Europa arbeitet an Friedensplan für Nahost
Die EU-Außenminister wollen mit einer Zwei-Staaten-Lösung den Nahostkrieg beenden. In Brüssel besprechen sie einen Fahrplan zum Frieden.
Es ist ein beachtliches Dokument, das der diplomatische Dienst des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell den EU-Außenministern zu ihrem Treffen am Montag in Brüssel auf den Tisch gelegt hat. Damit will die EU versuchen, aus dem ewigen Aufeinanderprallen von Israel- und Palästinenser-Sympathisanten herauszukommen und konkrete Schritte zu einer gemeinsam getragenen friedlichen Lösung zu gehen. Zu diesem Zweck hat Borrell so viele bedeutende Gäste eingeladen wie nie zuvor. Doch einer von ihnen legt als erstes einige Fotos neben die Sitzungsunterlagen. Eines zeigt ein Baby, andere verletzte Frauen. Bilder von Israelis, die die Hamas seit dem 7. Oktober als Geiseln versteckt hält. Es ist Teil der Schilderungen, die Israels Außenminister Israel Katz mit nach Brüssel gebracht hat. Und schon sind neben den nüchternen Diplomatenentwürfen auch viele Emotionen im Raum.
Doch unsichtbar ist auch noch etwas mit im Raum. Ein sich ausbreitendes Misstrauen gegen Borrell selbst. Der Chefdiplomat der EU hat mal wieder ganz undiplomatisch seine ausgeprägten Aversionen gegen Israel ausgedrückt, indem er in seiner spanischen Heimat anlässlich einer Ehrendoktorverleihung anti-israelische Verschwörungserzählungen übernahm. Danach habe Israel die Hamas selbst erschaffen und finanziert. Das Narrativ ist in der Preisklasse der Überzeugungen von den USA als Urheber der Anschläge auf New York und Washington vom 11. September 2001 angesiedelt.
Borrell müsste es mit seinen Zugängen zu umfangreichen Fakten besser wissen, aber es passt in sein Weltbild, mit dem er an diesem Montag in Brüssel auch seinen Vorsatz begründet, ab sofort nicht mehr über den Friedensprozess, sondern nur noch über die Zwei-Staaten-Lösung zu sprechen. Darunter wird ein israelischer und ein palästinensischer Staat in friedlichem Einvernehmen verstanden. Allerdings beanspruchen beide Seiten in Teilen identische Gebiete. Vor allem will die Hamas Israel vollständig vernichten, vom Jordan bis zum Meer ihre Terrorherrschaft errichten. Israels Premier Benjamin Netanjahu gehört zu den Scharfmachern auf der anderen Seite, lehnt die Zwei-Staaten-Lösung als aktuelle Perspektive ab und will nicht nur die Sicherheitslage im Gazastreifen beherrschen, sondern Teile davon auch mit Israelis besiedeln.
Wo Borrells Sympathien liegen, macht der EU-Chefdiplomat zum Auftakt des Treffens einmal mehr deutlich. Er zitiert den UN-Generalsekretär António Guterres mit der
Einschätzung, Netanjahus Sicht sei „nicht akzeptabel“und unterstreicht seinerseits, die Hamas sei „ein wichtiger Teil“der Lösung für einen Frieden in Nahost. Eigentlich verurteilt die EU die Hamas als Terrororganisation. Borrell verurteilt lieber Israel. Deren Bombardierungen des Gazastreifens säten „Hass für Generationen“. Da ist Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock deutlich anders
aufgestellt. Sie beginnt das Treffen in Brüssel mit dem Aufruf an die Hamas, die „brutalen Angriffe nicht nur auf Israel, sondern de facto auch gegen seine eigenen Menschen, gegen Palästinenserinnen und Palästinenser“endlich einzustellen. Sie sieht nicht nur zwei Seiten einer Medaille, sondern wendet diese mehrfach hin und her. Ihre Gleichung: Israel könne nur in Sicherheit leben, wenn die Pa
lästinenser in Sicherheit und Würde leben könnten, und die Palästinenser könnten nur in Sicherheit und Würde leben, wenn Israel in Sicherheit leben könne. „Deshalb“will auch die Grünen-Politikerin unbedingt die Zwei-Staaten-Lösung. Einen Seitenhieb flicht sie hier auf Netanjahu ein. Diejenigen, die davon nichts wissen wollten, hätten „bisher keine einzige Alternative auf den Tisch gelegt“. Vorrangig sei es, „dringend“zu humanitären Feuerpausen zurückzukehren und das „unglaubliche Leid in Gaza deutlich“zu reduzieren.
Der Friedensplan der EU-Diplomaten besteht aus einem Rahmenplan, der die Schritte zu einer Annäherung beschreibt. Baerbock unterstreicht, dass dazu auch vermeintlich ganz kleine gehörten, wie die Öffnung des israelischen Hafens Ashdod zu forcierten internationalen Hilfslieferungen für die Palästinenser. Ein noch wichtigerer sei die Freilassung der Geiseln. Und eine Friedenskonferenz will die EU initiieren, um die Akteure an einen Tisch zu holen. Ein wenig hat das Außenministertreffen in Brüssel bereits den Charakter davon. Nachdem der israelische Amtskollege gegangen ist, lassen sich die Europäer von dessen palästinensischen Counterpart, Riad Malki, die Situation schildern. Angereist sind zudem die Chefdiplomaten Saudi-Arabiens, Ägyptens, Jordaniens und der Arabischen Liga, um mit den Europäern zu beraten.
Viel zu tun bleibt den EU-Diplomaten in den nächsten Tagen auch bei einem benachbarten Thema: Den Raketenbeschuss durch Huthis vom Jemen aus auf Schiffe im Roten Meer mit einer Militärmission zu beenden. Am Abend erzielten die EU-Außenminister zunächst nur eine Grundsatzeinigung über die Mission, bei der auch Deutschland mit einem Kriegsschiff gefragt sein dürfte. Die letzten Details dazu müssten die EU-Staaten „dringend, dringend gemeinsam klären“, hatte Baerbock vor dem Treffen angemahnt. Auch mit Blick auf den Bundestag, der einem möglichen Mandat noch zustimmen muss.
Der Friedensplan der EU-Diplomaten besteht aus einem Rahmenplan, der die Schritte zu einer Annäherung beschreibt.