„Ich lebe von der Liebe Saarbrückens“
Er machte als „König der Westspange“Schlagzeilen, sein Schicksal hat vor Monaten viele in Saarbrücken bewegt. Wie geht es dem Mann heute? Eine verblüffende Begegnung bei Minusgraden.
SAARBRÜCKEN Als vor zweieinhalb Monaten seine „Residenz“unter der Westspangenbrücke an der Stadtautobahn geräumt wurde, war die Anteilnahme groß. Mehrere 10 000 Menschen interessierten sich für die Berichte unserer Zeitung über „Herrn Isaak“, den „König der Westspange“, den die Stadt am Tag der Zwangsräumung sogar ins Krankenhaus bringen musste.
Auf dem Winterberg bestätigten sich die Befürchtungen, der Mann Ende 60 habe eine Lungenentzündung, glücklicherweise nicht. Er konnte zwar am selben Tag das Krankenhaus wieder verlassen und wurde in eine städtische Einrichtung der Obdachlosenhilfe gefahren, wo er zunächst bleiben wollte. Im Gedächtnis aber blieb vor allem das doch traurige Bild, wie der „König“, eingehüllt in eine warme Decke, von zwei Rettungssanitäterinnen zum Krankenwagen begleitet wird.
Zweieinhalb Monate später ist alles anders, zweieinhalb Monate später sprüht der „König“wieder vor Lebensenergie. „Bestens“gehe es ihm, sagt er, auch körperlich habe er keinerlei Probleme: „Mir geht es gut, natürlich. Das will der Himmel so.“Am Tag, als wir uns treffen, strahlt am Himmel mal wieder die Sonne, doch es ist bitterkalt, minus fünf Grad, gefühlt minus zehn. Die Kälte sei für ihn „kein Thema“, sagt „Herr Isaak“. Er habe schon mehrere kalte Winter draußen verbracht, tatsächlich auch unter der Westspange, ebenso in der Nähe an dem Ufo-artigen Gebäude an der Saar, dessen Besitzer ihn dort habe campieren lassen.
Diesen Winter jedoch verbringt er in der Obdachlosenunterkunft der Stadt in der Koßmannstraße: „Das passt, das ist meine neue Residenz.“Es sei zwar nicht ganz so schön wie früher unter der Brücke, als er so exklusiv gelebt habe „wie niemand sonst in Saarbrücken, noch nicht mal die Frau in der Staatskanzlei“. Doch die Stadt habe ihn sehr gut behandelt, er sei dankbar. Er habe in der Koßmannstraße ein eigenes Zimmer ganz oben im fünften Stock „mit wunderschönem Panorama“. Direkt gegenüber leuchte in der Dunkelheit der Schornstein des Heizkraftwerkes Römerbrücke, der erinnere ihn an eine Saturn-Rakete. „Die Unterbringung ist bestens. Im Moment ist es absolut gut“, sagt „Herr Isaak“. Er brauche zwar eigentlich kein Dach über dem Kopf, aber derzeit übernachte er dort. Tagsüber sei er immer viel in der Stadt unterwegs.
Der Mann, der aus Süddeutschland stammt und nach eigener Aussage erst seit Sommer 2021 fest in Saarbrücken lebt, findet für die Landeshauptstadt nur nette Worte. Mehr noch. Seine Erzählung, als er nach dem Krankenhaus wieder in die Stadt gebracht wurde, klingt wie eine Liebeserklärung an Saarbrücken. Ein Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt habe ihn damals mit dem Auto abgeholt, diesen habe er gebeten, besonders langsam zu fahren, denn sie würden jetzt durch „meine Stadt“fahren: „Ich hatte zum allerersten Mal im Leben das Gefühl, dass ich ein Zuhause habe, dass ich angekommen bin.“
Er sei „unglaublich bekannt“in Saarbrücken, meint Herr Isaak, was ihm gefalle: „Menschen glücklich machen, das war schon immer mein Ding. Ich lebe meine Träume.“Dafür brauche er kein Geld: „Ich lebe von Luft und Liebe, der Liebe dieser Stadt. Das reicht für mich vollkommen zur Glückseligkeit.“Er lebe „zum Nulltarif“, was er habe, gebe er an andere Leute weiter.
Was von seinen Aussagen wie ernst zu nehmen ist, lässt sich wie schon bei früheren Begegnungen schwer einschätzen. Oft wirkt „Herr Isaak“klar, immer wieder aber schweift er schnell ab, redet von Corona, Naturgesetzen und Drohungen gegen Politiker, macht seltsame Andeutungen oder trägt ein selbstgeschriebenes Gedicht vor, in dem dann Worte wie „Verschwörungskreatur“vorkommen. Auch ob es stimmt, dass er die deutsche Staatsbürgerschaft „demonstrativ abgegeben“hat, am 9. November, dem „deutschen Schicksalstag“, bleibt unklar. Er glaube an „höhere Kräfte“, sagt „Herr Isaak“und korrigiert sich sofort: „Nein, ich weiß, dass sie da sind. Ich bin kein Gläubiger, ich bin ein Wissender!“Die Dinge liefen immer so, wie sie laufen sollen, das habe er gelernt über viele Jahrzehnte, als er „draußen auf dem internationalen Parkett“zuhause war, „genau dort, wo dir der Wind eiskalt um die Ohren pfeift“.
In seinem Zimmer in der Koßmannstraße, das er uns später zeigen wird, ist es warm. Chaotisch sieht es dort aus, so ähnlich wie früher unter der Westspange. Manches hat er mitgenommen von dort, das Bild eines tanzenden Paares zum Beispiel. Er sei schon immer unterwegs gewesen in der Welt, sei früh von zu Hause ausgezogen, habe Maschinenbau studiert und schnell gemerkt, dass nicht die Technik das Problem ist, sondern die Menschen. „Die Menschen sind blind fürs Leben! Du kannst auf jeder Schule, jeder Universität alles lernen, nur leben nicht. Die meisten Menschen hat man so gefügig gemacht, dass sie angefangen haben, ihr Leben immer mehr auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. Das habe ich nie gemacht.“Der „König der Westspange“– er scheint glücklich mit seinem neuen Leben an der Ostspange.