Pflegeeltern wehren sich gegen Vorwürfe
Mehr als zehn Jahre nach Beginn der Ermittlungen soll die Jugendkammer am Landgericht Saarbrücken jetzt klären, ob ein Ehepaar seine früheren Schützlinge geschlagen und gequält hat.
Die mutmaßlichen Opfer sind heute fast 30 Jahre alt, oder älter. Wurden sie vor mittlerweile mehr als 20 Jahren von ihren damaligen Pflegeeltern körperlich schwer misshandelt? Gar mit Vorsatz gequält und gedemütigt? Von schlagen, treten, kratzen und stoßen sowie gezielten Strafaktionen wird mit Bezug auf die vorliegende Anklageschrift berichtet. Sind solche Vorwürfe der Ex-Pflegekinder, die als Zeugen im Prozess auftreten sollen, „erlebnisorientiert“, erfunden, abgesprochen oder basieren diese möglicherweise auf Verwechselungen? 18 Verhandlungstermine hat die große Jugendkammer des Saarbrücker Landgerichts bislang ab Montag, dem 19. Februar, für den nicht alltäglichen Prozess reserviert.
Erstaunlich sind jedenfalls die „Begleitumstände“des Verfahrens: Die angeklagten Taten, gemeinschaftlich begangene Misshandlung von Schutzbefohlenen, datieren von Februar 2002 bis Dezember 2011, liegen also Jahrzehnte zurück. Angeblicher Tatort: Das Haus der Pflegeeltern, damals in einem Mettlacher Ortsteil. Und: Die polizeilichen Ermittlungen wurden erst 2013 eingeleitet, als ein Mädchen wegen Betrugs im Visier der Fahnder stand. In ihrer Vernehmung soll sie aus heiterem Himmel plötzlich von Misshandlungen erzählt haben. Bereits Ende Dezember 2016, also vor mehr als sieben Jahren, wurde die Anklage erhoben.
Das beschuldigte Ehepaar (heute 53 und 55 Jahre alt) bestreitet die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe vehement. Die Verteidiger Dr. Jens Schmidt, der die Pflegemutter vertritt, und sein Kanzlei-Kollege Christian Schmitt betonen im Vorfeld der Hauptverhandlung: „Unsere Mandanten werden sich mit dem Ziel des Freispruchs verteidigen!“
Ein Grund dafür, dass die Justiz so viel Zeit zwischen Anklage und Verhandlung verstreichen ließ, mag das Verhalten einer Gutachterin sein, die offenbar bummelte. Das zuständige Gericht soll sogar ein Ordnungsgeld gegen die Sachverständige angeordnet und ein weiteres angedroht haben. Erhebliche Verfahrensverzögerungen seien justizintern zu verantworten, argumentieren die beiden Verteidiger.
Ungewöhnlich ist auch, dass die Verteidiger vor dem Prozess per Pressemitteilung in die Offensive gehen. So betonen Schmidt und Schmitt etwa, dass auch die Mitarbeiter des zuständigen Jugendamtes davon ausgehen, die gegen die Pflegeeltern erhobenen Vorwürfe seien „übertragen“worden. Die Kinder seien, so die Aktenlage, bereits von ihrer leiblichen Mutter misshandelt worden. Ein Pflegekind sei im Elternhaus von einem Freund der Mutter sexuell missbraucht worden. Die Zeugen, von denen drei angeblich unter einer „paranoiden Persönlichkeitsstörung“leiden, schreiben demnach aus Verteidigersicht mögliche Misshandlungen, die sie im Haus der leiblichen Mutter erleben mussten, den Pflegeeltern zu.
Den Akten, so die Verteidiger, seien „zahlreiche Anhaltspunkte“für eine solche Persönlichkeitsstörung zu entnehmen. „Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie ungerechtfertigte Verdächtigungen erheben und aufgrund übertriebenem Misstrauen Motive fälschlicherweise als bösartig interpretieren. Die Anwälte argumentieren zudem, in einem gerichtsmedizinischen Gutachten würde die Darstellung der Kinder massiv in Zweifel gezogen. Aus rechtsmedizinischer Sicht wurde in diesem Zusammenhang eine psychiatrische Begutachtung angeregt. Diese sei aus ihrer Sicht dringend notwendig, bislang aber nicht erfolgt.
Gegen die vom Landgericht eingeschaltete Aussage-Psychologin aus Berlin wurde zwischenzeitlich ein Befangenheitsantrag eingereicht. Die Frau soll ihre Kompetenzen überschritten haben. Schmidt und Schmitt fordern derweil, den Prozesstermin Mitte des Monats aufzuheben. Sie legen den Richtern unter anderem Dutzende Fotos aus dem Album der Pflegefamilie vor. Ein Foto zeigt demnach die Übergabe des „Oscars“für die „beste Mama der Welt“durch ein früheres Pflegekind an die jetzt angeklagte Frau.