Die fragwürdige Strategie der Liberalen im Bund
Ob das ein gutes Zeichen ist? Die beiden Streithähne der Ampel-Koalition – Christian Lindner und Robert Habeck – sind zurück im Selfie-Modus. Fast schon so, wie die Ampel vor gut zwei Jahren gestartet war. Nämlich mit einem grün-liberalen Foto aus den Sondierungsgesprächen. An diesem Mittwoch veröffentlichte Habeck bei Instagram ein Selfie von sich und Finanzminister Lindner, auf dem sie in die Handykamera des Wirtschaftsministers grinsen. Darunter ein kurzer Text zum Anlass: Die Ampel will 1,75 Milliarden Euro für die Förderung von Startup-Firmen in die Hand nehmen.
Doch jenseits dieser kleinen Bildbotschaft liegen der Vizekanzler von den Grünen und Deutschlands oberster Kassenwart von der FDP derzeit sehr oft über Kreuz. So oft, dass die SPD ihre beiden Koalitionspartner wieder einmal genervt dazu aufruft, etwa die Debatte über Entlastungen der Wirtschaft bitte zuerst miteinander hinter verschlossenen Türen zu führen. Langsam müssen die Bürger sich wohl daran gewöhnen, dass die Ampel-Spitzen diesbezüglich nicht lernfähig sind und nicht aus ihrer Haut können. Man ruft sich in ermüdender Regelmäßigkeit gegenseitig zu mehr Geschlossenheit auf, um im nächsten Halbsatz schon wieder eine Spitze an die anderen zu verteilen. Obwohl – und das ist so bitter daran – ruhiges und gemeinschaftliches Regieren doch so wichtig wäre angesichts hoher Zustimmungswerte für die in Teilen rechtsradikale
AfD.
Und immer häufiger drängte sich zuletzt der Eindruck auf, dass zumindest bei der FDP Strategie und Kalkül hinter den ewigen Querschüssen im Ampel-Betrieb stecken könnten, um für sich selbst zu werben. Denn die Liste der von den Liberalen blockierten Projekte der Bundesregierung wird immer länger. Doch der FDP- Strategie – sofern es denn eine ist – fehlt der Erfolgsnachweis. Die Umfragewerte der FDP sind seit Monaten dermaßen im Keller, dass die Liberalen wahrscheinlich den Einzug ins Parlament verpassen würden, wenn bereits am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre und nicht erst im Herbst 2025.
Lindner und seine FDP-Mitstreiter sind stets bemüht, ihr Interesse an einem Fortbestand der Ampel bis zum Ende der aktuellen Wahlperiode deutlich zu machen. Man fürchtet die Rolle der Abtrünnigen, die die Koalition platzen lassen könnten inmitten zahlreicher Krisen auf der Welt. Doch für eine Neuauflage des Bündnisses will man auch nicht werben. Sowohl die FDP als auch die Grünen scheinen zunehmend Interesse daran zu entwickeln, beim nächsten Mal in einem Zweierbündnis mit der Union zu regieren.
Schwarz-Grün hätte im Gegensatz zur Ampel in Umfragen eine Mehrheit – Schwarz-Gelb nicht. Dafür müsste die FDP noch sehr kräftig zulegen. Dass die Liberalen mit ihren vielen Querschüssen und Blockaden das jedoch erreichen werden, muss angesichts des ausbleibenden Erfolges bezweifelt werden. Zugleich scheint man in der FDP keinen anderen Weg zu sehen. Und so dürfte das aktuelle Habeck-Lindner-Selfie ein seltener Moment zur Schau getragener Einigkeit sein – bevor der öffentliche Streit zwischen den beiden Ministern weitergeht.