US-Angriffe im Nahen Osten sind als Warnung an Teheran gedacht
Die Vergeltungsschläge der USA in Irak, Syrien und Jemen richten sich gegen mit dem Iran verbündete Milizen. Der eigentliche Adressat aber ist das Regime in Teheran.
Die amerikanischen Vergeltungsschläge für die drei toten Soldaten des Drohnenangriffs auf einen US-Stützpunkt in Jordanien wirken nicht nur inszeniert. Sie sind es auch. Über Tage hatte das Weiße Haus angekündigt, dass die Supermacht „zu einem Zeitpunkt unserer Wahl“militärisch darauf reagieren werde. Dieser Zeitpunkt war am Freitag gekommen. Als die Militärmaschine mit den Särgen William Rivers (46), Kennedy Sanders (24) und Breonna Moffetts (23) in der Dover Air Force Base in Delaware landete, stiegen in Texas B-1B-Langstreckenbomber auf.
US-Präsident Joe Biden, der an einer Trauerfeier für die drei getöteten Soldaten teilnahm, wusste zu diesem Zeitpunkt, dass der Gegenschlag begonnen hatte. „Die Vereinigten Staaten wollen keinen Konflikt im Nahen Osten oder an einem anderen Ort auf der Welt“, erklärte der Präsident nach Beginn der Bombardierung von 85 Zielen in Irak und Syrien. „Aber alle, die uns schaden wollen, sollten wissen: Wenn Sie einen Amerikaner verletzen, werden wir reagieren.“
Die als „mehrstufige Kampagne“angekündigte Vergeltung, an der sich auch britische Kampfflugzeuge beteiligten, ging am Wochenende weiter, mit Angriffen auf 36 Ziele an 13 Orten, die von den mit Iran verbündeten Huthi im Jemen kontrolliert werden. In einer gemeinsamen Stellungnahme mit den Briten heißt es, Ziel der Schläge sei, „die Fähigkeit der Huthi einzuschränken, den globalen Handel und das Leben von unschuldigen Seeleuten zu gefährden.“
Die Huthi bedrohen die Handelsschifffahrt im Roten Meer und hatten in den vergangenen Wochen wiederholt Schiffe angegriffen. Die großen Redereien und British Petroleum schicken ihre Frachter und Tanker seitdem auf den Umweg über die Südspitze Südafrikas.
Der Nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten, Jake Sullivan, wertete die Vergeltungsschläge als
Erfolg. „Sie hatten einen ziemlich guten Effekt, die Kapazitäten der Milizen und Huthis zu verringern und zu zerstören.“Weitere Angriffe seien geplant. „Wir telegrafieren nicht vorab unsere militärischen Schläge“, lehnte Sullivan es auf CNN ab, mehr Einzelheiten zu nennen.
Irak bestellte den US-Botschafter ein, um diesem eine offizielle Protestnote zu übermitteln. Das Land wolle nicht „Schauplatz für rivalisierende Mächte werden, die ihre Rechnungen miteinander begleichen.“Washington verlangte von der irakischen Regierung, mehr zu tun, die Tätigkeit des „Islamischen Widerstands“und anderer von Iran unterstützter Gruppen auf seinem
Territorium zu unterbinden.
Experten meinen, die Gegenschläge der USA seien von ihrer Anlage her mehr symbolisch als substanziell. Wie der Einsatz der Langstreckenbomber aus Texas signalisieren sollte, dass die USA das Regime in Iran jederzeit ins Visier nehmen könnten. Der nationale Sicherheitsberater Sullivan warnte Teheran, die falschen Schlüsse zu ziehen und die Provokationen durch die Verbündeten fortzusetzen. „Wir beobachten das genau und sind darauf eingestellt, darauf zu reagieren.“
Unbeeindruckt von den Luftschlägen kündigten die Huthi an, ihre Angriffe auf die Handelsschifffahrt zu verstärken. Ziel könnten auch die Internet-Kabel sein, die auf nur hundert Meter Tiefe auf dem Grund des Roten Meeres liegen. Eine Unterbrechung der Leitungen würde Teile der globalen Kommunikation zum Zusammenbruch bringen.
US-Außenminister Anthony Blinken versucht derweil bei seiner fünften Reise in den Nahen Osten seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober, ein Ende der Kämpfe um Gaza, die Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung und die Freilassung der rund hundert israelischen Geiseln zu erreichen.