„Für die Kunden tut es einem leid“
Wieder legen die Lokführer den Bahnverkehr weitgehend lahm. Was Reisende im Saarland jetzt machen können oder dringend sollten.
Der Herr um die 70 aus dem Kreis Saarlouis möchte am Wochenende seine Ehefrau in der Kur am Bodensee besuchen. Die Fahrkarten hatte er schon gekauft. Auf die Deutsche Bahn aber kann er sich nicht verlassen. Wieder einmal durchkreuzt ein Streik der Lokführergewerkschaft GDL die Pläne von tausenden Saarländern.
Der bereits vierte Arbeitskampf im laufenden Tarifstreit beginnt im Personenverkehr am Mittwochmorgen um 2 Uhr und soll mit rund sechs Tagen der bislang mit Abstand längste werden – Chaos auf den Bahnhöfen und Frust bei den Reisenden inklusive.
Der Mann aus dem Kreis Saarlouis hat Glück, dass sich sein Sohn bereits um eine Alternative zur Bahnfahrt an den Bodensee gekümmert hat. Nur wenige Stunden nach der GDL-Ankündigung stornierte der Sohn die Bahntickets und buchte für den Vater einen Platz im Fernbus Flix.
Die Fahrt nonstop von Saarbrücken nach Ulm kostete zum Zeitpunkt der Buchung rund 30 Euro und damit etwa ein Drittel des Bahnpreises. Der Mann muss dann noch 70 Kilometer bis zur Kur-Klinik bewältigen, mit einem Mietwagen oder mit dem Zug, sollte dort vielleicht doch einer fahren. Jedenfalls kommt er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu seiner Ehefrau und wieder heim ins Saarland.
Das wird den allermeisten Bahnfahrern nicht gelingen, denn die GDL ist auf Krawall gebürstet. Auch und gerade im Saarland. „Natürlich“werde man sich am Arbeitskampf beteiligen, sagt Marko Schönfelder, Vizechef der Ortsgruppe Personenverkehr Saarbrücken.
Er sei „absolut nicht zufrieden“mit dem Angebot der Bahn, das in seinen Augen überhaupt kein echtes Angebot ist. „Wer nicht hören will, muss fühlen“, findet Schönfelder, man habe „keine Wahl“, auch wenn er eingesteht: „Für die Kunden tut es einem leid.“
Entscheidend im aktuellen Tarifstreit ist für Schönfelder die Arbeits
zeit im Schichtdienst, die von 38 auf 35 Stunden runter soll – bei vollem Lohnausgleich. Mehrere Bahn-Konkurrenten hätten dem bereits zugestimmt, unter anderem die VlexxMutter Netinera, weshalb Vlexx im Saarland auch ab Mitte der Woche weitgehend fahren dürfte.
Zwar könne es auch zu Ausfällen oder Verspätungen kommen, etwa wenn Stellwerke bestreikt werden, teilt Vlexx auf Nachfrage und auf seiner Internetseite mit. Grundsätzlich sind die Vlexx-Beschäftigten jedoch nicht am Arbeitskampf beteiligt, und man geht daher von einem „regulären Betrieb“aus. Allen Fahrgästen wird aber empfohlen, sich vor Fahrtantritt nochmals zu informieren.
Das rät auch die Deutsche Bahn dringend jedem, der mit dem Zug unterwegs sein wollte oder will. „Am besten 24 Stunden vor Reiseantritt abchecken, ob der Zug fährt“, erklärte ein Sprecher am Montag der SZ und verwies auf die Webseite www.bahn.de sowie die App „DB Navigator“.
Aktuell werde der Notfahrplan
„unter Hochdruck eingepflegt“, dies sei eine „umfangreiche Aufgabe“. Zudem wurde abermals eine Sonderhotline eingerichtet, über die man zumindest am Montag zur Mittagszeit auch einen echten Menschen ans Telefon bekam. Die kostenlose Hotline hat die Nummer (08000) 99 66 33.
Ob im Saarland die Saarbahn ab Mittwoch fahren kann, dazu konnte am Montag noch keine Aussage getroffen werden. Zuletzt war die Saarbahn von den GDL-Streiks nicht betroffen, erklärte eine Sprecherin. Man geht davon aus, dass es auch diesmal wahrscheinlich weitgehend so sein wird. Wobei es kurzfristig auch zu Ausfällen kommen könnte.
Profitieren von den Bahn-Wir
rungen werden einmal mehr Autovermieter wie Sixt oder Europcar. Schon vor zehn Jahren kürte Sixt GDL-Chef Claus Weselsky in einer großen Werbekampagne zum „Mitarbeiter des Monats“. Wobei am Montag im Saarbrücker Eurobahnhof von einem Ansturm keine Rede sein konnte und auch nicht unbedingt erwartet wird. Einige Buchungen kämen kurzfristig immer dazu, aber die meisten Leute seien auf den Streik gut vorbereitet.
Anders sieht es bei FlixBus aus, wie eine Sprecherin mitteilte. Dort geht man „wie meistens, wenn Wettbewerber bestreikt werden“, von einer „deutlich gestiegenen Nachfrage“aus. Aktuelle Zahlen liegen noch nicht vor, und es seien auch noch ausreichend Tickets verfügbar. Sollte es nötig werden, werde man „nach Möglichkeit“zusätzliche Busse auf die Straße bringen.
Mit Bussen befasst sich aktuell auch das Ophüls-Filmfestival, das diese Woche in Saarbrücken stattfindet. Die Macher teilten am Montag mit, dass sie dabei sind, fürs Wochenende Busfahrten in mehrere Großstädte zu organisieren, etwa nach Berlin, Hamburg, Köln und München. Für den Abschlusstag Sonntag seien bereits drei Reisebusse geblockt, die die Festivalgäste wieder in Richtung ihrer jeweiligen Heimat bringen.
Zurück zur GDL: Marko Schönfelder sagt zu seiner Motivation für den Streik, dass er als Lokführer sehr wenig Freizeit habe, dass er meistens später als vorgesehen nach Hause komme, dass teilweise mehr als 50 Stunden in der Woche gearbeitet werde. Er beginne seinen Dienst mal um 5 Uhr, dann um 3.30 Uhr, mal um 7.20 Uhr oder auch um 16 oder 18 Uhr.
Fast jeden Tag eine andere Dienstzeit – das sei anstrengend. In den nächsten Tagen wird Schönfelder viel Zeit im „GDL-Camp“in Saarbrücken nahe der „Kufa“in der Dudweiler Landstraße verbringen. Dort wird die Gewerkschaft, deren Saarbrücker Ortsgruppe rund 350 (auch inaktive) Mitglieder hat, Präsenz zeigen. Konkrete weitere Aktionen sind aber vorerst nicht geplant.