Mancher warnt vor „Frevel“am Schlossplatz
Der Juryentscheid zum Architektenwettbewerb für das Historische Museum Saar wird nicht einfach so hingenommen, wie der Besuch der Ausstellung mit den Entwürfen zeigt. Worüber wird diskutiert?
Dieser Tage in der Alten Post in Saarbrücken: Stimmengemurmel überall. So munter hätte es mancher Museumschef gerne in seinen Räumen, doch hier geht es um einen Architektenwettbewerb, um den für eine Erweiterung des Historischen Museums Saar. 22 Entwürfe, die eine Jury als anonyme Beiträge bewertete, wurden seit dem 30. Januar der Öffentlichkeit präsentiert. Es geht um sehr viel, um einen neuen architektonischen Akzent auf einem der bedeutendsten Plätze im Saarland, dem Saarbrücker Schlossplatz. 20 bis 25 Besucher kamen täglich.
Wiederholt hörte man dieser
Tage in der Alten Post denselben Ausruf: „Krass!“Und man konnte wetten, an welchem Punkt sich der Besucher befand: Vor dem Entwurf von 2001/ S.A.R.L. aus Esch-sur-Alzette, unstrittig der rigoroseste im von der Aufbaugesellschaft Schloss initiierten Architektenwettbewerb, der, wie berichtet, am 26. Februar mit einem überraschenden Ergebnis endete. Das Rennen machte ein Neubau („trint und Kreuder“, Köln). Sollte sich im Vergabeverfahren, in
dem es vor allem um Kosten geht, tatsächlich dieser erste Preisträger durchsetzen, müsste der von Stararchitekt Gottfried Böhm in den 90ern errichtete Bestandsbau weichen.
Auch die Luxemburger 2001/ S.A.R.L. lassen vom Böhmschen Gebäude nur ein Phantom übrig, ein begrüntes Bogen-Skelett. Den Eingang des Museums verlegt das Büro in die Mitte des Schlossplatzes, alle Räume in den Schlossplatz-Untergrund. Oberirdisch wird ein trans
parentes, pyramidenartiges Konstrukt sichtbar, auf das eine Rampe zuführt. Kurz: Der Schloss-Hof wird zur eigentlichen neuen Architektur, zu einer futuristischen Kulisse.
Den Laien mag diese Extravaganz amüsieren, das Fachpublikum, das die Pläne en détail zu lesen versteht, steigt nicht nur bei diesem Entwurf in Experten-Gespräche ein. Zentrale, noch ungeklärte Fragen werden aufgeworfen. Was sagen die Erben Böhms – ihres Zeichens ebenfalls Architekten – zur plötzlich aufgetauchten Option des Abrisses, schließlich war in der Ausschreibung nur von „eine (r) die vorhandene Bausubstanz äußerst sensibel berücksichtigende(n) bauliche(n) Erweiterung“die Rede? Ist es nicht eine Benachteiligung, wenn die, die sich an diese Vorgabe und alle anderen Vorgaben halten, dafür ihre Kreativität zügeln, etwa in Bezug auch auf die Integration des „Roten Turms“in das Bauvorhaben, was ursprünglich ausgeschlossen war. In der Ausschreibung ist zudem vorgegeben, dass sich der Bau „ins gesamte Ensemble“integrieren müsse. Ist dies beim ersten Preisträger wirklich optimal gelungen beziehungsweise: müsste es nicht
viel mehr Neubau-Vorschläge geben, um tatsächlich die optimale Lösung zu finden? Und dann sind bei einigen noch Erinnerungen an den verpatzten Wettbewerb des „Vierten Pavillons“der Modernen Galerie, der, weil der erste Preis als ungültig erklärt wurde, damit endete, dass man schließlich den fünften Preisträger realisierte. Droht derartiges wieder? All dies wurde in der Alten Post thematisiert.
Im Wettbewerb selbst haben sich insgesamt nur vier Büros bis zum Abriss vorgewagt – ein deutliches Votum kann man das nennen – für Respekt gegenüber dem Böhm-Bau, vor allem für dessen durchaus vorhandene Ertüchtigungs-Möglichkeiten.
„Schont den Bestand!“, dafür plädiert auch eine interessierte Bürgerin, die, wie sie sagt, die beiden Böhm-Bauten am Schlossplatz – Museum und Mittelrisalit – „immer wieder Freude“machen. „Frevel“nennt die einen möglichen Abriss und verlässt mit einem empörten Kopfschütteln über das Votum der Jury die Alte Post.
Dort fand wohl nicht selten ein zweites Voting statt. „Hast du schon deinen ersten Preisträger gefunden?“, hieß es mitunter. Rein optisch fand sich da viel Ansprechendes, etwa die „Netzstruktur“-Idee des Saarbrücker Büros Wandel Lorch, das gerne mit derartigen Form-Elementen spielt. Die Architekten ziehen eine luftige Pergola raus auf den Schlossplatz und machen das Museum dadurch weithin sichtbar. Auch die organische und zugleich puristisch klare Formensprache des Anbaus, mit dem Oliver Brünjes + Uwe Erhard (Saarbrücken) den zweiten Preis holten, überzeugt als klare Botschaft zeitgenössischer Eigenständigkeit ohne aufdringliche Geste. Insgesamt machten sieben saarländische Büros beim Wettbewerb mit. Darunter auch „FlosundK“(Saarbrücken), die in den sehr hohen Böhm-Gewölbe-Bau eine zweite Ebene einziehen. Dessen Tunnel-Dach verschwindet allerdings gänzlich, denn obenauf sitzt der eigentliche Erweiterungsbau, eine verspiegelte Riesen-Schachtel. Es ist dies eine für „FlosundK“charakteristische Dachaufstockung, ein bewusst gesetzter „Störakzent“.
Freilich hatte die Jury eine weit komplexere Aufgabe als nur auf Ästhetik zu achten: Städtebau, Energieeffizienz, Denkmalschutz. Das Hauptkriterium lautete jedoch Funktionalität. Das Historische Museum Saar braucht mehr Ausstellungsfläche und ein größeres Foyer, und es sollte auf dem Schlossplatz als klare Adresse besser wahrnehmbar werden. Womöglich hat die Konzentration auf diese dem Museum dienende Aufgabe den Ausschlag für den Jury-Beschluss gegeben. Wie Hanno Kreuder bei der Entgegennahme des ersten Preises in Saarbrücken sagte, war ihm vorrangig wichtig, „dass das Museum schnurrt“.
Das bringen Blitzer in die Kassen der Kommunen.