Wie sieht die Zukunft der Foto-Biennale aus?
Kunst soll Kontroversen aushalten können. Im Fall der Biennale in der Kurpfalz war das nicht mehr möglich: Sie wurde abgesagt. Grund waren Kommentare eines Kurators. Auf beiden Seiten ist der Frust groß.
MANNHEIM/LUDWIGSHAFEN (dpa) Auf einmal waren die Auswirkungen des Gaza-Kriegs auch in der Kunstszene im Südwesten ganz nah zu spüren. „Wegen antisemitisch bewerteten Posts auf der Facebook-Seite eines Kurators“sagten die Veranstalter die 4. Biennale für aktuelle Fotografie in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg ab. Eigentlich sollte die Kunstschau ab März stattfinden – doch daraus wird nichts. Das Vertrauensverhältnis sei erheblich gestört, teilen die Organisatoren bei der Absage im November mit. Wie soll es nun weiter gehen?
„Zu den finanziellen Folgen können wir noch keine Angaben machen“, sagt eine Sprecherin für die drei Veranstalterstädte im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. Bei der Absage hatte es geheißen, die Folgen könnten sogar die Zukunft der ganzen Veranstaltung gefährden. Man habe aus den Ereignissen gelernt, betont die Sprecherin. Das Team der Biennale müsse von Beginn an einen noch engeren Kontakt zu den Kuratoren suchen. Es gehe darum, das gegenseitige Vertrauen zu stärken, um auch in großen Krisen gemeinsame Lösungen zu finden.
Was war geschehen? Nach den Anschlägen der Hamas am 7. Oktober sei deutlich geworden, dass Kurator Shahidul Alam – ein Fotojournalist, Lehrer und Aktivist aus Bangladesch – „antisemitischen beziehungsweise antisemitisch zu bewertenden Inhalten eine Plattform gegeben“habe – dies würden geteilte und teils kommentierte Inhalte zeigen, sagt die Sprecherin. Zentral ist demnach ein VideoInterview mit dem palästinensischen Botschafter in Bangladesch. „Dieser antwortet auf zwei Fragen von Shahidul Alam mit antisemitischen Verschwörungserzählungen und leugnet den Mord an Kindern durch die Hamas am 7. Oktober.“Alam habe dem Mann nicht widersprochen.
Bei einem Treffen von Team und Vorstand der Biennale mit den insgesamt drei Kuratoren seien die unterschiedlichen Sichtweisen deutlich geworden. „Es folgten viele weitere Posts, die antisemitisch lesbar waren, weit über eine propalästinensische Positionierung und Ablehnung der militärischen Gewalt Israels hinaus. Eine Vermittlung zur weiteren Zusammenarbeit mit Shahidul Alam für die Veranstalterstädte erschien unter den Umständen kaum mehr möglich.“
Die Kuratoren reagierten mit Unverständnis. Man sei bestürzt über die „einseitige Absage“, teilten Alam und seine Kollegen Tanzim Wahab und Munem Wasif mit. „18 Monate lang haben wir mit 44 Künstlern, sechs Partnerorganisationen, drei Beratern und verschiedenen Kollegen zusammengearbeitet, um die Biennale zu verwirklichen.“Als Kuratoren habe man von der Absage durch eine Pressemitteilung erfahren. Alams Beiträge seien „eine Reaktion auf die Aktionen der israelischen Regierung“und kein Antisemitismus. Das „Versäumnis“, zwischen Kritik an einer Regierung und an einem Volk zu unterscheiden, schade der Ehrlichkeit des öffentlichen Diskurses, meinten die drei Kuratoren.
Es habe zunächst unterschiedliche Positionen unter den Beteiligten gegeben, ob eine Zusammenarbeit mit Alam weiter möglich sei, so die Sprecherin. „Es ließen sich jedoch keine geeigneten Maßnahmen finden, eine Absage zu verhindern.“Letztendlich sei die Absage eine gemeinschaftlich getragene Entscheidung der Städte Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, des Vorstands sowie des Chemiekonzerns BASF gewesen.
Das Unternehmen distanziere sich „klar und deutlich“von den ihm bekannt gewordenen Aussagen und Posts, die Kurator Shahidul Alam zum Angriff auf Israel veröffentlicht habe, teilte ein Sprecher mit. BASF befürworte die Absage für 2024. Sponsor bleibe man wie geplant bis inklusive 2024 und man werde keine finanziellen Rückforderungen stellen.
Die Haltung der Biennale sei „Nie wieder ist jetzt“, gegen die Verbreitung von Antisemitismus, sagt die Sprecherin. Man habe den ausdrücklichen Wunsch gehabt, mit den übrigen Kuratoren Wahab und Wasif weiterzuarbeiten – was diese abgelehnt hätten. Die Kuratoren hätten die Künstler ausgewählt und den Kontakt zu ihnen gehalten sowie das Konzept entwickelt. „Eine Umsetzung ohne die drei Kuratoren war unmöglich. Die Absage war daher der einzig konsequente Schritt.“
„Es folgten viele weitere Posts, die antisemitisch lesbar waren, weit über eine propalästinensische Positionierung und Ablehnung der militärischen Gewalt Israels hinaus.“Vorstand der Biennale