Was bedeutet „gesichert extremistisch“?
Die AfD muss vor Gericht zwei Niederlagen in zwei Tagen hinnehmen. Unter anderem wurde die Einstufung der JA durch den Verfassungsschutz bestätigt.
Zwei Gerichte haben in dieser Woche bestätigt, dass Teile der AfD als „extremistisch“eingestuft werden dürfen. Über die Bedeutung und Konsequenzen dieser Einordnung nachfolgend einige Fragen und Antworten.
Wo gilt die AfD als gesichert rechtsextrem?
Die Landesverbände der Partei in Sachsen und Thüringen werden von den dortigen Verfassungsschutzämtern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, die AfD in Brandenburg ist ein Verdachtsfall. Die Jugendorganisation Junge Alternative ( JA) wird ebenfalls als gesichert extremistische Bestrebung eingestuft, was laut einem noch nicht rechtskräftigen
Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln von dieser Woche auch rechtens ist (Az: 13 L 1124/23). Die JA hat Beschwerde dagegen eingelegt. Nicht zu beanstanden ist einer aktuellen, im Eilverfahren getroffenen Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts zufolge auch, dass im Bundesverfassungsschutzbericht 2022 von einem „extremistischen Personenpotential“von etwa 30 bis 40 Prozent aller AfD-Mitglieder ausgegangen wird (Az.: VG 1 L 340/23).
Der Verfassungsschutz arbeitet mit Prüffällen, Verdachtsfällen und mit gesichert extremistischen Bestrebungen. Wann ist die letzte Stufe erreicht?
Wenn aus Anhaltspunkten für verfassungsfeindliche Bestrebungen nach Ansicht der Behörde Gewissheit wird. Interessant ist in dem Zusammenhang die jüngste Begründung des Kölner Verwaltungsgerichtes: Im Fall der AfD-Jugendorganisation wies es auf einen völkisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff hin. Demnach ist der Ausschluss „ethnisch Fremder“eine zentrale Vorstellung der JA. Das verstoße gegen die Menschenwürde. Ferner nannte das Gericht sowohl eine fortgeführte „massive ausländer- und insbesondere islam- und muslimfeindliche Agitation“als auch Verbindungen zu als verfassungsfeindlich eingestuften Organisationen wie der Identitären Bewegung.
Hat der Verfassungsschutz bei gesichert extremistischen Bestrebungen mehr Befugnisse?
Ja. Zwar sind schon Organisationen, die als Verdachtsfälle gelistet werden,
Beobachtungsobjekte. Es gibt aber einen kleinen Unterschied bei den nachrichtendienstlichen Mitteln, die eingesetzt werden dürfen. Diese müssen immer verhältnismäßig sein. Gilt allerdings eine Organisation als gesichert extremistisch, können Verfassungsschützer etwa Observationen oder das Abhören von Telefonen leichter begründen. Außerdem sind dienstrechtliche Maßnahmen, zum Beispiel Entlassungen, einfacher, wenn eine Person einer gesichert extremistischen Bestrebung angehört.
JA-Chef Hannes Gnauck (32) sitzt für die AfD im Verteidigungsausschuss des Bundestages. Darf er da bleiben?
Als gewählter Abgeordneter kann er nicht einfach ausgeschlossen werden, weder durch die Ausschussvorsitzende noch durch den Ausschuss als Gremium. FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die den Ausschuss leitet, tauscht sich derzeit mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) über ein mögliches Vorgehen aus. Unserer Zeitung sagte Strack-Zimmermann: „Nicht nur ist die Sicherheit unseres Landes gefährdet, weil der Vorsitzende einer extremistischen Organisation Zugang zu eingestuften Informationen erhält. Auch die Funktionsfähigkeit unseres Parlaments ist bedroht, falls die Bundesregierung in den Ausschusssitzungen wesentliche Informationen zurückhalten sollte, weil der Vorsitzende einer extremistischen Organisation anwesend ist.“
Der stellvertretende Ausschussvorsitzende Henning Otte (CDU) forderte, die Personalie Gnauck müsse im Ältestenrat „dahingehend geprüft werden, ob ein Verbleib im Verteidigungsausschuss noch angemessen ist“. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln sei „ein deutlicher Hinweis auch auf die inhaltliche politische Ausrichtung auch der AfD insgesamt“. Die Obfrau der Grünen im Verteidigungsausschuss, Sara Nanni, sagte: „Die einzigen, die die Möglichkeit haben, Hannes Gnauck abzuberufen, ist die AfDFraktion.“Sie fügte hinzu: „Das tut sie aber nicht. Vielmehr schmückt sie sich mit Rechtsextremisten.“Die deutschen Institutionen hätten das Potenzial, wehrhaft zu sein. „Sie sind aber schwach, wenn Bürgerinnen und Bürger Rechtsextremisten mit Macht ausstatten.“Die AfD-Fraktion antwortete auf unsere Anfrage, ob sie erwägt, Gnauck im Verteidigungsausschuss zu ersetzen, mit „nein“.