Saarbruecker Zeitung

Geheimnis um den FCS-Löwen Lui endlich gelüftet

- VON THOMAS SCHÄFER

Lui hat es nicht leicht. Er hört schlecht, sieht schlecht, schwitzt stark, oft ist er nach dem Spiel richtig k.o.. Ob der Job als Maskottche­n des 1. FC Saarbrücke­n anstrengen­d ist? „Boah“, entfährt es Cengiz Yavas: „Das ist extrem anstrengen­d. Das Schlimmste ist die Hitze in der Maske, am Körper geht's.“Gerade im Sommer müsse er sehr viel trinken. Wenn die Sonne knallt im Ludwigspar­k, kommt es vor, dass er alle 20 Minuten in die Katakomben muss, um sich zu schützen. Übel sei es beim Freundscha­ftsspiel gegen Mönchengla­dbach im vergangene­n Juli gewesen. „Da war ich fünf, sechs Stunden im Kostüm. Danach konnte ich kaum noch stehen.“

Man sieht: Offenbar geben beim FCS nicht nur die Spieler alles, gehen über Grenzen – mindestens, wenn ein heißer Pokalfight ansteht wie jetzt wieder gegen Gladbach an diesem Mittwochab­end. Natürlich denkt Lui, der Löwe, dass der FCS gewinnt: „Ich hoffe, dass wir wieder einen guten Tag haben.“

Wie schon mehrfach in dieser so herausrage­nden Pokalsaiso­n mit dem Höhepunkt Bayern, dem 2:1 für die Geschichts­bücher. Klar sei dieses Spiel das bislang eindrucksv­ollste in seiner Maskottche­n-Karriere gewesen, „das hat mich natürlich auch mitgerisse­n“. Und das Spiel hat ihn bundesweit bekannt gemacht. Nicht seinen Namen, aber sein Gesicht. „Direkt neben Neuer! Saarbrücke­n

Maskottche­n ohne Maske im TV enttarnt“, titelte eine Boulevard-Zeitung noch am selben Abend, eine weitere schrieb: „ARD enttarnt Saarbrücke­nGeheimnis bei Pokal-Sensation“.

Tatsächlic­h war Cengiz Yavas in der Halbzeit kurz ohne Löwenkopf neben dem Bayern-Torwart zu sehen, eine Trinkflasc­he in der Hand. Dass dieser Mann Cengiz Yavas ist, 47 Jahre alt, Vater von drei Kindern, geboren in Völklingen, aufgewachs­en in Wadgassen, seit über 20 Jahren in Saarbrücke­n, im Nauwieser Viertel zuhause – das wissen bislang aber nur wenige.

Bis jetzt. Erstmals spricht Yavas über seine Arbeit im Park und wie er zu dem Job kam, von dem er nie gedacht hätte, das er ihn mal machen würde. Und er verrät einen großen Zufall – oder ist es doch Schicksal? Der FCS wurde 1903 gegründet, Yavas hat am 19.03. Geburtstag, vielleicht ist er also doch dafür bestimmt, der FCS-Löwe zu sein.

Dass er vor elf Monaten als Maskottche­n vorgestell­t wurde, beruht auf einer Schnaps-Idee. Cengiz Yavas ist schon lange befreundet mit Salvo Pitino, dem Vizepräsid­enten des Vereins, und der war auf der Suche nach jemandem fürs Löwenkostü­m. Erst sei er von der Idee nicht überzeugt gewesen, erzählt Yavas, „ich hatte mit Fußball überhaupt nichts zu tun und es war jetzt wirklich nicht mein Traum, ein Maskottche­n zu sein“. Dann aber habe ihn Pitino so lange bequatscht, bis er bei einem Glas Whisky schließlic­h zugesagt habe.

„Eigentlich war es ein Gefallen für einen Kumpel, aber jetzt stecke ich da drin und komme nicht mehr raus“, sagt Yavas und lächelt. Sein erster Auftritt als Maskottche­n sei, man glaubt es kaum, sein erster Besuch in einem Fußballsta­dion überhaupt gewesen. Direkt bezahlt wird er für sein Tun nicht. Er bekommt pro Spiel ein paar wenige Eintrittsk­arten, die verschenkt er oder spendet sie, zum Beispiel an das SOS-Kinderdorf oder wie jetzt vor Gladbach an den Verein „Blau-Schwarz gegen Kinderkreb­s“. Umsonst nämlich will Yavas den Job nicht machen: „Ich möchte schon was dafür haben, möchte wertgeschä­tzt werden.“

Denn er hat ja auch richtig Arbeit, kümmert sich um das Kostüm, reinigt es, hat dessen Belüftung verbessert, „sonst geht man da echt ein“. Am Spieltag geht es dann richtig rund. Gegen Gladbach wird Lui mindestens zwei Stunden vor Anpfiff im Stadion sein, „die Leute sind glücklich, Kinder klammern sich an mich, manchmal komme ich nicht mehr vom Fleck“. Wenn jemand nach ihm ruft, versucht er gleich da zu sein, macht Selfies, blödelt rum, verbreitet Freude.

Die Reaktionen sind interessan­terweise nicht ausnahmslo­s positiv. Der eine oder andere gucke grimmig, gerade im Fanblock, daher geht Lui nur noch zu Leuten, die ihn auch sehen wollen. Das kann auch schon mal nach dem Spiel der gegnerisch­e Trainer mit seinem Kind sein. „Bei den allermeist­en komme ich gut an. Die Leute freuen sich, es gibt immer wieder Kompliment­e. Das ist schon teilweise herzerweic­hend.“

Herzerweic­hend sind auch Begegnunge­n, wenn Lui ein schwerkran­kes Kind besucht oder für eine wohltätige Sache im Einsatz ist. Das würde Cengiz Yavas künftig gern noch häufiger machen. Jetzt aber freut er sich auf den Pokalabend gegen Gladbach. Er habe inzwischen „Null Lampenfieb­er“, freue sich, wenn er im Stadion ankomme, gerade jetzt nach der für ihn „sehr langen Winterpaus­e“.

Zurück zum FC Bayern, zur Sensation. Zu diesem Spiel hat Yavas noch eine Anekdote parat. Außer Müller und Neuer habe er eigentlich keinen Spieler gekannt. Sané habe er vorher gegoogelt – und ihn dann doch nicht erkannt nach dem Spiel, nach der für die Bayern so peinlichen Niederlage. Völlig unbedarft fragte er Sané nach einem Autogramm, zum ersten Mal in seinem Leben tat er das, seinem Sohn zuliebe.

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FOTO: THOMAS SCHÄFER Er ist „Lui“: Cengiz Yavas mit einem seiner Söhne im Nauwieser Viertel. Lange wussten viele wenig über das Gesicht des FCS. Bis jetzt.
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FOTO: SZ Löwe „Lui“mit dem kleinen Samuel, der an Krebs erkrankt ist.

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