Scholz bestürzt über „Fanatiker“
In einer Villa in Potsdam sprachen Rechtsextreme darüber, wie sie Zuwanderer wieder in ihre Herkunftsländer schicken könnten – auch solche, die deutsche Staatsbürger sind. Einige AfD-Politiker waren dabei. Kanzler Scholz äußert sich bestürzt. Die Saar-AfD
ist ein Treffen, das weite Kreise zieht: Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigt sich entsetzt über eine geheime Zusammenkunft radikal rechter Kreise mit Extremisten und AfD-Funktionären, bei dem über die Rückführung von Zuwanderern in ihre Herkunftsländer gesprochen wurde.
„Wer sich gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung richtet, ist ein Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz“, teilte er am Donnerstag über den Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter, mit. „Wir lassen nicht zu, dass jemand das ‚Wir' in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht. Wir schützen alle – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist.“Scholz betonte: „Dass wir aus der Geschichte lernen, das ist kein bloßes Lippenbekenntnis. Demokratinnen und Demokraten müssen zusammenstehen.“
Was war geschehen? Bei einem Treffen in einer Potsdamer Villa im November hatte der Taktgeber der rechtsextremen Identitären Bewegung, der Österreicher Martin Sellner, Konzeptideen zur „Remigration“vorgestellt. Unter dem Begriff verstehen Fachleute die Rückkehr von Menschen, die geflohen oder eingewandert sind, in ihre Herkunftsländer. Nach einer Recherche des Medienhauses Correctiv ging es Sellner dabei um Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht sowie um nicht assimilierte Staatsbürger. Laut Correctiv hat ein Düsseldorfer Zahnarzt das Treffen nach eigenen Angaben veranstaltet. Auf der Einladung stand demnach Hans-Christian Limmer, seinerzeit noch Mitgesellschafter der Restaurantkette Hans im Glück, von dem sich das Unternehmen nach Bekanntwerden des Treffens mit sofortiger Wirkung getrennt hat.
Von AfD-Seite war unter anderen der frühere Bundestagsabgeordnete Roland Hartwig dabei, heute Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel. Nach Angaben eines WeidelSprechers hatte sie aber keine vorherige Kenntnis von Sellners Auftritt
und Hartwig ebenfalls nicht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnte im „Stern“davor, die Gefahr einer Vernetzung zu unterschätzen. „Wir sehen auch jetzt wieder, dass es notwendig und richtig ist, dass der Verfassungsschutz sehr genau beobachtet, welche Kontakte es im rechts
extremistischen Spektrum gibt, wie sich Verfassungsfeinde mit AfD-Vertretern vernetzen und welche menschenverachtenden Ideologien dort propagiert werden“, sagte sie.
Die Debatte über ein Verbot der AfD erhält durch die Erkenntnisse zu dem Treffen neues Futter. Der
frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) warb dafür, trotz aller Risiken ein Verbotsverfahren zu prüfen. „Die AfD organisiert sich mit Demokratiefeinden und Umstürzlern. Das ist hochdramatisch“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Wenn der Verfassungsschutz die AfD als eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei definiere, „muss der Staat sie genauestens beobachten und ein mögliches Verbot prüfen“. Zwar gab er zu bedenken: „Ein Parteiverbot hat hohe Hürden und jedes Verfahren dazu würde von der AfD propagandistisch ausgeschlachtet. Das Damoklesschwert eines Verbotes sollte aber über der AfD hängen bleiben.“
Die 2013 gegründete Partei wird inzwischen in drei Bundesländern vom jeweiligen Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“bewertet. Bundesweit gilt sie als „Verdachtsfall“. Die Partei hat dagegen geklagt. Mit einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Münster dazu wird Ende Februar gerechnet.
Im Saarland sagte der Landesvorsitzende der AfD, Carsten Becker, zu dem Bericht über das Treffen, das seien „primitivste Methoden des Denunziantentums durch das linke Netzwerk Correctiv“. Mit „unverschämten Andeutungen, Diffamierungen und Verzerrungen“werde ein „harmloses Vernetzungstreffen zwischen Politikern, Unternehmern und Aktivisten“als konspiratives Geheimtreffen dargestellt. Der Bericht sei ein „Rohrkrepierer“. Denn die Forderung nach „Remigration“, die dort erhoben wurde, werde von Vertretern der AfD längst „offen und selbstbewusst“vertreten. Becker bekannte sich gegenüber der SZ zum Begriff „Remigration“, die im Rahmen der Verfassung stattfinden solle. Für ihn umfasse der Begriff die Abschiebung von Personen ohne deutschen Pass, die kriminell seien, oder – weil nicht erwerbstätig – dem deutschen Sozialstaat „auf der Tasche“lägen, so Becker.
„Wir lassen nicht zu, dass jemand das ‚Wir’ in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht.“Olaf Scholz (SPD) Bundeskanzler