Licht und Schatten bei Exzellenz-Ergebnis
Die Saarbrücker Informatik ist mit ihrem Exzellenz-Antrag gescheitert. Mehr Erfolg gab es im Bereich Biowissenschaften.
SAARBRÜCKEN An der Fassade des Saarbrücker Informatikgebäudes hängt noch das Logo des Exzellenzclusters, aus dessen Mitteln der Bau vor einigen Jahren finanziert worden ist. Nachdem die als großes Aushängeschild der Universität des Saarlandes geltende Informatik 2018 überraschend dieses, ihr Exzellenz-Siegel verloren hatte, sollte es nun in der aktuellen Runde des wichtigsten deutschen Wissenschaftswettbewerbs, der „Exzellenz-Strategie“der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), unbedingt wieder klappen.
Am Freitagmorgen folgte dann die bittere Gewissheit, dass die Informatik mit ihrem 120-seitigen Antrag gescheitert ist: Die 39-köpfige wissenschaftliche Auswahlkommission der DFG hatte aus einem wissenschaftlich extrem ambitioniert zusammengesetzten Ideenpool zu entscheiden. Im Begutachtungsverfahren fiel das von den Professoren Vera Demberg und Sven Apel eingebrachte Projekt „Anthropic Informatics“, das die Entwicklung eines Ethik-Kompasses für KI-Software zum Ziel hat, durch. Fairness und Vertrauen sollen bei „Anthropic Informatics“ganz im Sinne der User großgeschrieben werden. Eigentlich ein Thema von großer gesellschaftlicher Relevanz. Vor einigen Tagen zeigte sich der Dekan der Fakultät für Mathematik und Informatik, Professor Jürgen Steimle, im SZ-Gespräch denn auch noch sehr zuversichtlich: „Wir sind hier alle überzeugt, dass wir einen sehr, sehr starken Antrag eingereicht haben.“
Der Freitagmorgen hielt für die Universität des Saarlandes zum Glück jedoch auch eine zweite, umso ermutigendere Nachricht bereit: Die zweite, aus den Biowissenschaften kommende Saarbrücker ExzellenzInitiative hat hingegen die besagte erste große Hürde im Rahmen der Exzellenz-Strategie erfolgreich genommen. Wie eng das am Freitag entschiedene Vorauswahlrennen war, zeigt sich darin, dass aus insgesamt 143 eingereichten Antragsskizzen (darunter die beiden aus Saarbrücken) lediglich 41 für die kommende Hauptrunde ausgewählt worden sind. Und damit immerhin einer aus den Reihen der UdS. Entsprechend erleichtert war Uni-Präsident Manfred Schmitt. „Wir gehören jetzt mit dazu“, meinte er am Mittag gegenüber der SZ. Nun gelte es, „die Zeit bis August zu nutzen und einen überzeugenden Vollantrag auszuarbeiten“.
Der Saarbrücker Antrag unter der Überschrift „nextAID3 (nächste Generation der KI-getriebenen Wirkstoffentdeckung und -entwicklung)“ist von den drei Professorinnen Andrea Volkamer (Bioinformatik), Martina Sester (Immunologie) und Anna Hirsch (Pharmazie) eingereicht worden. Ihr Ziel ist es, durch Einsatz lernfähiger Algorithmen die Suche nach neuen Arzneimitteln drastisch zu beschleunigen, indem die KI in großen Molekül-Datenbanken auf Basis klinischer Versuche gezielter passende Wirkstoffe sucht. In das
Saarbrücker Projekt zur Medikamentenentwicklung involviert ist neben drei Uni-Fakultäten (Mathematik und Informatik, Medizinische und Naturwissenschaftlich-Technische Fakultät) auch das außeruniversitäre Saarbrücker Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung (Hips).
