Echt-Test für Trump & Co. bei Eiseskälte in Iowa
Wie stark ist Donald Trump wirklich? Am Montag geben als erste die republikanischen Wähler in Iowa eine Antwort. Die Caucuses sind immer für eine Überraschung gut, aber selten repräsentativ.
DES MOINES Sharon McNutt bereitet sich auf alle Eventualitäten vor. Wenn am Montagabend die Temperaturen draußen auf bis zu minus 15 Grad Celsius fallen, warten in ihrem historischen Haus an der Hauptstraße von Silver City im Südosten Iowas warmer Kaffee und frisch gebackene Plätzchen auf die Nachbarn. Dem Wall Street Journal verrät die 77-jährige Bürgermeisterin, dass sie die Weihnachtsdekorationen weggeräumt und zusätzliche Stühle besorgt hat.
Ob an diesem bitterkalten Winterabend fünf oder fünfzig Nachbarn zu der „Caucus“genannten Parteiversammlung der Republikaner kommen, macht für die Bürgermeisterin des 245-Seelennests keinen Unterschied. Diesmal rechnet sie eher mit einer regen Beteiligung wie 2016, als Donald Trump erstmals zur Wahl stand. Das französische Fernsehen hat sich bei ihr einquartiert, um live aus ihrer Wohnstube zu berichten. Dem letzten „Haus“-Caucus in Iowa, wie die Republikanische Partei bestätigt.
Für die Kandidaten macht es sehr wohl einen Unterschied, wer sich am Montagabend dazu aufraffen kann, Wind und Wetter zu trotzen und an einem der Caucuses teilzunehmen. Es kommt auf die Motivation der Wähler an und wie gut die Wahlkampfteams organisiert sind. Dies sind Faktoren, die Meinungsforscher selten richtig einfangen können. Weshalb die Prognosen im Mittleren Westen oft danebenliegen.
Die letzten Umfragen sehen Trump mit 48 Prozent vorn. Die ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley (20 Prozent) und der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis (16 Prozent), kämpfen um Platz zwei. Die übrigen Kandidaten spielen keine Rolle.
Für DeSantis geht es am Montagabend um alles. Er hat alle 99Wahlkreise besucht und versucht, sich als Trump ohne Drama zu verkaufen. Einer, der die Mauer an der Grenze zu Mexiko wirklich baut und Abtreibungen tatsächlich verbietet. Er sicherte sich die Unterstützung zweier Königsmacher von Iowa. Die beliebte Gouverneurin Kim Reynolds und der Führer der Evangelikalen Bob Vander Plaats sprachen sich bereits im November für DeSantis aus.
Da zwei von drei Wählern bei den Caucuses aus dem Lager der Evangelikalen stammen, hofft DeSantis darauf, die Demoskopen am Montag Lügen zu strafen. „Er hat bei Weitem die beste Organisation vor Ort“, sagt Vander Plaat, der vor vier Jahren dem texanischen Senator Ted Cruz geholfen hatte, die Caucuses zu gewinnen. „Ich erwarte, dass DeSantis einen guten Abend haben wird.“
Wenn nicht, dürfte es für DeSantis schwer werden, weiterzumachen. In einem Interview mit NBC konnte er keinen zweiten Bundesstaat nennen, den er nach Iowa gewinnen könnte. Gewiss nicht das liberalere New Hampshire, der nächste Bundesstaat mit Vorwahlen am 23. Januar.
Während DeSantis seit Wochen im Sinkflug ist, stieg Nikki Haley in den Umfragen wie eine Rakete auf. In New Hampshire kam zuletzt bis auf sieben Punkte an Trump heran. Fünf Tage vor den Caucuses in Iowa sorgte der ehemalige Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, für einen Paukenschlag, als er seinen
Rückzug erklärte. Seine rund zwölf Prozent an Unterstützern in dem Neuenglandstaat dürften nach übereinstimmender Ansicht von Experten Haley in den Schoß fallen.
Das Ausscheiden Christies verleiht der ehemaligen Gouverneurin von South Carolina im Endspurt des Wahlkampfs von Iowa Rückenwind. Ihr helfen auch die Ressourcen, die sie seit Ende 2023 von den steinreichen Koch-Brüdern erhält.
Politisch hat die Ex-Gouverneurin in Iowa eine Gratwanderung vollzogen, die darauf abzielte, sich von Trump abzugrenzen, ohne dessen Anhänger zu verärgern. Sie profilierte sich als Spar-Kommissarin, stellte sich hinter Israel und die Ukraine und bewies Fingerspitzengefühl beim Abtreibungsthema. In ihren mehr als 69 Auftritten pflegt die „Palmetto-Thatcher“zu sagen, dass sich „ein Land im Durcheinander in einer brennenden Welt nicht weitere vier Jahre an Chaos vertragen kann“.
Niemand erwartet, dass Haley die Caucuses gewinnen wird. Aber bei den Vorwahlen geht es immer um Momentum. Und das könnte sie mit einem Achtungserfolg erzielen. Wenn sie an DeSantis vorbeizieht, hätte sie in New Hampshire die Chance, sich als klare Alternative zu Donald Trump anzubieten. Plötzlich müsste Trump Wahlkampf machen, um nicht nur dort, sondern anschließend auch in Haleys Heimatstaat South Carolina nicht unter die Räder zu kommen.
Nach den traditionellen Spielregeln Iowas haben hier Politiker Erfolg, die an den Graswurzeln arbeiten. Trump setzt dagegen auf einen nationalisierten Wahlkampf. Er tauchte nur etwas mehr als zwei Dutzend Mal vor Ort auf, bevorzugte Großveranstaltungen und vermied weitgehend den direkten Wählerkontakt. Wie ein Amtsinhaber ignorierte er seine Herausforderer und nahm an keiner der sechs Debatten teil. Stattdessen inszeniert er sich mit Auftritten bei verschiedenen Prozessen als Opfer einer politischen Justiz inszenierte.
Gemessen an den Umfragen geht Trumps Strategie auf. Die offene Frage bleibt, wie hoch die Motivation seiner Anhänger sein wird, bei dem eisigen Winterwetter zu den Caucuses zu kommen. Einige werden bestimmt auch im Wohnzimmer von Sharon McNutt auftauchen, wo ein lokaler Wahlkapitän mit weiß-goldener Trump-Kappe eine Rede für ihn halten wird.
Am Ende des Abends schreiben die Anwesenden den Namen ihres Kandidaten auf den Wahlzettel. Dann werden die Stimmen ausgezählt und Gastgeberin McNutt telefoniert die Ergebnisse zur Zentrale nach Des Moines. Um Mitternacht dürften dann klar sein, wer in Iowa gewonnen hat.
Ex-Präsident Donald Trump ist laut Umfragen der klare Favorit für die Nominierung als Herausforderer von Amtsinhaber Joe Biden bei der Wahl im November.