„Wir Bauern waren zu lange zu still“
Die Stadtverordnete aus Ensheim (früher Grüne, jetzt CDU) fürchtet, dass zehntausende Landwirte aufgeben müssen.
Immer neue Vorgaben der oft ahnungslosen Politik, immer neue Gängelungen, mehr Zeit im Büro als auf dem Traktor: Im SZInterview erklärt Yvonne Brück, die mit ihrer Familie in Ensheim einen großen Bauernhof betreibt, warum sie sich an den jüngsten Protesten beteiligt hat.
Frau Brück, als die Bauern kürzlich in Saarbrücken demonstriert haben, waren Sie mittendrin. Warum sind Sie auf die Straße gegangen?
YVONNE BRÜCK Wir Landwirte werden seit Jahren gegängelt wie wohl keine Branche oder Berufsgruppe sonst. Da hat die Ankündigung, die Steuervergünstigung für Agrardiesel zu streichen, das Fass zum Überlaufen gebracht. Doch das ist längst nicht der einzige Grund, warum so viele sauer auf die Politik sind. Wie in Deutschland mit den Bauern umgegangen wird, das ist schon stramm. Wir waren offenbar zu lange zu still.
Viele in Saarbrücken kennen Sie als Politikerin, auch in der
Ukraine-Hilfe engagieren Sie sich stark. Ihr Hauptberuf aber ist die Arbeit auf dem Erlenbacherhof in Ensheim, den Sie gemeinsam mit Ihrem Mann und dem ältesten Sohn führen. Wie groß ist Ihr Hof, und was machen Sie genau? BRÜCKWir sind ein landwirtschaftlicher Betrieb mit mehreren Standbeinen. Wir haben circa 40 Mutterkühe, eine Pferdepension mit rund 50 Tieren sowie Ackerbau, überwiegend Weizen, Gerste, Hafer, Raps, Sonnenblumen und Kartoffeln. Wir bewirtschaften etwa 260 Hektar, das ist eine für das Saarland relativ große Fläche. Mein Mann ist AgrarIngenieur, unser Sohn gelernter Landwirt und ich selbst bin Pferdewirtschaftsmeisterin. Wir betreiben konventionelle Landwirtschaft. Wie unsere Familie schon seit Generationen.
Sie sind also keine Bio-Bauern – warum nicht?
BRÜCK Zwei Gründe. Erstens sind wir nicht davon überzeugt, dass man mit Bio wirklich so viel produzieren kann, um alle Menschen ernähren zu können, weil man mit Bio nicht den entsprechenden Ertrag erreichen kann. Zweitens liegt das am Pferdebetrieb. Die Pferde werden von Privatleuten eingestellt, die ihren Tieren auch mal Medikamente geben, wenn sie krank sind. Als Bio-Betrieb müssten wir, ein ganz praktisches Beispiel, unterschiedliche Misthaufen haben, weil der Mist nicht auf die Bio-Felder dürfte – da er als „kontaminiert“gelten würde.
Für konventionelle Landwirtschaft gelten doch auch relativ strenge Regeln, oder nicht?
BRÜCK Immer weniger Pflanzenschutzmittel, weniger Dünger, die Felder weniger pflügen, da wird von der EU und Deutschland immer mehr gefordert. Gleichzeitig soll das Essen sehr günstig sein, das passt nicht zusammen. Jetzt sollen wir – aus Gründen des Artenschutzes – weitere vier Prozent unserer Fläche stilllegen, um eine Förderung zu bekommen. Die deckt aber nicht das ab, was eine ertragreiche Fläche erwirtschaften kann. Und: Will ich die verwilderte Fläche wieder nutzen, muss ich einen großen Aufwand betreiben. Ist das wirklich umweltfreundlich?
Können Sie das System der Subventionen näher erläutern?
BRÜCK Alle Subventionen sind an Anforderungen geknüpft, die man erfüllen muss, man bekommt da nichts geschenkt. Was auch mit viel Büroarbeit verbunden ist. Gefühlt sitzen wir mehr im Büro als auf dem Traktor. Doch wenn wir uns nicht um die Auflagen aus Brüssel und Berlin kümmern, dann gibt es keine Subventionen, dann geht uns Landwirten relativ viel Geld verloren.
Sie müssen das System also genau kennen?
BRÜCK Das Problem ist, dass wir nicht längerfristig planen können, weil es ständig neue Vorgaben und Gesetze gibt. Ein Bauer aber denkt in Jahren. Ich weiß jetzt schon, was ich in vier Jahren auf welchem Feld anbaue, weil ich immer die Saat wechsle, damit keine Resistenzen entstehen und der Boden fruchtbar bleibt. Jetzt ändern sich aber alle zwei oder vier Jahre die Voraussetzungen, nach denen wir uns richten müssen, das heißt, die ganze Planung wird über den Haufen geworfen. Halten wir uns nicht an die
Vorgaben, sind die Ausgleichszahlungen futsch.
