75 Jahre als Uni in einem Boot mit der Politik
„ Zukunft möglich machen“: Unter diesem Motto stand der Festakt am Mittwochnachmittag in der Aula der Uni, zu dem auch die Ministerpräsidentin kam.
Universitätspräsident Prof. Manfred Schmitt deutete es als „Zeichen großer Wertschätzung“, dass die Ministerpräsidentin zum Abschluss des Jubiläumsjahres der Uni selbst auf den Campus kam. Anke Rehlinger wiederum machte in ihrem Grußwort klar, dass sie in diesen gerade ungewissen Zeiten (etwa hinsichtlich des Fortbestands des Transformationsfonds) auch deshalb gerne gekommen sei, „weil das mal was Schönes ist“.
Rehlinger aber kam auch, um der Universität des Saarlandes (UdS) die ihr gebührende Reverenz zu erweisen. Zu den „Insignien der Eigenständigkeit“des Saarlandes, die manche von außen in Frage stellten, gehöre seine Universität als „Tor zur Welt“, wie Rehlinger es nannte, unbedingt hinzu. Fast 20 Prozent aller Wissenschaftler dort stammten aus dem Ausland, strich die Ministerpräsidentin heraus. Sie urühmte die Rolle der Uni als „Brücke in die Zukunft“. Ob ihre Äußerung, dass der Geist „in guten Gebäuden unterkommen“solle, eine Anspielung auf den gigantischen Investitionsstau an den beiden Standorten Saarbrücken und Homburg sein (und damit womöglich eine Aussicht auf Besserung andeuten) sollte, blieb offen.
Interpretationsspielraum bot auch die Aussage Schmitts, der der Regierungschefin versicherte, die Uni werde „weiterhin ein Fels in der Brandung sein“. War dies eine Art Replik auf Rehlingers Formulierung, Land und Uni säßen „in einem Boot“, was die Herausforderungen der Zukunft hier angingen? Ein Land, das keine Prosperität – sprich keine Zukunftsindustrien – vorhalten könne, verliere an Attraktivität und damit junge Leute, hatte die Ministerpräsidentin ausgeführt. Genau dies soll die eingeleitete Transformation verhindern.
Die frühere Uni-Präsidentin Margret Wintermantel, aktuell Vorsitzende des Hochschulrates der UdS, skizzierte anschließend im Zeichen von „Identität, Internationalität und Innovation“maßgebliche Kennzeichen der Saarbrücker Uni. Typisch für diese sei die hohe Identifikation derer, die hier arbeiteten, „mit ihrer Universität“, ferner ihre europäische, ja internationale Ausrichtung, die längst Teil ihrer DNA geworden sei und damit auch wesentlicher Bestandteil ihrer sogenannten „Third Mission“-Aufgabe, „Motor der Innovation des Landes zu sein“. Wintermantel setzte, auf charmante Weise, die eine oder andere Spitze in Richtung Politik, was die chronische Unterfinanzierung der Landesuni anbelangt. Sie flocht erfrischende Anekdoten mit ein. Die Schönste kreiste um die sogenannte Integration der damaligen Pädagogischen Hochschule in die Uni, die laut politischen Vorgaben „kostenneutral“zu erfolgen hatte. Weshalb der damalige
Leiter des Präsidialbüros, Wolfgang Lorenz, Häftlinge für den Umzug anheuerte.
Von den Fallstricken politischer Vorgaben handelte auch der historische Festvortrag von Prof. Armin Heinen, der an der RWTH Aachen neueste Geschichte lehrt und zuvor mehr als ein Jahrzehnt lang am hiesigen Historischen Institut war. Heinen rief diverse Einschnitte der universitären Entwicklung seit 1948 in Erinnerung. Sei es, dass das in ihren französisch-saarländischen Anfängen singuläre Profil der Uni sich nach der Rückgliederung des Saarlandes 1956 allmählich verwässerte. Oder sei es, dass die UdS, beginnend in den frühen 70ern und bis heute letztlich andauernd, wie alle Universitäten von politischer Seite immer stärker einem neoliberal geprägten „Marktkalkül“, „Konkurrenzund Leistungsdenken“unterworfen worden sei. Heinen fasste dies in das Bild der „Uni als Unternehmensorganisation“, betonte jedoch, dass Universitäten heute derart vielfältig und ambivalent seien, dass man von einem „Multiversum organisierter Anarchie“sprechen könne, das der Staat zum Glück nicht zügeln könne.
Nach Heinens anregendem Vortrag stand dann endlich das im Mittelpunkt, was Uni-Präsident Manfred Schmitt „den krönenden Abschluss unseres Jubiläumsjahres“nannte: der 430 Seite dicke, von einem fünfköpfigen Team um Dr. Thilo Offergeld in mehr als zweijähriger Detailarbeit erstellte Jubiläumsband, der die komplexe, wechselvolle Uni-Geschichte in zahllosen Facetten einfängt. Als „historisches Rückgrat“(Offergeld) dienen umfangreiche historische Abrisse, die durch Porträts vieler für die Uni wichtiger Persönlichkeiten, aber auch durch die Würdigung und symbolische Bedeutung von Orten und Gegenständen große Anschaulichkeit gewinnen. Zu Recht spendete die Festgesellschaft Offergeld lange Applaus für diesen äußerst verdienstvollen, im Geistkirch Verlag druckfrisch erschienenen Prachtband.