Bloß kein Kölner Cordoba
Deutsche Handballer treffen bei der Heim-EM im zweiten Spiel der Hauptrunde an diesem Samstagabend auf Österreich.
(sid) „Siebenmeter-Killer“, „Torwart-Titan“, „Lebensversicherung“: Von allen Seiten prasselten die Lobeshymnen auf Andreas Wolff ein. Doch Deutschlands alles überragende Handball-„Krake“schob die Huldigungen nach dem 26:24-Zittersieg gegen Island ganz schnell beiseite. Wolff richtete seine volle Aufmerksamkeit bei der HeimEuropameisterschaft direkt dem kniffligen „Bruderduell“gegen Österreich. Bloß kein Kölner Cordoba – so lautet die Devise im DHB-Team.
„Die Österreicher werden uns vor eine Riesenherausforderung stellen. Sie sind das Team der Stunde“, sagte Wolff mit ernsten Gesichtszügen: „Dieses Team ist brandgefährlich, sie haben einen absoluten Hype. Und das ist der einzige Fokus, den wir jetzt haben sollten.“Er weiß: Geht das Spiel gegen den kleinen Nachbarn, der bei der EM gerade sein großes Handball-Märchen erlebt, am Samstag (20.30 Uhr/ARD und Dyn) in die Hose, wäre der Traum vom Wintermärchen im eigenen Land wohl geplatzt.
„Jedes Spiel ist ein Endspiel“, betonte Bundestrainer Alfred Gislason angesichts der Ausgangslage mit momentan 2:2 Punkten in der Hauptrundengruppe 1: „Wenn unser Traum das Halbfinale ist, müssen wir die nächsten drei Spiele gewinnen. Bei einer Niederlage gegen Österreich wäre dieser Traum vorbei.“Hinter Spitzenreiter Frankreich (4:0 Zähler) wittern die Alpenhandballer (3:1) ihre historische Halbfinal-Chance.
Über Legenden wie die viel zitierte „Schmach von Cordoba“, als Deutschlands Fußballer als Weltmeister 1978 gegen den kleinen Rivalen sensationell in der Zwischenrunde ausschieden, kann Gislason schmunzeln. Die besondere Rivalität der Deutschen mit ihrem
Nachbarland bereitet dem Isländer allerdings überhaupt keine Bauchschmerzen. „Es macht mir keine Sorgen, dass Deutschland und Österreich sportlich irgendwie Probleme miteinander haben. Das geht mich gar nichts an“, sagte der DHBCoach grinsend. Linksaußen Lukas Mertens sieht im Handball-Duell Deutschland gegen Österreich dagegen bereits „einen schönen Klassiker“, fast wie im Fußball: „Die sind im Flow, die sind on fire.“
Der deutschen Mannschaft ist der sensationelle Höhenflug des kommenden Gegners nicht entgangen. Die Mannschaft um Kiel-Star Nikola
Bilyk und den früheren BundesligaTorschützenkönig Robert Weber hat in der Heimat einen Handball-Hype ausgelöst. Gewonnen haben die
Nachbarn gegen die Deutschen aber noch nie. Vor eigenem Publikum hatte es in der Wiener Stadthalle am Samstag auf den Tag genau vor vier Jahren eine 22:34-Klatsche gegen die
DHB-Auswahl gegeben, 2022 eine Vorrunden-Niederlage in Bratislava.
Auch das deutsche Team ist heiß. Der emotionale Hauptrunden-Auftakt soll das deutsche Team gegen Österreich sowie in den weiteren Spielen gegen Ungarn und Kroatien beflügeln. „Die Jungs haben in schwierigen Momenten einen extrem phänomenalen Charakter gezeigt“, sagte Gislason, der Sieg im Island-Thriller bringe seiner jungen Mannschaft „sehr viel, weil es so schwierig und eng war“. Und Wolff meinte zuversichtlich: „Mit der Moral, die wir gezeigt haben, haben wir auch die Chance, die Österreicher
zu schlagen.“
Und mit einem Wolff in Galaform. Gemeinsam mit dem dänischen Weltmeister Niklas Landin sei Wolff „momentan der beste Torhüter der Welt“, sagte Gislason. Das bewies Wolff gegen Island vor allem, als er in der 57. und 59. Minute zwei Siebenmeter parierte. Kapitän Johannes Golla meinte ungläubig: „Eigentlich ist es ein Ding der Unmöglichkeit, aber Andi hat es geschafft.“Mit seinen Taten habe er die Kölner Arena „zum Explodieren“gebracht, ergänzte Golla: „Andi hält uns mit im Turnier. Er ist sowas wie unsere Lebensversicherung.“
„Dieses Team ist brandgefährlich, sie haben einen absoluten Hype.“Deutschlands bisher so starker Torwart Andreas Wolff über den nächsten Gegner Österreich