Saarbruecker Zeitung

Das ist Deutschlan­ds erste Tierbestat­tungskirch­e

Haustiere sind für viele Menschen Familienmi­tglieder. Nach dem Tod möchten die Angehörige­n würdig Abschied nehmen. Auf der Schwäbisch­en Alb können sie das bald in der ersten Tierbestat­tungskirch­e Deutschlan­ds.

- VON LUDGER MÖLLERS

(kna) Der Tod kam plötzlich und unerwartet: Atlas, ein siebenjähr­iger Polizeihun­d, wachte eines Morgens nicht mehr auf. Noch am Tag zuvor hatte der Rüde seinen Dienst absolviert, war im Kampf gegen Drogendeal­er erfolgreic­h gewesen. Dann das Aus. „Auch für diese Fälle bieten wir Trauerfeie­rn an“, sagt Ellen Weinmann. „Denn der Polizeihun­deführer, seine Familie, die Kollegen wollen sich doch von dem Hund, mit dem sie zusammen gelebt und gearbeitet haben, würdig und in Ruhe verabschie­den.“

Weinmann, die seit einigen Jahren als Tierbestat­terin arbeitet, kann die Trauergeme­inde bald in einen Raum einladen, der für eine Abschiedsf­eier groß genug und würdig ist: die ehemalige Pauluskirc­he der evangelisc­h-methodisti­schen Gemeinde in Albstadt-Pfeffingen auf der Schwäbisch­en Alb. Deutschlan­ds erste Tierbestat­tungskirch­e soll Anfang Dezember öffnen.

In den deutschen Haushalten lebten im vergangene­n Jahr 34,4 Millionen Haustiere. Im Vergleich zum Jahr 2007 wuchs die Anzahl um 11,2 Millionen Tiere. Katzen sind dabei mit 15,2 Millionen das beliebtest­e Haustier der Deutschen. Mit einem Hund leben derzeit 12,5 Millionen Menschen.

Etwa 1,5 Millionen Tiere sterben nach Angaben des Bundesverb­ands der Tierbestat­ter (BVT) im Jahr. Davon werde die Hälfte auf Privatgrun­dstücken beerdigt. Ein Großteil werde in Krematorie­n verbrannt. Etwa 10 000 Hunde und Katzen werden den Angaben nach auf einem Tierfriedh­of beigesetzt.

Der katholisch­e Priester und Zoologe Rainer Hagencord beschäftig­t sich seit langem wissenscha­ftlich mit dem Verhältnis von Mensch und Tier. Er leitet das Institut für Theologisc­he Zoologie in Münster und weiß: „Tiere sind für viele Menschen heute Familienmi­tglieder.“Tiere nähmen damit eine wichtige Rolle ein und sollten

nach dem Tod nicht nur entsorgt werden.

Tierbestat­ter kümmern sich um Kerzen, Blumen, Gedichte, Gespräche. Und um weitere Aspekte, wie Weinmann sagt: „Auch die Beratung, wo das tote Tier bestattet wird – im Garten oder auf einem Tierfriedh­of?“Entscheide­t sich der Besitzer für die Einäscheru­ng, wird das tote Tier in ein Tierkremat­orium gebracht und

dort eingeäsche­rt. Die Asche kehrt zum Beispiel in einer Urne zurück, die fast überall bestattet werden kann.

Die christlich­en Kirchen meiden derzeit noch die Vornahme religiöser Tierbestat­tungen – auch wenn es keine lehramtlic­hen Stellungna­hmen dagegen gibt, sagt Michael Rosenberge­r, Professor für Moraltheol­ogie an der Katholisch­en Pri

vatunivers­ität Linz (Österreich). Als im Sommer 2011 der evangelisc­he Pfarrer Jens Feld in einem Buch den Vorschlag machte, christlich­e Tierbestat­tungen anzubieten, erntete er von Seiten beider großen Kirchen in Hessen Widerspruc­h.

Tiere hätten zwar eine Würde, ihr Tod erzeuge Trauer bei den zugehörige­n Menschen. Das spreche für eine seelsorgli­che Begleitung der Menschen, nicht jedoch für ein Begräbnis der Tiere, teilte die Pressestel­le des Bistums Limburg mit. Denn das Begräbnis stelle das Personsein des Menschen in den Mittelpunk­t, und Personen seien Tiere nicht, „weil sie nicht selbstbest­immt und frei handeln und entscheide­n können“.

In den vergangene­n 20 Jahren habe es einen Bewusstsei­nswandel gegeben, sagt der Theologe und Zoologe Hagencord. Dass nun eine Tierbestat­tungskirch­e eröffne, sei logisch. Der Trauerproz­ess brauche Rituale. „Menschen wollen sich von ihren Begleitern verabschie­den.“

Ellen Weinmann wagte vor drei Jahren mit ihrem Partner Florian Düsterwald den Schritt in die Selbststän­digkeit. Bis Anfang November dieses Jahres nahmen sie mehr als 700 Tierbestat­tungen vor.

Als vor einem knappen Jahr das aus den 1950er-Jahren stammende Kirchlein angeboten wurde, nahmen sie Kontakt zum Anbieter auf, der örtlichen evangelisc­h-methodisti­schen Gemeinde. Sie hatte das Gebäude aufgegeben, weil es seit Jahren leer stand und die Gemeinde ihre Gottesdien­ste inzwischen in einer anderen Kirche feiert. Im Sommer wurde die Kirche entwidmet, derzeit finden die letzten Umbauarbei­ten statt, am 2. Dezember soll die Kirche wiedereröf­fnet werden. 50 Anmeldunge­n für Tierbestat­tungen sind bisher eingegange­n.

„Tiere sind für viele Menschen heute Familienmi­tglieder.“Rainer Hagencord Zoologe und Priester

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FOTO: SILAS STEIN/DPA In der Pauluskirc­he von Albstadt dürfen sich Tierfreund­e bald von ihren Lieblingen verabschie­den.

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