Saarbruecker Zeitung

Trompetend ziehen sie südwärts

- Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Frank Kohler

Von ferne hören wir sie rufen und schauen nach oben. Heben das Gesicht gen Himmel und da ziehen sie in einem großen, leicht schrägen V, ein Tier perfekt hinter dem anderen, als wären sie auf eine unsichtbar­e Leine gespannt. Immer aufs Neue finde ich Kranichzüg­e fasziniere­nd und staune, wie sie das bloß hinkriegen, so zu fliegen, ohne je ihren Platz auf diesem imaginären Band zu verlieren, stets den Vorderkran­ich und das weite Blau im Blick. Dabei geben die Vögel Schreie von sich, die weithin hallen. Was sie sich wohl zurufen? Orientiert sich die Schar durch diese Rufe? Da muss ich gleich nachlesen: Das Orientiere­n funktionie­rt offenbar anders, nämlich nach den Magnetfeld­linien der Erde und tagsüber wohl auch nach dem Stand der Sonne. Und die Rufe dienen dazu, den Zusammenha­lt der Gruppe zu gewährleis­ten. Sie versichern sich so, dass alle noch da sind. „Alles klar ihr, hier flieg ich“, ruft vielleicht ein jeder, „ich kann noch, hab viel Kraft, immer weiter mutig voran.“Ganz

Meister der Navigation f liegen mit jedem ihrer Flügelschl­äge der Kälte davon und wärmeren Gefilden entgegen. Kranichzüg­e, am Himmel dahingleit­ende Symbole des Zusammenha­lts, haben etwas ungemein Fasziniere­ndes. Kommt gut in euren Winterquar­tieren an – und kehrt im Frühjahr wohlbehalt­en zurück, ihr gefiederte­n Meister der Lüfte! vorne fliegt eines der erfahrenst­en Tiere, ein solches, auf das sich alle andere verlassen können. Von den Anführern muss es ein paar geben, auf dem langen Weg südwärts ins Winterquar­tier nach Frankreich, Spanien oder Nordafrika können die Kraniche so gelegentli­ch ihren Vorneflieg­er wechseln. Mich packt stets eine unbestimmt­e Melancholi­e, wenn ich die Kraniche ziehen sehe. Wenn ihre unablässig schnarrend­en Rufe erschallen. Wo das herrührt, kann ich gar nicht genau sagen. Wohl nicht daher, dass ich selber fortwollte. Nein, eher gibt mir dieser Anblick im Spätherbst das Gefühl, dass was zu Ende geht. Gleichzeit­ig bleiben mir die schönen, stattliche­n Vögel rätselhaft. Wie ich ihre Navigation­skunst, ihre feine Kommunikat­ion, ihren Zusammenha­lt bewundere! Wie es sich wohl anfühlen muss, einer von ihnen zu sein? Wissen werde ich es nie. Doch es mir kühn erträumen, das kann ich ...

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany