EU-Parlament will Musiker gerechter als bislang entlohnen
STRASSBURG Für Musikfans könnte es einfacher kaum sein. Sie bezahlen zehn oder elf Euro pro Monat und können so viele Lieder hören, wie sie wollen. Doch am Ende kommt ziemlich wenig bei den Künstlern an. „Die Kulturschaffenden, die bekannt sind, bekommen das große Stück des Kuchens und für die anderen bleiben die Krümel übrig“, kritisierte der Grünen-Europaabgeordnete Niklas Nienaß.
Entsprechend hat sich insbesondere die ökonomische Lage von kleinen Musikern oder Newcomern teils drastisch durch den digitalen Wandel verschlechtert, für manche geht es um die Existenz.
Am Mittwoch stimmte das Parlament in Straßburg nun über einen Initiativbericht ab, mit dem die Mehrheit der Europaabgeordneten eine gerechtere Bezahlung für Künstler als bislang verlangen. Die EU-Kommission müsse große Plattformen strenger regulieren und dazu einen Gesetzesvorschlag machen, lautete die Forderung. „Wir entscheiden über die Zukunft der europäischen Musik“, sagte Nienaß.
Das Problem sehen Betroffene wie Politiker in der Art der Verteilung. Diese sorgt angesichts der enormen Bedeutung von Spotify, Apple, Amazon, Youtube Music und anderen Diensten seit Jahren für Diskussionen in der Musikindustrie. Nach dem sogenannten Pro-Rata-Modell gehen nämlich Streaming-Gelder nicht direkt von den Nutzern an die Künstler, sondern sie landen in einem großen Topf. Die Zuweisung erfolgt im Anschluss nach Marktanteilen. Auf jeden Song fällt eine Summe ab, bemessen an der Gesamtzahl der Aufrufe. Obwohl lediglich ein Fünftel der Einnahmen an die Künstler geht – von zehn Euro wären das also zwei Euro – , beschreibt die Musikerin Balbina Jagielska von der Akademie für Populäre Musik Polyton den Knackpunkt als einen anderen: „90 Prozent der Tantiemen, die von diesem Fünftel ausgeschüttet werden, erreicht unter ein Prozent der Musikschaffenden.“Denn aktuell wird der Erfolg von Streams – und damit auch die Höhe der Bezahlung – danach bemessen, wie häufig Konsumenten ein Lied hören, nicht ob sie einem Werk lauschen.
Jagielska und ihre Kollegen wollen das System in Richtung einer qualitativen Bewertung verschieben. Sie haben das Hohe Haus Europas hinter sich. „Wollen wir, dass die Künstler Zeit und Liebe in ihre Werke stecken können oder wollen wir eine kulturelle Fließbandarbeit erzeugen?“Digitale Musikplattformen und Musiksharing-Dienste bieten laut Angaben des EU-Kulturausschusses Zugriff auf bis zu 100 Millionen Titel kostenlos oder gegen eine vergleichsweise geringe monatliche Abogebühr. Die Abgeordneten schlagen in dem Bericht nun ein Vergütungsmodell vor, mit dem nicht grob umverteilt wird. Vielmehr soll die spezifische Band, die vom Konsumenten gehört wird, das Geld abzüglich der Gebühren erhalten. Qualität statt Quantität sozusagen.
Der andere Punkt, auf den sich die europäischen Gesetzgeber in dem Bericht konzentriert haben, sind die Algorithmen. Spotify-Playlists seien extrem wichtig, so Nienaß. Wer darin vorkommt, startet durch. „Nur weiß niemand, wie sie zustande kommen“, kritisierte der Grüne. Deshalb wollen die Abgeordneten mehr Transparenz herstellen. Hörer sollen wissen, nach welchen Kriterien empfohlen wird – und diese gegebenenfalls anpassen können. Das Ziel ist zudem, europäische Werke sichtbarer zu machen und KI-generierte Werke klar zu deklarieren.