Was Geldautomatensprenger ins Saarland zieht
Die Bilanz ist verheerend: 2023 wurden mehr als dreimal so viele Geldautomaten im Saarland gesprengt als noch im Jahr zuvor. Wie weitere dieser Taten verhindert werden sollen, ist umstritten.
Zehn Sprengungen, zwei misslungene Versuche und Gebäudeschäden in Höhe von mehr als 600 000 Euro im vergangenen Jahr zeigen: Geldautomaten saarländischer Sparkassen und Banken locken nicht nur deren Kunden, sondern auch hartgesottene Kriminelle an. Und am Wochenende gab es in Kleinblittersdorf wieder einen krassen Fall.
Zum Vergleich: 2022 gab es insgesamt nur drei Automatensprengungen im Bundesland, das an Frankreich und Luxemburg grenzt. Dabei steht das Saarland im deutschen Westen trotz des steilen Anstiegs der Zahl der Taten noch vergleichsweise gut da: Nach Angaben der Deutschen Presseagentur und des Südwestrundfunks hatte Rheinland-Pfalz im gleichen Zeitraum 50 Sprengungen und Nordrhein-Westfalen sogar mehr als 150 Sprengungen zu erdulden. Rheinland-Pfalz grenzt an Luxemburg und Belgien, NRW an die Niederlande und Belgien an.
Das steigende Interesse der Verbrecher am Saarland bereitet der Gewerkschaft der Polizei (GdP) trotzdem Kopfzerbrechen. In einer Pressemitteilung vom 1. Dezember nennt der Landesvorsitzende der GdP Saarland, Andreas Rinnert, die neuesten Zahlen alarmierend und sieht einen klaren Tatschwerpunkt im Westen Deutschlands. Gründe dafür sind laut der Pressestelle des Landespolizeipräsidiums (LPP) eine große Anzahl an Geldautomaten, eine grenznahe Lage und insbesondere die erst in den vergangenen Jahren begonnene Nachrüstung der Automaten mit Sicherheitssystemen.
Benachbarte Länder seien hier schon weiter: „Es ist bekannt, dass
Geldausgabeautomaten in Frankreich oftmals oder flächendeckend mit Farbsystemen ausgestattet sind“, sagt ein Polizeisprecher. Das schaffe die Voraussetzungen für einen kriminellen Tourismus, da die Verbrecher lieber in Deutschland „sauberes“Geld aus den Automaten stehlen als mit Farbe beschmiertes nach einer Explosion in Frankreich.
Trotz fehlender gesetzlicher Regelungen in der Bundesrepublik haben einige Banken freiwillig Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die Sparkassen, die im Saarland über 300 Geldautomaten betreiben, setzen auf eine breite Palette an Maßnahmen, wie Cornelia HoffmannBethscheider (SPD), Präsidentin des Sparkassenverbandes Saar, erklärt.
Nicht alle davon betreffen die Geldautomaten selbst: Neben Video- und Alarmanlagen würden in der Umgebung der Automaten beispielsweise Vernebelungsanlagen installiert, die den Verbrechern die Sicht nehmen und so eine Sprengung erschweren oder verhindern sollen. Die Nachtschließung von Foyers der Saarbrücker Sparkassen solle den Kriminellen dagegen die
Chance nehmen, zu einem für sie besonders günstigen Zeitpunkt zuzuschlagen.
Im Innenleben der Sparkassenautomaten wiederum befinden sich Färbesysteme, die die Geldscheine nach der Explosion verschmutzen. Aber nicht nur bei den Sparkassen: „Bei einer Sprengung oder einem Diebstahlversuch werden die Geldscheine durch die Aktivierung von Farbpatronen unbrauchbar“, erklärte ein Postbank-Sprecher auf Anfrage und betont: „Sämtliche Geldautomaten der Postbank sind mit Farbpatronen ausgestattet“.