Können Sie nur mit Subventionen überleben?
BRÜCK Eigentlich ja. Weil die Politik das so will. Wir sind abhängig von der Politik, das ist der falsche Weg. Politiker, die teilweise überhaupt keine Ahnung von unserer Arbeit haben, bestimmen, was wir auf unserem Grund und Boden zu tun und zu lassen haben. Das ist alles so was von realitätsfern! Von mir aus können die Subventionen gerne weg, aber dann muss der europäische Markt geschützt werden vor Billigimporten mit niedrigeren Umweltstandards, und innerhalb der EU müssen für alle Landwirte gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten.
Was meinen Sie?
BRÜCK In Frankreich fahren die Bauern zum Beispiel noch mit Heizöl. Bei uns dagegen muss sogar das teure AdBlue zugetankt werden, um Schadstoffe zu verringern. Deutschland hat weltweit die höchsten Auflagen beim Klima- und Naturschutz. Doch wir können die Umweltverbrechen der Welt nicht alle auf einmal ausgleichen. Es ist schön, dass wir Vorreiter sind und
ein Vorbild für viele Länder. Aber so, wie es momentan aussieht, werden wir abgehängt. Und abhängig von Importen.
Bei der Protestfahrt in Saarbrücken hatten Sie einen dazu passenden Spruch an Ihrem Traktor: „Sind wir Bauern ruiniert, wird dein Essen importiert.“Ist die Sorge wirklich berechtigt? Wie ernst ist die Lage der Landwirte?
BRÜCK Wenn es politisch so weitergeht, wird dieser Beruf immer mehr ans Existenzminimum gedrückt. Noch gibt es in Deutschland rund 255 000 Betriebe, doch ich fürchte, dass Zehntausende aufgeben müssen. Und dann weiß ich nicht, wie wir uns autark ernähren wollen. Dass das nicht als Problem wahrgenommen wird, liegt wahrscheinlich daran, dass es uns allen einen Tick zu gut geht. Viele scheinen zu denken, das Essen gibt es doch im Supermarkt, dort kann ich sogar jeden Tag Erdbeeren kaufen – wo ist das Problem?
Wo ist das Problem?
BRÜCK Wir stehen im weltweiten Wettbewerb, übrigens auch mit den USA, wo Gentechnik ein großes Thema ist. Wenn wir wegen der vielen Auflagen und Einschränkungen und Kürzungen nicht mehr wettbewerbsfähig sind, haben wir irgendwann keine Landwirtschaft mehr. Dann haben wir überall Blumenwiesen und Bäume, aber nichts mehr zu essen. Das ist ein Riesen-Problem. Sehen Sie: Was die Regierung bei den Bauern einsparen will, entspricht etwa den Kosten der Kanzleramts-Erweiterung von knapp einer Milliarde Euro. Da passt doch die Verhältnismäßigkeit nicht mehr.
Die Bauernproteste stoßen auf viel Verständnis in der Bevölkerung. Sehen Sie das auch so?
BRÜCK Im Moment ist da viel Sympathie. Aber seit Jahren wird medial doch auf die konventionelle Landwirtschaft draufgehauen. Bio ist gut, konventionelle oder industrielle Landwirtschaft dagegen eine Katastrophe. Die wenigsten haben verstanden, dass es da große Unterschiede gibt. Im Saarland haben wir überhaupt keine industrielle Landwirtschaft wie in den neuen Bundesländern oder zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen.
Wie haben Sie den Protest im Saarland bislang erlebt?
BRÜCK Gut organisiert und friedlich. Bei uns braucht man keine Wasserwerfer, wir stören keine Rettungsfahrzeuge, wir kleben uns nicht fest. Wir demonstrieren, weil es um unsere Existenz geht. Ich finde es schändlich, dass versucht wird, uns in eine Ecke zu stellen, weil wir angeblich Rechten und anderen Radikalen eine Plattform bieten. Das ist sicher nicht der Fall. Dass sich andere an die Proteste dranhängen, können wir leider nicht verhindern.
Denken Sie, es wird im Saarland wieder Straßenproteste geben, und würden Sie dann wieder mitdemonstrieren?
BRÜCK Grundsätzlich würde ich wieder friedlich demonstrieren. Aber wir richten uns in der Regel nach dem Bauernverband. Mal abwarten, wie sich die Lage entwickelt, auch mit Blick auf die jetzt erneut diskutierte Tierwohlabgabe. Sie würde wieder einen bürokratischen Mehraufwand bedeuten, die Landwirte müssten wieder viel Geld in moderne Ställe investieren, um weiter Subventionen bekommen zu können – die Subventionsspirale dreht sich also immer weiter.