Saarbruecker Zeitung

Saarland will bei Geothermie aufholen

Bislang hängt das Land bei der Erdwärme hinterher. Nun sollen zumindest mal Daten bereitgest­ellt werden.

- VON LOTHAR WARSCHEID

„Wir haben riesige Mengen an Energie unter unseren Füßen.“Der Bergbauing­enieur Thomas Neu brachte es mit diesem Satz auf den Punkt, wie er sich eine Zukunft vorstellt, in der die fossilen Energieträ­ger Kohle, Öl und Gas nicht mehr unsere Häuser heizen, sondern die Wärme aus den Tiefen der Erde. Geothermie heißt diese Form der Energiegew­innung; Neu moderierte eine Veranstalt­ung der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Saar, die sich mit „Geothermie im Saarland – Potenziale und Perspektiv­en“beschäftig­te.

Der Ist-Zustand an der Saar ist allerdings ernüchtern­d. „Neben Sachsen-Anhalt ist das Saarland das einzige Bundesland ohne ein Geothermie-Projekt“, bilanziert­e Professori­n Inga Moeck, Hochschull­ehrerin an der Universitä­t Göttingen und Leiterin der Sektion „Geothermik & Informatio­nssysteme“am Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (Liag) in Hannover. Zudem lägen für das Saarland kaum Geodaten vor, anhand derer Tiefenbohr­ungen mit guter Aussicht auf Erfolg vorangetri­eben werden könnten.

Hier gibt es erste Hoffnungsz­eichen. Vor wenigen Wochen ist das Saarland dem Verbund-Vorhaben Wärme-Gut beigetrete­n, das von

Moeck geleitet wird. Ziel dieses Projekts ist es, Daten für die oberfläche­nnahe Geothermie im Land bereitzust­ellen. Am Ende soll eine bundesweit einheitlic­he Ampelkarte erstellt werden, die Kommunen nutzen können, wenn sie die Wärme anzapfen wollen, die in Tiefen von zwei bis 400Meter zur Verfügung steht. Erdwärme-Pumpen könnten dann Wohnsiedlu­ngen heizen.

Vorreiter im Firmenbere­ich ist das Saarbrücke­r Handelsunt­ernehmen Möbel Martin. „Seit 2008 nutzen wir die oberfläche­nnahe Geothermie, um unsere Einrichtun­gshäuser zu wärmen oder zu kühlen“, sagte Susanne Wolter-Weiskirche­r, Bereichsle­iterin Facility Management. Derzeit würde in drei der acht Märkte (Ensdorf, Zweibrücke­n und Mainz) 40 bis 60 Prozent der benötigten Energie aus Erdtiefen bis 99 Meter bezogen.

In der Diskussion wurde auch die Nutzung des Grubenwass­er als mögliche Heizenergi­e gestreift. „Wir verfügen über 18 bis 20 Millionen Kubikmeter an warmem Grubenwass­er“, erinnerte aus dem Publikum heraus der Leiter des Oberbergam­ts, Rainer Heckelmann. Erste Projekte sind angestoßen, beispielsw­eise auf dem Gelände der früheren Grube Camphausen (wir berichtete­n).

„Doch das Spektrum der geothermis­chen Nutzung ist groß und nicht auf den oberfläche­nnahen Einsatz begrenzt“, erläutert Expertin Moeck. „Die Erdwärme kann in Tiefen bis zu 5000 Meter angezapft werden. Im Schnitt steigt die Tem

„Die Erdwärme kann in Tiefen bis zu 5000 Meter angezapft werden.“Inga Moeck Geothermie-Expertin

perstur um drei Grad je 100 Meter Tiefe.“Für sie steht fest, dass „die Wärmewende nur mit Geothermie möglich ist“. Wenn irgendwann nur noch erneuerbar­e Energiefor­men zum Heizen zur Verfügung stehen, „wird die Wärme aus der Erde mit 42 Prozent dabei sein“, so ihre Annahme, gefolgt von Biomasse (27), Luft/Wasser (14), Solar (sieben) und „Sonstigem“(elf Prozent).

Laut den Daten, die dem Liag vorliegen, ist das Saarland für mitteltief­e (bis 2000 Meter) und tiefe Geothermie allerdings weniger gut geeignet. Die besten Voraussetz­ungen in Deutschlan­d haben die norddeutsc­he Tiefebene, der Rheingrabe­n

und das Alpenvorla­nd. Lediglich von Nohfelden her und von Homburg sowie St. Ingbert kommend „ragen zwei Wärmezunge­n ins Saarland“, sagt Neu, der sich mit seiner Ingenieurg­esellschaf­t Pro-Geo auf das Verwerten von Erdwärme spezialisi­ert hat. St. Ingbert ist bereits vorgepresc­ht und „will Geothermie zum Heizen nutzen“, sagte der zuständige Beigeordne­te Markus Schmitt (Grüne).

Weil das südliche Bayern mit geothermis­chen Wärmequell­en reichlich gesegnet ist, „sind wir bei der Nutzung dieser Energiefor­m anderen Regionen 30 Jahre voraus“, meinte Rainer Zimmer, Mitarbeite­r im Bayerische­n Energiemin­isterium. Durch

die guten Geodaten „sind von zehn Tiefenbohr­ungen acht erfolgreic­h“, sagte Zimmer.

Sollten Gemeinden sich entschließ­en, Tiefengeot­hermie zu nutzen, „ist ein Zusammensc­hluss mehrerer Kommunen ratsam“. Das betonte Jörg Uhde von der Firma Geopfalz. Die Gesellscha­ft soll die Verwertung warmer Tiefschich­ten in der Region Speyer/Schifferst­adt voranbring­en. Hier liegen bereits belastbare Daten vor, „da die ersten Bohrungen in Speyer aus dem Jahr 2003 datieren“. Bis Ende 2024 soll der Bohrplan erstellt werden, die Wärmeausko­pplung in die Fernwärmen­etze der beiden Städte ist für 2029 geplant.

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Eine Geothermie-Anlage in Neustadt-Glewe in Mecklenbur­g-Vorpommern. Das Saarland hinkt in Sachen Erdwärme bislang noch hinterher.

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