Wird Willingen zu „Wellingen“?
In der brutalen Terminhatz der Skispringer steht der Kult-Weltcup auf der hessischen Großschanze an.
(sid) Immerhin konnte Andreas Wellinger diesmal die Zeit daheim maximieren: Nach 90 AutoMinuten war er mit seinen beiden Medaillen von der Skiflug-WM am Kulm zuhause in Salzburg eingetroffen und durfte kurz durchatmen. Zwar sind die beiden großen Saisonhöhepunkte Geschichte, im Weltcup ist aber noch nicht einmal Halbzeit. Auf dem langen Weg in die Ferien verspricht zumindest das Gastspiel in der Party-Hochburg Willingen ab Freitag Kurzweil.
„Geile Schanze, geile Stimmung“– der Gedanke an das hessische Bermuda-Dreieck der guten Skisprung-Laune mit Heerscharen feierwütiger Fans weckt bei Wellinger reichlich gute Assoziationen. An die Mühlenkopfschanze hat der 28-Jährige allerbeste Erinnerungen, dort gewann er 2017 seinen ersten Heim-Weltcup. Die Mühlenkopfschanze ist zwar offiziell die größte Großschanze der Welt, eigentlich aber auch eine kleine Flugschanze: Im Vorjahr segelte der Slowene Timi Zajc auf groteske 161,5 Meter – achteinhalb über Schanzenrekord – und stürzte. „Einer der wildesten Sprünge, die ich je gesehen habe“, sagt Wellinger.
So wild soll es diesmal möglichst nicht werden. Aus Willingen aber wieder ein euphorisches „Wellingen“zu machen, wäre in Wellingers Sinn – und nächster Höhepunkt einer bockstarken Saison: Vizeweltmeister im Fliegen, Vize bei der Vierschanzentournee, im Gesamtweltcup nach einem Sieg und sieben weiteren Podestplätzen derzeit ebenfalls Zweiter. Nach 14 von 32 Einzelspringen wohlgemerkt – die Saison zieht sich nicht wie die „historisch lange“(Bundestrainer Stefan Horngacher) WM-Saison des Vorjahres bis in den April, ist aber dennoch grenzwertig vollgestopft.
Neun Stationen auf drei Kontinenten warten noch bis zum Finale in Planica am 24. März. Nach Willingen geht es auf „Retro-Olympia-Tour“nach Lake Placid (USA), Schauplatz der Winterspiele 1980, und Sapporo/Japan (1972) – und dann wieder zurück nach Oberstdorf zum Skifliegen. Ehe es dann im März richtig wild wird: Binnen 25 Tagen stehen – Qualifikationen nicht eingerechnet – zwölf Springen an.
Schon jetzt regt sich Widerstand gegen die Springflut. „Mir ist es schon lieber, wenn`s ein bisserl kürzer ist“, sagte Österreichs Trainer Andreas Widhölzl. Wenn es nach Weltverbands-Renndirektor Sandro Pertile geht, wird es noch mehr. Er fabulierte zuletzt von einer achtmonatigen Saison. „Man könnte schon im Oktober mit drei, vier Wettbewerben auf Matte starten“, sagte der Italiener.