Geheimnis um den FCS-Löwen Lui endlich gelüftet
Lui hat es nicht leicht. Er hört schlecht, sieht schlecht, schwitzt stark, oft ist er nach dem Spiel richtig k.o.. Ob der Job als Maskottchen des 1. FC Saarbrücken anstrengend ist? „Boah“, entfährt es Cengiz Yavas: „Das ist extrem anstrengend. Das Schlimmste ist die Hitze in der Maske, am Körper geht's.“Gerade im Sommer müsse er sehr viel trinken. Wenn die Sonne knallt im Ludwigspark, kommt es vor, dass er alle 20 Minuten in die Katakomben muss, um sich zu schützen. Übel sei es beim Freundschaftsspiel gegen Mönchengladbach im vergangenen Juli gewesen. „Da war ich fünf, sechs Stunden im Kostüm. Danach konnte ich kaum noch stehen.“
Man sieht: Offenbar geben beim FCS nicht nur die Spieler alles, gehen über Grenzen – mindestens, wenn ein heißer Pokalfight ansteht wie jetzt wieder gegen Gladbach an diesem Mittwochabend. Natürlich denkt Lui, der Löwe, dass der FCS gewinnt: „Ich hoffe, dass wir wieder einen guten Tag haben.“
Wie schon mehrfach in dieser so herausragenden Pokalsaison mit dem Höhepunkt Bayern, dem 2:1 für die Geschichtsbücher. Klar sei dieses Spiel das bislang eindrucksvollste in seiner Maskottchen-Karriere gewesen, „das hat mich natürlich auch mitgerissen“. Und das Spiel hat ihn bundesweit bekannt gemacht. Nicht seinen Namen, aber sein Gesicht. „Direkt neben Neuer! Saarbrücken
Maskottchen ohne Maske im TV enttarnt“, titelte eine Boulevard-Zeitung noch am selben Abend, eine weitere schrieb: „ARD enttarnt SaarbrückenGeheimnis bei Pokal-Sensation“.
Tatsächlich war Cengiz Yavas in der Halbzeit kurz ohne Löwenkopf neben dem Bayern-Torwart zu sehen, eine Trinkflasche in der Hand. Dass dieser Mann Cengiz Yavas ist, 47 Jahre alt, Vater von drei Kindern, geboren in Völklingen, aufgewachsen in Wadgassen, seit über 20 Jahren in Saarbrücken, im Nauwieser Viertel zuhause – das wissen bislang aber nur wenige.
Bis jetzt. Erstmals spricht Yavas über seine Arbeit im Park und wie er zu dem Job kam, von dem er nie gedacht hätte, das er ihn mal machen würde. Und er verrät einen großen Zufall – oder ist es doch Schicksal? Der FCS wurde 1903 gegründet, Yavas hat am 19.03. Geburtstag, vielleicht ist er also doch dafür bestimmt, der FCS-Löwe zu sein.
Dass er vor elf Monaten als Maskottchen vorgestellt wurde, beruht auf einer Schnaps-Idee. Cengiz Yavas ist schon lange befreundet mit Salvo Pitino, dem Vizepräsidenten des Vereins, und der war auf der Suche nach jemandem fürs Löwenkostüm. Erst sei er von der Idee nicht überzeugt gewesen, erzählt Yavas, „ich hatte mit Fußball überhaupt nichts zu tun und es war jetzt wirklich nicht mein Traum, ein Maskottchen zu sein“. Dann aber habe ihn Pitino so lange bequatscht, bis er bei einem Glas Whisky schließlich zugesagt habe.
„Eigentlich war es ein Gefallen für einen Kumpel, aber jetzt stecke ich da drin und komme nicht mehr raus“, sagt Yavas und lächelt. Sein erster Auftritt als Maskottchen sei, man glaubt es kaum, sein erster Besuch in einem Fußballstadion überhaupt gewesen. Direkt bezahlt wird er für sein Tun nicht. Er bekommt pro Spiel ein paar wenige Eintrittskarten, die verschenkt er oder spendet sie, zum Beispiel an das SOS-Kinderdorf oder wie jetzt vor Gladbach an den Verein „Blau-Schwarz gegen Kinderkrebs“. Umsonst nämlich will Yavas den Job nicht machen: „Ich möchte schon was dafür haben, möchte wertgeschätzt werden.“
Denn er hat ja auch richtig Arbeit, kümmert sich um das Kostüm, reinigt es, hat dessen Belüftung verbessert, „sonst geht man da echt ein“. Am Spieltag geht es dann richtig rund. Gegen Gladbach wird Lui mindestens zwei Stunden vor Anpfiff im Stadion sein, „die Leute sind glücklich, Kinder klammern sich an mich, manchmal komme ich nicht mehr vom Fleck“. Wenn jemand nach ihm ruft, versucht er gleich da zu sein, macht Selfies, blödelt rum, verbreitet Freude.
Die Reaktionen sind interessanterweise nicht ausnahmslos positiv. Der eine oder andere gucke grimmig, gerade im Fanblock, daher geht Lui nur noch zu Leuten, die ihn auch sehen wollen. Das kann auch schon mal nach dem Spiel der gegnerische Trainer mit seinem Kind sein. „Bei den allermeisten komme ich gut an. Die Leute freuen sich, es gibt immer wieder Komplimente. Das ist schon teilweise herzerweichend.“
Herzerweichend sind auch Begegnungen, wenn Lui ein schwerkrankes Kind besucht oder für eine wohltätige Sache im Einsatz ist. Das würde Cengiz Yavas künftig gern noch häufiger machen. Jetzt aber freut er sich auf den Pokalabend gegen Gladbach. Er habe inzwischen „Null Lampenfieber“, freue sich, wenn er im Stadion ankomme, gerade jetzt nach der für ihn „sehr langen Winterpause“.
Zurück zum FC Bayern, zur Sensation. Zu diesem Spiel hat Yavas noch eine Anekdote parat. Außer Müller und Neuer habe er eigentlich keinen Spieler gekannt. Sané habe er vorher gegoogelt – und ihn dann doch nicht erkannt nach dem Spiel, nach der für die Bayern so peinlichen Niederlage. Völlig unbedarft fragte er Sané nach einem Autogramm, zum ersten Mal in seinem Leben tat er das, seinem Sohn zuliebe.