Saar-Wissenschaftsminister Jakob von Weizsäcker (SPD) vermied es, Salz in die Wunden zu streuen. Er sei überzeugt, dass die Informatik ungeachtet dieses für sie schwierigen Tages „Exzellenzpotenzial“habe, ließ er mitteilen. Zugleich legte der Minister ihr „eine umfassende Ursachenanalyse“nahe. Erst Ende Februar wird man wohl genauer wissen, weshalb es nicht ganz gereicht hat. Dekan Jürgen Steimle hielt am Freitag derweil schützend seine Hand über die Informatik. „In einem solch hochkompetitiven Verfahren kann man nie von einem Selbstläufer ausgehen.“Ähnlich kommentierte der Uni-Präsident den Misserfolg: „Solche Rückschläge muss man akzeptieren.“Tatsächlich findet sich unter den 41 erfolgreichen Exzellenzanträgen lediglich einer aus der Informatik ( TU Darmstadt). Auch DFG-Präsidentin Katja Becker hielt am Freitag in ihrer Kommentierung der Gesamtergebnisse Trost für die nicht berücksichtigten Antragsteller bereit: „Unter höchsten wissenschaftlichen Qualitätskriterien eine Auswahl zu treffen, war auch mit manchen knappen Entscheidungen verbunden.“
Informatik-Dekan Steimle blickte am Freitag nach eigenen Worten „mit einem weinenden und einem lachenden Auge“auf das Vorauswahl-Ergebnis der DFG. Zur merklichen Aufhellung des Gesamteindrucks trug bei, dass die Informatik mit Co-Sprecherin Andrea Volkamer und weiteren Antragstellern an „nextAID3“beteiligt ist. Auf diesem Antrag ruhen nun die Saarbrücker Hoffnungen. Bis 22. August haben die drei Professorinnen und ihre Teams nun Zeit, an einem Vollantrag zu feilen, der sich dann in der Hauptrunde einer noch härteren Konkurrenz stellen muss. Da schlussendlich maximal 70 Antragsteller einen Exzellenzcluster erhalten werden, die nun ausgewählten 41 Anträge – sie kommen von 37 Hochschulen aus 13 Bundesländern – in der nächsten Runde jedoch mit den 57 bestehenden Exzellenzclustern konkurrieren werden, ist klar: Das Nadelöhr, durch das der Saarbrücker Nano-Bio-MedForschungscluster kommen muss, ist winzig.
Das weitere Prozedere sieht nun so aus: Alle 108 Exzellenz-Aspiranten werden zwischen Oktober 2024 und Februar 2025 in international besetzten Fach-Panels begutachtet. Auf deren Grundlage wird am 22. Mai nächsten Jahres dann eine nicht nur aus den Reihen der Wissenschaft, sondern auch der Politik besetzte Exzellenzkommission die 70 künftigen deutschen Exzellenzcluster vergeben. Die für ihre Förderung vorgesehenen Mittel belaufen sich auf insgesamt 539 Millionen Euro. ie Unileitung hatte auf die nun in Teilen gescheiterte Exzellenz-Initiative lange hingearbeitet. Zwei Exzellenzcluster hierher zu holen, war ein äußerst ambitioniertes Ziel. Das Scheitern in der von Manfred Schmitt erhofften Form ist insoweit auch eine persönliche Niederlage für den Präsidenten. Immerhin: Licht und Schatten halten sich im Ergebnis die Waage.
Bemerkenswert ist, dass der Forschungsverbund aus Bioinformatik, Medizin und Pharmazeutik auf dem so steinigen wie rutschigen Weg zu höchsten Förder- und Reputationsweihen der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine wichtige Hürde genommen hat. Das dürfte, im Verbund mit dem hiesigen Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung, den Saarbrücker Biowissenschaften weiter Auftrieb geben.
Für die traditionsreiche Informatik ist das Ausscheiden ein Schlag ins Gesicht. Sie hatte gehofft, die Scharte des gerne als „Ausrutscher“gedeuteten Verlusts ihres Exzellenzclusters in der letzten DFG-Förderrunde auszuwetzen. Verfehlt wäre es, aus dem Misserfolg nun abzuleiten, mit ihrem Renommee und ihrer Qualität sei es nicht mehr zum Besten gestellt. Man sollte das Kind also nun nicht mit dem Bade ausschütten. Der Wissenschaftsminister tat insoweit gut daran, ihr Exzellenzpotential zu betonen – und es nicht infrage stellen.
Zur Ursachenforschung gehört die Frage, ob interne Querelen für das Scheitern eine Rolle gespielt haben könnten. Dass das HelmholtzInstitut für Informationssicherheit (Cispa), dessen Verhältnis zum Saarland Informatics Campus als angespannt gilt, nicht beteiligt war, wird auch der DFG aufgefallen sein.