Nicht immer schrecken die Färbesysteme Ganoven ab: Im August 2022 haben Kriminelle beispielsweise einen Geldautomat am Universitätsklinikum Homburg geknackt und sind mit den eingefärbten Geldscheinen geflohen. Bis heute bleiben 165 000 Euro verschollen.
Das Sprengen von Geldautomaten ist allerdings mehr als nur Diebstahl. Gebäudeschäden und ein hohes Verletzungsrisiko für Umstehende und Polizei nehmen die Verbrecher billigend in Kauf. „Geldautomaten stehen oft in Wohngebieten oder bei
Wohnhäusern. Es ist dem Zufall zu verdanken, dass es bisher keine Verletzte gegeben hat“, sagt dazu der Landesvorsitzende der GdP Saarland, Andreas Rinnert.
Deshalb müssen die Geldautomatenbetreiber gegensteuern: „Auf Basis von Gefährdungs-Analysen wurden Geldautomatenstandorte an besonders kritischen Standorten vorübergehend oder ganz geschlossen. Bei diesen Entscheidungen lag der Fokus darauf, Schaden an Personen sowie Sachschäden abzuwenden“, erklärt Carlo Segeth, Vorstandsvorsitzender der Bank 1 Saar, die Reaktion seines Kreditinstituts.
Nicht immer sind solch extreme Mittel nötig, wie ein Blick in die Richtlinien zur Sicherung von Geldautomaten, die der Gesamtverband der Versicherer zusammen mit Vertretern von Banken und Polizei erstellt hat, verrät. Die Vergitterung von Fenstern, der Einbau stärkerer Wände und Türen oder die Einfassung von Geldautomaten in die Wand durch sogenannte Zargen sind nur einige der zur Verfügung stehenden Absicherungsmittel, die entweder den Zugang zum Geld
automaten oder Explosionsschäden an der Bausubstanz verhindern sollen. So wird aus der vermeintlichen Nachrüstung eines Geldautomaten allerdings auch schnell eine ganze Renovierung samt der damit verbundenen Kosten.
Kein Wunder also, dass sich an der Frage, wie man weitere Automatensprengungen verhindert, die Geister scheiden. Aus Sicht der GdP besteht trotz der freiwilligen Bemühungen der Banken weiter Handlungsbedarf. „Wir erkennen an, dass die Mehrheit der Kreditinstitute durchaus bemüht ist, freiwillig entsprechende Sicherungsmaßnahmen umzusetzen – doch das scheint schlichtweg nicht ausreichend zu sein“, betont Landesvorsitzender Rinnert. Deshalb fordere er zusammen mit den übrigen Gewerkschaftsmitgliedern die Einführung von gesetzlichen Vorgaben zum Schutz der Geldautomaten: „Des Pudels Kern bleibt aus unserer Sicht, dass alles auf Freiwilligkeit beruht. Damit ist solchen Kriminellen Tür und Tor geöffnet“.
Aus Sicht der Banken ist dagegen Kooperation der Schlüssel
zur erfolgreichen Verbrechensbekämpfung. Die Bank1 Saar und die saarländischen Kreissparkassen befinden sich laut eigener Aussage im ständigen Austausch mit der Polizei. Laut Polizei bestehe dieser Austausch schwerpunktmäßig aus Empfehlungen zur Prävention von Sprengungen und zum Unbrauchbarmachen erbeuteter Geldscheine.
Bei den saarländischen Versicherern setzt man ebenfalls auf Zusammenarbeit. Wohl nicht zuletzt aufgrund von Unternehmensverflechtungen. So versichern die Saarland-Versicherungen beispielsweise die Geldautomaten der Sparkassen und sind auch selbst Teil der Finanzgruppe Sparkassenverband Saar. Trotz – oder auch gerade wegen – dieser Verflechtungen ergeben sich Kooperationschancen: „Wir als Saarland-Versicherung arbeiten eng mit den Sparkassen zusammen, um die Sicherheit der Geldautomaten zu gewährleisten“, sagt Pressesprecher René Seelbach.