic­he historisch­e Abrisse, die durch Porträts vieler für die Uni wichtiger Persönlich­keiten, aber auch durch die Würdigung und symbolisch­e Bedeutung von Orten und Gegenständ­en große Anschaulic­hkeit gewinnen. Zu Recht spendete die Festgesell­schaft Offergeld lange Applaus für diesen äußerst verdienstv­ollen, im Geistkirch Verlag druckfrisc­h erschienen­en Prachtband.

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FOTO: MOHR Den Festvortra­g hielt Prof. Armin Heinen, der in Aachen Geschichte lehrt.

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